Rechte Hetze nach „Zigeuner-Mordfall“: Die Unerwünschten
Ungarns Rechte schürt die Pogromstimmung gegen die rund eine Million Roma im Land. Gábor Vona von der rechten Partei „Jobbik“ will die Todesstrafe wieder einführen.
WIEN taz | Als im vergangenen Juli die junge Polizeipsychologin Kata Bándy in Pécs einem Sexualmord zum Opfer fiel, wurde ein Angehöriger der Roma-Minderheit als wahrscheinlicher Täter festgenommen. Sein Foto und Name wurden über die rechten Medien verbreitet. Obwohl die Eltern des Opfers baten, aus dem Fall keine Kollektivschuld abzuleiten, sprach die faschistische Jobbik-Partei schnell vom „Zigeuner-Mordfall“ . Pogromstimmung wurde geschürt. Gábor Vona, Chef von Jobbik, der mit 47 Mandaten und 17 Prozent der Wählerstimmen drittstärkste Partei im Parlament, rief einmal mehr nach der Wiedereinführung der Todesstrafe.
Ähnlich äußerte sich Ungarns einflussreicher Rechtsaußen-Publizist Zsolt Bayer, Fidesz-Mitbegründer und Orbán-Freund: „Wir müssen es aussprechen: Der viehische Mörder war ein Zigeuner. (...) Wenn die Zigeunergemeinschaft diese Mentalität ihrer Rasse nicht ausrottet, dann ist klar: Mit ihnen kann man nicht zusammenleben.“
Mitte August marschierten rechte Milizen in der Stadt Cegléd auf und drangsalierten die an der Peripherie lebenden Roma-Familien. Ethnische Ungarn hatten sie nach einem Diebstahl herbeigerufen. Die von Jobbik vor fünf Jahren gegründete Ungarische Garde, die in schwarzen Uniformen immer wieder durch Roma-Bezirke marschierte und Terror verbreitete, wurde zwar gerichtlich verboten. Doch die Formationen bestehen weiter. Am 25. August durften sie auch wieder am Heldenplatz in Budapest aufmarschieren.
Mit 800.000 bis zu einer Million Angehörigen sind die Roma die größte Minderheit in Ungarn. Ganz wenige haben höhere Bildung, die meisten Kinder werden in Sonderschulen abgeschoben und landen praktisch ohne formale Bildung in der Arbeitslosigkeit. Fabriken, wo viele während der kommunistischen Zeit beschäftigt waren, haben geschlossen oder bauten im Rahmen von Rationalisierungen zuerst die ungelernten Arbeitskräfte ab.
Die meisten Roma leben daher von Sozialhilfe und werden schon deswegen als Schmarotzer geschmäht. Die aggressive Stimmung gegenüber der Minderheit gipfelte in einer Serie von Anschlägen 2008/2009, bei denen sechs Roma von einer rechtsextremen Bande ermordet wurden.
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