Rechte Klagen: Nazis scheitern an Videobeweis
Eine Lichtenberger NPD-Verordnete verklagt ein SPD-Mitglied, das sich gegen Rechtsextremismus engagiert, wegen Beleidigung.
Die Provokation der Lichtenberger NPD-Bezirksverordneten Manuela Tönhardt im vergangenen April zeigt Wirkung. Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert darüber, ob der Bezirk zum Christopher-Street-Day im Juni die Regenbogenfahne hissen soll. „Wir wundern uns sehr darüber, dass eine Fraktion die homoerotischen Interessen einzelner Verordneter trägt und daraus Anträge einbringt“, empört sich Tönhardt hinter dem Rednerpult. Im Saal wird es laut, Pfiffe sind zu hören. Dann wird ihr das Wort entzogen. Kurz darauf zeigt sie den SPD-Verordneten Kevin Hönicke an. „Fick Dich“ soll der ihr zugerufen haben.
Belegt werden soll die angebliche Entgleisung am Freitag vor dem Amtsgericht Tiergarten durch ein Video, das eine NPD-Verordnete von Tönhardts Rede aufgenommen hatte. Die 60-jährige Busfahrerin wirkt nervös. „Ich war in einer besonderen Situation“, sagt sie vor Gericht. Die Beleidigung habe der SPD-Politiker „voller Hass“ gerufen. Dazu habe er eine „Fick dich ins Knie“-Pose gemacht. Der Richter fragt amüsiert, ob es denn eine international anerkannte Pose dafür gebe. Tönhardt erklärt, dabei werde der „Stinkefinger“ ausgestreckt, während die andere Hand in den Ellenbogen geschlagen werde.
Zwei Zeugen sind für die NPD gekommen, einer von ihnen ist Danny Matschke, der bekräftigt: „Bei uns allen heißt das: ’Fick dich ins Knie‘.“ Überhaupt haben die drei bei der Vernehmung fast identische Aussagen zu Protokoll gegeben. Vor Gericht gibt Matschke zu, dass er den SPDler Hönicke nicht genau gehört hatte.
Auch das vermeintliche Beweismittel der Rechten taugt wenig: Auf dem Video ist lediglich Tönhardt zu sehen, die sich in Rage redet. Beleidigende Schreie oder Posen: Fehlanzeige. Stattdessen ist es Hönicke, der ruft: „Das ist eine Beleidigung.“
Cornelia Berger, die das Video aufgenommen hatte, gab ebenfalls zu Protokoll, die Gesten gesehen zu haben – auf der Aufnahme eingefangen hat sie Hönickes angeblichen Ausfall aber nicht. Das Video wird zum Eigentor.
Er glaube, dass die NPD Hönicke, der sich gegen Rechtsextremismus engagiert, einschüchtern wolle, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Lichtenberger BVV, Erik Gührs, der taz. Auch der Richter sieht „erhebliche Zweifel“ an der Darstellung der NPD-Bezirksverordneten – und spricht Hönicke vom Vorwurf der Beleidigung frei.
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