Protestcamp am Kotti: Ein schönes Leben
Am Kottbusser Tor wollen BewohnerInnen in einem Camp protestieren, „bis die Mieten runtergehen“. Der Eigentümer GSW verweigert eine Diskussion.
Es sieht aus wie ein Mini-Occupy-Camp. Vor dem „Südblock“ am Kottbusser Tor haben sie eine Hütte aus Holzpaletten zusammengezimmert, das Dach ist ein großer Sonnenschirm. Vorbild ist ein türkisches Gecekondu, ein über Nacht hochgezogenes Haus. Naja, sagt Alexander, „wir haben bewusst keine Zelte“. Und sie protestierten ja direkt vor ihrem Haus, für ein konkretes Ziel. „Wir bleiben, bis die Mieten runtergehen“, sagt Ulrike. Wie ihre Mitstreiter wollen die beiden nicht, dass ihre Nachnamen in der Zeitung steht – sie befürchten Ärger der Hausverwaltung.
Das Camp scheint nicht in Ge fahr zu sein, es steht auf öffentlichem Grund. Der Bezirk unterstützt das Anliegen der Initiative „Kotti & Co.“, die Polizei kam zum ersten Mal am Dienstagmorgen vorbei und regte an, eine Kundgebung anzumelden. Sie wollen bleiben, rund um die Uhr ist jemand da. 18 Uhr Vollversammlung, Konzerte, Kino, Anwaltsprechstunde mit dem Thema „Mietminderung“. Es ist die Angst vor Verdrängung aufgrund steigender Mieten, die die Mietergemeinschaft jetzt in die Öffentlichkeit zieht. Es geht um die Mieter von rund 1000 Sozialwohnungen in Händen zweier privater Wohnungsgesellschaften. Die meisten mit türkischem Hintergund, viele leben von Hartz IV.
Es gibt Kaffee und Tee, auf einem neongelben Schild steht „Marzahn 15km“. „Ich würde ja umziehen“, sagt Emel, eine ältere Frau mit Kopftuch. Aber nur wenn ihr Bäcker mitkommt, der Bazar, die Ärzte, das Kino, die Nachbarn. Sprich: Sie fühlt sich wohl in ihrem Kiez.
Wie sehen das die Eigentümer der Wohnungen? Man werde alles direkt mit den Mietern diskutieren und „nicht mit irgendwelchen Protestcamplern“, sagt Christoph Wilhelm, Sprecher der Wohnungsgesellschaft GSW, der taz. Deshalb wolle er auch zur inhatlichen Kritik nichts sagen. Die Hermes Hausverwaltung war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Vor allem sehen die MieterInnen sowieso die Politik in der Pflicht. Dass Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) Mietobergrenzen für Sozialwohnungen für nicht bezahlbar hält, ist für sie ein Unding. Damit zeige der Senat, dass ihm schlechter verdiendende Mieter egal seien. Aus der Opposition kommt unterdessen Unterstützung: „Wir brauchen wieder eine gültige Kappungsgrenze für Kieze, die Gefahr laufen für Bestandsmieter nicht mehr bezahlbar zu werden“, sagt Oliver Höfinghoff, Sprecher für Wohnen und Stadtentwicklung der Piratenfraktion. Zudem müsse Senator Müller „seinen Einfluss geltend machen, damit GSW und Hermes ihrer Verantwortung nachkommen“. Alexander sieht die Oppositionsparteien jetzt in der Pflicht, praktikable Vorschläge zu machen. Sie selbst seien ja keine Experten, sondern „eigentlich nur Mieter, die ein schönes Leben haben wollen“.
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