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Pro & Contra Kompromiss zur A 100Einzige Chance oder Ausverkauf?

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada und Stefan Alberti

Der rot-grüne Kompromiss lässt offen, ob die A100 gebaut wird. Haben die Grünen ihre Chance genutzt oder ihre Seele verkauft?

P RO A-100-KOMPROMISS von Uwe Rada:

Nein, geschickt war das nicht. Es gebe keine grüne Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag, der den Bau der A 100 vorsieht, hatte der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann vor der Wahl versprochen. Jetzt steht die Unterschrift sogar unter der Sondierung. So sieht es zumindest Klaus Wowereit.

Nein, und es war auch kein Kompromiss, den SPD und Grüne erzielt haben. Ein Kompromiss wäre etwas, was beide zu gleichen Teilen tragen könnten. SPD und Grüne haben dagegen vertagt. Und sie haben delegiert. Die Bundesregierung spielt nun mit im Spiel um die umstrittene Autobahn - und auch die Haushaltslage.

Dennoch war die Vereinbarung auch aus Sicht der Autobahngegner richtig: Es war die einzige Möglichkeit, die der Betonfraktion der SPD und den grünen Betongegnern ermöglichte, ihr Gesicht zu wahren.

Und die tatsächlichen Chancen, die Verlängerung der A 100 bis zur Elsenbrücke zu verhindern? Dass ein CSU-Bundesminister den Grünen keine Brücke baut, war zu erwarten. Und kategorisch klang das "Geht nicht" einer Umwidmung der Mittel auch nicht. Im Hause Ramsauer gab es auch Stimmen, die sagten, es gehe nur nicht "ohne Weiteres". Was übersetzt heißt: Es geht.

Und dann ist da noch das Geld. Schon beim Stadtschloss hat der Bauminister den Rotstift angesetzt und die barocke Fassade gestrichen. Warum sollten also nicht auch 420 Millionen mal eben wegfallen? Das wäre dann zwar nicht im Sinne der Einigung zwischen SPD und Grünen, aber es käme den Autobahngegnern auch nicht ungelegen.

Es gibt also gute Gründe für die Grünen, auf dem Parteitag am Freitag "grünes Licht" für Koalitionsverhandlungen zu geben. Immerhin steht auch ein Horrorszenario im Raum, das ein Grüner so formuliert: "Man stelle sich vor, wir sagen Nein zu Rot-Grün, und dann scheitert die A 100 bei Rot-Schwarz am Geld."

CONTRA A-100-KOMPROMISS von Stefan Alberti

In der Politik gibt es Standardsätze. Wie etwa das Adenauer zugeschriebene Zitat: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" Oder die Behauptung, dass Politik die Kunst des Kompromisses sei. Wer das glaubt, dem mag der A-100-Kompromiss gefallen. Wer hingegen meint, Parteien müssten jenseits von aktuellen Erwägungen für etwas Verlässliches stehen, der kann von den Grünen nur abgrundtief enttäuscht sein.

Energetische Sanierung, Klimastadtwerk - ja, die Grünen hatten durchaus noch andere Themen. Bei keinem aber haben sie sich derart festgelegt wie bei der A 100. Ihr Fraktionschef Volker Ratzmann erklärte die Wahl zur Abstimmung über die Autobahn. Als die Linkspartei auf Grünen-Kurs einschwenkte, nannte er das einen "Wendehalsbeschluss". Bis zum höchsten deutschen Gericht wollte derselbe Ratzmann gehen. Die Grünen und der betonharte Widerstand gegen die A 100, das schien zusammenzugehören wie die FDP und Steuersenkungen.

Nicht wenige Wähler könnten genau aus diesem Grund den Grünen ihre Stimme gegeben haben. Doch was machen ebendiese Grünen? Sie setzen darauf, dass sich Autobahngelder anders nutzen lassen, und auf Kürzungen im Bundeshaushalt. Schlägt das fehl - was gut möglich ist -, haben sich diese Grünen festgelegt, den Weiterbau mitzutragen. Wahlbetrug nennt das der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich von der Linkspartei. Auch wenn "Betrug" rechtlich grenzwertig ist - Liebich trifft damit den Kern.

Solche Flexibilität mag die Grünen in den Senat bringen. Solche Flexibilität trägt aber auch zum viel bejammerten schwindenden Vertrauen in Parteien bei. Vielleicht aber setzen die Grünen genau darauf, dass sich immer weniger Menschen für Politik interessieren. Dann erinnert sich nämlich in fünf Jahren keiner mehr daran, dass sie gerade ihre Seele verkaufen.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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8 Kommentare

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  • A
    axel

    Ein Schlag ins Gesicht derer. die aufgrund des Wahlprogramms und der grünen Aussagen vor der Wahl zum Stopp des Weiterbaus der A100 grün gewählt haben.

    Aber das Umfallen der Grünen bei A100 steht in einer Reihe mit dem Krötenschlucken der Grünen in Hamburg, NRW und im Saarland und beim "Atomkonsens" im Bund. Inhalte werden Nebensache und sind "Geschwätz von gestern" mit der Hoffnung verbunden, der Wähler vergißt schon, daß er geleimt worden ist.

    Und die taz redet mal wieder grüne Regierungsbeteiligung schön!

  • EA
    Enzo Aduro

    Warum sagt eigentlich niemand von der Taz das die einzige Umfrage die bzgl. A100 gemacht wurde zu dem ergebiis kommt das 55% der Berliner für die A100 sind, und nur 25% dagegen? In Ostberlin sind noch mehr für die A100.

     

    Das scheinen die A100 gegner und die Grünen nicht wahrhaben zu wollen.

  • SH
    Siegfried Heim

    Albertis Contra ist das Genöle der Kiez-Boheme gegen die bei den Grünen verorteten schwäbischen Gentrifizierer. Es ist lustig, dass Leute, die sowieso schon längst Linke, Piraten oder gar nicht wählen, sich immer wieder am "Verrat" der Grünen abarbeiten müssen. Regieren ist sowieso Scheisse sagen alle Anti-Grünen. Okay - aber nölt nicht an denjenigen rum, die nicht warten wollen, bis die Volksrevolutionäre alle "Seelenverkäufer" aufgehängt haben, um dem linken Paradies den Weg zu ebnen.

  • J
    J.C.F.

    Sind hier tatsächlich seit gestern abend keine neuen Kommentare mehr eingegangen? Oder ist es der grünen Hofberichterstattungspostille zu peinlich, lauter Kommentare zu veröffentlichen, in denen die "Grünen" (*verächtlich ausspuck*) mehr oder weniger offen als das bezeichnet werden, was sie sind: miese Lügner und Wahlbetrüger, pardon: LügnerInnen und WahlbetrügerInnen?

     

    Ich weiß schon, warum dieses grün-gleichgeschaltete Wurschtblatt von mir keinen Cent bekommt!

  • G
    guapito

    Ejem...die Grünen haben als angebliche Antikriegspartei mit Schroeder Afghanistan angegriffen.

  • J
    J.C.F.

    Gerade mal acht Tage hat die lächerliche Wahlkampflüge die Wahl überdauert. Naja, hat ja auch genügt, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan...

     

     

    Und das Märchen von der Umwidmung ist bereits nach einem Tag Makulatur. Nix wird's mit Umwidmung, stattdessen werden - mit grüner Zustimmung - in absehbarer Zeit die Bagger anrollen. Und dass die Umwidmung in Berlin schon wegen Mangels an umwidmungsgeeigneten Bundesstraßen nicht hinhauen würde, hat schon am 06.09.2011 der grüne Verkehrsexperte aus dem Bundestag, Anton Hofreiter, auf einer grünen "Informations"veranstaltung in Treptow gesagt. Nicht mal seine Lügen richtig abstimmen kann dieses elende grüne Demagogengesindel (*verächtlich ausspuck*).

     

     

    Und dass ein grüner Abgeordnter sich der grünen Gier nach den Fleischtöpfen der Regierungsbeteiligung widersetzt, mit "Nein" stimmt und so die Ratzmann-Lüge - "wenn Klaus Wowereit die A 100 will, muss er das mit der Berliner CDU machen" - doch noch wahr werden lässt, ist ungefähr so wahrscheinlich, wie ein Übertritt des Papstes zum Islam. Jede Wette, dass die Grünen, wie immer in dieser Lage, schön brav jede stinkende, halbverweste Kröte schlucken werden, die die SPD Ihnen vorsetzt.

     

     

    Und die Ausreden gegenüber kritischen Wählern läßt sich ebenfalls ohne allzu große hellseherische Fähigkeit vorhersagen: eine Kombination aus der "KZ-Wächter-Ausrede" - "wenn ich die Juden nicht erschossen hätte, hätt's ein anderer getan."  - und DER deutschen Jahrhundertausrede, die sich schon nach zwei Diktaturen bestens bewährt hat: "Ich war ja immer dagegen und habe überhaupt nur mitgemacht, um noch schlimmeres zu verhindern!" 

     

     

    Übertragen auf die jetzige Sitution würde sich das dann so anhören: "Wenn wir der A 100 nicht zustimmen, tut's die CDU. Und wir können zum Ausgleich doch soooo viel ganz tolle gute Sachen durchsetzen, während von CDU nur lauter Übles zu erwarten ist!"

     

     

    Frei nach Max Liebermann: man kann gar nicht so lange duschen, wie man sich vor diesem Abschaum ekeln muss.

     

     

    Hoffentlich reicht's künftig wenigstens dazu, solche Grüne, die die Dreistigkeit besitzen, nach grüner Absegnung der A 100 in einer Koalitionsvereinbarung, auf einer Demo gegen die A 100 aufzutauchen, mit Tritten, Schlägen und einem dichten Hagel fauler Eier wegzujagen.

  • G
    Grünspecht

    Es ist eindeutig:

     

    DIE GRÜNEN SIND UMGEFALLEN.

     

    Es gibt keinen Kompromiss. Das in Bezug auf die A 100 zwischen rot - grün Vereinbarte als Kompromiss zu verkaufen ist Volksverdummung.

     

    Die Grünen wollen sich eiskalt in die Landesregierung setzen und in einiger Zeit, wenn sich die Wogen etwas geglättet haben, die A 100 bauen. - Obwohl sie von wegen ihres Wahlkampfes GEGEN die A 100 gewählt worden sind.

     

    Mit ihrer von vornherein unrealistischen Forderung an den Bundesverkehrsminister, die Gelder für die A 100 umzuwidmen, versuchen die Grünen lediglich auf durchsichtige Weise jetzt schon vorausschauend dem Bund den schwarzen Peter für ihre eigene klimaschädliche unökologische Berliner Landespolitik zuzuschieben. (Nebenbei: Die Berliner Landesregierung muss selbst 24 bis 80 Mio. Euro aus dem verschuldeten Landeshaushalt für die A 100 zahlen, das lassen u.a. die Grünen dauernd unter den Tisch fallen.)

     

    Kürzlich hieß es noch vollkommen zu recht in der taz:

    "Die A100 ist eine Frage des Prinzips

    Kommentar von Stefan Alberti"

    http://www.taz.de/t164/Kommentar-Rot-Gruene-Sondierungsgespraeche/!78521/

     

    Ich bin dagegen, dass der Parteitag der Grünen am Freitag den Koalitionsvereinbarungen der Grünen zustimmt. Denn wer die reale Politk der Grünen in den Berliner Bezirken kennt, da, wo sie mitregieren, und wer sieht wie sie sich in Stuttgart angesichts von S 21 verhalten, der weiß, dass man den Grünen so einen unökologischen WählerInnenverrat gleich am Anfang auf keinen Fall durchgehen lassen darf!!!

     

    Was denken sich die Grünen eigentlich? Die WählerInnen sind doch nicht lediglich dazu da, ihnen zu den schönen Regierungs-Posten zu verhelfen. Die Partei die Grünen ist dazu da, eine ökologische und soziale Politik zu machen für die Leute, die sie genau dafür in Berlin gewählt haben!

     

    Falls der grüne Parteitag dem A 100 - Quatsch der Grünen zustimmt, kann man als ernsthaft ökologisch engagierter Mensch in Berlin nur sagen:

    Tschüss Grüne!

     

    Und:

    HALLO Protestpartei PIRATEN!

  • H
    Hase

    Lieber Herr Alberti,

     

    wie kurzsichtig ist denn Ihr Kommentar? Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, dass in der künftigen AGH-Fraktion der Grünen ausgesprochene Gegner der A100-Verlängerung sitzen? Meiner Einschätzung nach wird ein rot-grüner Senat, sobald die SPD Bundesmittel für den Weiterbau der A100 abruft, auseinander brechen. Bis zu dem Zeitpunkt kann ein rot-grüner Senat jedoch ökologisch-soziale Vorhaben anstoßen, die mit rot-schwarz nicht umgesetzt würden. Bereits jetzt wie Sie von Wortbruch zu reden, halte ich für ignorant.

     

    Freundliche Grüße

    Robert Pohle