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Reaktionen auf Wulff-AffäreSchwarz-Gelb mauert

Die Opposition fordert weitere Aufklärung in der Kreditaffäre, statt sich über Wulffs Anruf beim "Bild"-Chef zu äußern. Führende Koalitionspolitiker wollen Wulff im Amt halten.

Aus Schloss Bellevue kommen knappe Statements, von der Koalition ist gar nichts zur neuen Wulff-Affäre zu hören. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Reaktion aus dem Bundespräsidialamt war mehr als wortkarg: "Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut", teilte die Sprecherin Christian Wulffs am Montag mit.

Der Präsident habe deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben und mehrere hundert Medienanfragen beantwortet. Allerdings: "Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft."

Kein Wort also von Wulff über seinen jetzt bekannt gewordenen Drohanruf bei der Bild-Zeitung. Auch ansonsten fielen die Reaktionen im politischen Berlin sparsam aus. Sowohl in der Koalition als auch in der Opposition hielten sich führende Politiker mit Wertungen der jüngsten Wende in der Kreditaffäre des Bundespräsidenten zurück.

Für die SPD gab am Nachmittag Fraktionsvize Hubertus Heil ein Statement ab. Er blieb vorsichtig. Die Beziehungen von Wulff zu einzelnen Presseorganen könne er nicht beurteilen, sagte Heil. Ganz grundsätzlich gelte aber, dass ein Staatsoberhaupt nicht versuchen sollte, kritische Berichterstattung zu unterbinden: "Das wäre unwürdig."

Statt sich über den Anruf auszulassen, forderte Heil lieber weitere Aufklärung in der Kreditaffäre. Wulff müsse angesichts immer neuer Informationen über Kredite schnellstmöglich Klarheit schaffen, sagte Heil - "ohne wieder und wieder neue offene Fragen zu produzieren".

"Ich schäme mich, ihm meine Stimme gegeben zu haben"

Auch Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke wiederholte lediglich die Forderung nach mehr Aufklärung. "Er muss sich nicht wundern, dass er von immer neuen Fragen überrollt wird, solange er keinen reinen Tisch macht und Informationen nur scheibchenweise herausrückt", sagte Lemke weiter.

Sie fügte hinzu: "Und er sollte sich fragen, ob das Präsidentenamt nicht durch sein taktisches Verhalten und seinen mangelnden Aufklärungswillen viel deutlicher beschädigt wird, als es durch Kritik an seiner Person möglich wäre."

In der Koalition herrschte eisiges Schweigen. Nur der FDP-Parlamentarier Erwin Lotter erneuerte seine Rücktrittsforderung, die er als einziger Koalitionspolitiker bereits Mitte Dezember erhoben hatte. "Ich schäme mich, ihm meine Stimme gegeben zu haben."

Bei Union und FDP sind führende Politiker fest entschlossen, Wulff im Amt zu halten, um eine Koalitionskrise zu vermeiden. Kanzlerin Angela Merkel hatte dem Präsidenten in den letzten Wochen mehrfach ihr Vertrauen ausgesprochen.

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15 Kommentare

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  • H
    Hasso

    Das führende Koalitionspartner Wulff im Amt behalten wollen, scheint mir einleuchtend Denn wer im "Glashaus sitzt" aber noch nicht auffiel, der ist vorsichtig mit Steine werfen. Das heißt natürlich, dass ich damit

    alles unter Generalverdacht stelle. Aber tun das unsere Politiker nicht auch, wenn sie die Datenspeicherung aller Bürger wollen?

  • LW
    Lisa Wendt

    Schadenfreude. ;-)

    Ende von schwarz-gelb für die nächsten Jahrzehnte....

  • V
    vic

    Aha. Die Pressefreiheit ist ihm ein hohes Gut.

    Doch nur, so lange sie ihm zu Diensten ist, scheint mir.

  • G
    Gerda

    Wie lautet eigentlich die Handy-Nummer von Christian Wulff und Kai Diekmann?

  • M
    Marvin

    Es ist wie bei Laurent Gbagbo, dem Präsidenten der Elfenbeinküste. Letztlich hat doch die böse alte Großmacht (dort: Französische Armee, hier: Springer) ihn aus dem Amt gehieft. =)

  • G
    Gerda

    Die Opposition fordert keinen sofortigen Rücktritt? Auch das ist eine erstaunliche Top-Nachricht!

     

    Was ist denn das für eine Geisteshaltung, die sich hier sämtlichst in der führenden politischen Kaste offenbart?

     

    Es ist richtig, daß die Springer-Presse die Geisteshaltung von Christian Wulff publik gemacht und nicht vertuscht hat - und ich erwarte zu beiden Nachrichten aufklärende Stellungnahmen und Essays aus vielen Richtungen.

  • G
    Gerda

    Die Opposition fordert keinen sofortigen Rücktritt? Auch das ist eine erstaunliche Top-Nachricht!

     

    Was ist denn das für eine Geisteshaltung, die sich hier sämtlichst in der führenden politischen Kaste offenbart?

     

    Es ist richtig, daß die Springer-Presse die Geisteshaltung von Christian Wulff publik gemacht und nicht vertuscht hat - und ich erwarte zu beiden Nachrichten aufklärende Stellungnahmen und Essays aus vielen Richtungen.

  • A
    Apfelsaft

    Wenn unsere lieben Politiker mal wieder keine Ahnung haben, wie sie die aktuell wichtigen Probleme lösen können, muß halt jemand herhalten. Das war in den letzten Jahren andauernd so. Ich wage zu behaupten, daß nur die wenigsten Politiker sich nicht in irgendeiner Weise bereichern. Daher sollen sie sich mal nicht zu weit aus dem Fenster lehnen!

    Es ist natürlich, zugegebenermaßen, ganz praktisch. Dann muß man sich wenigstens keine Gedanken machen, was mit Euro und Co. passiert. Zumindest nicht darum, daß die Bürger die allgemeine Ratlosigkeit mitbekommen.

  • P
    pablo

    wenn die pressefreiheit ein so hohes gut für den wulff ist dann möchte ich nicht wissen was er macht bei sachen die einen geringeren wert seiner meinung nach haben. jetzt ist der zeitpunkt den rücktritt zu fordern wegen eines bundespräsidenten unwürdigen verhaltens.

  • BB
    bernd baron

    In welchem verwahrlosten Zustand befindet sich die - sogenannte - politische Klasse in diesem - auch meinem - Deutschland, wenn die Person die derzeit das Amt des Bundespräsidenten als - angeblich - moralische Instanz bekleiden darf, wenn doch sein Leugnen zu seinem unlauteren Handeln nicht mehr zu bestreiten geht ohne dass man selbst sich lächer- lich macht?

     

    Wer behält unter diesen grotesken Umständen noch den Respekt, sollte er/ sie den Versuch wagen seinen Kindern genau das Gegenteil des - gegen-wärtigen - Handelns Offizieller, als Leitfaden für deren eigenes Leben auf den Weg zu geben?

     

    Lächerlich, wenn man als junger Mensch schnell begreift, dass offensichtlich man eben auch anders zu höchsten Ehren, Geschenken und Verdienst kommen kann! ...und sich da, dank Unterstützung wohl Gleichgesinnter, auch noch halten kann?!

     

    Ganz früher, liebe Kinder, befand man das als unehrenhaft und niemand wollte mit so einer Person etwas zu tun haben.

    Wir lassen uns das seit Wochen gefallen!

     

    Mitunter wundern wir uns aber, dass unsere Gesell-schaft auseinanderbricht.

    Alles gaga!

  • JK
    Juergen K.

    Sehr geehrter Herr Bundespräsident

     

    Wie ist es,

     

    halten Sie jahrelange Presse-Hetze aus,

    wie Hartz4er sie jahrelang aushalten ?

     

    Für eine Hand voll Dollar ?

  • JK
    Juergen K.

    Andere werden für Eins Neunendreissich vor die Tür gesetzt.

     

    Und dürfen sich dann unter von Wulff unterschriebenem Hartz wiederfinden.

     

    Was für ne ekeldreiste Nummer.

     

    Wenn der noch ne Woche so weitermacht kann der doch nur noch bei Guttenberg in USA unterkommen.

  • S
    Sandra

    Er muss gehen - wenn es stimmt, was in den Medien berichtet und geschrieben wird. Das vertrauen in unsere Politiker schwindet immer mehr und durch so ein Gehampel wird es noch schlimmer.

  • F
    Fettbemme

    Ohne Worte, diese ganze Wulff Show ist doch mittlerweile schon eine einzige Realsatire.

     

    Mich wundert nur weshalb die SPD so vehemment gegen einen Rücktritt Wullfs ist.

     

    Aus rein machtpolitischem Kalkül sollte man doch eigentlich dafür sein als Oppositionspartei oder?

     

    Oder hat die SPD etwa auch noch Altlasten aus der Schröder Ära die mit Wulffs Krediten bzw Seilschaften zu tun haben könnten?

  • JH
    Jens Hopfe

    Was für Minister hat uns Merkel da zugemutet?!

    Hauptsache sie folgen ihrer Richtlinie und halten den Mund? Guttenberg,Westerwelle...

     

    Herr Wulf hat diesen Posten nicht mehr verdiehnt. NIE wurde dieses Amt von einem Bundespräsidenten mehr beschädigt.

     

    Ausserdem sollten nur Lebenslange bezüge gelten wenn ein Minister ehrenhaft entlassen wurde.

    Schliesslich müssen wir doch sparen- oder?