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PostentheaterDie Osnabrück-Verschwörung

Der Oberbürgermeister geht im Amt eines Schattenministers auf, die Kämmerin wird kurz nach Antritt abserviert, ihr Vorgänger hat demissioniert, der Baudezernent mag nicht mehr: Osnabrück schwindet.

Aus dem Rathaus ins Schattenkabinett: Noch-OB Boris Pistorius (r.) neben seinem vielleicht zukünftigen Chef, dem SPD-Spitzenkandidaten Stephan Weil. Bild: dpa

OSNABRÜCK taz | Mit Osnabrück ist es ja fast wie mit Bielefeld. Die Stadt existiert, aber so richtig glaubt es keiner. Daran ändern auch Wurstebrot, Schlacht im Teutoburger Wald und Westfälischer Friede nichts. Aber manchmal sickert doch was durch. Zum Beispiel die Sache mit der Viererkette, die bald nur noch zwei Glieder hat, wenn nicht gar nur eins. Es geht um das Postentheater im Verwaltungsvorstand.

Eigentlich ist alles ja ganz einfach: Oberbürgermeister, Finanzvorstand, Vorstand 2 und Vorstand 3, so steht’s im offiziellen Organigramm der Stadt. Aber Boris Pistorius (SPD), der OB, ist schon halb weg: Er gilt schon länger als Innenminister in Stephan Weils Schattenkabinett, gestern wurden die Gerüchte endlich bestätigt. Ginge Pistorius 2013 nach Hannover, müsste er seine Osnabrücker Amtszeit vorzeitig abbrechen – sie dauert bis 2014. So gut wie vakant ist auch der Posten des Kämmerers: Zwar hat die achtjährige Amtszeit von Finanzvorstand Jutta Bott erst am 1. 10. begonnen, aber schon heute will der Stadtrat sie beenden. Grund ist ein Disziplinarverfahren in Kassel. Dort soll Bott als Leiterin des Rechnungsprüfungsamts eine Sekretärin beauftragt haben, ihre Dissertation zu tippen – am Dienst-PC in der Bürozeit. Den Abberufungsantrag unterstützen 90 Prozent der Ratsleute.

Ironie der Geschichte: Auch Botts Vorgänger Horst Baier ging vorzeitig. Bis 2016 gewählt, nahm er 2012 nicht ganz freiwillig seinen Hut: Der Stadtkämmerer war mit Vorstand Nummer 2 liiert, Stadträtin Rita Maria Rzyski, zuständig für Familie, Bildung, Kultur, Soziales, Gesundheit und Sport. Einer von beiden müsse gehen, hatte Pistorius gefordert. Und auch bei Vorstand 3, Baustadtrat Wolfgang Griesert, gibt’s Probleme. Pistorius hätte dem CDU-Mann gern eine zweite achtjährige Amtszeit ab Mai 2013 verschafft – ohne Neuwahl. Aber nur die CDU-Fraktion stützte ihn darin, alle anderen, selbst die Rats-SPD, schüttelten den Kopf: Neuausschreibung. Griesert, frustriert vom Gerangel, hat sich nicht beworben.

Paradiesische Zeiten für Personalberater. Allein für die Akquise von Bott habe man 40.000 Euro bezahlt, rechnet FDP-Fraktionsvorsitzender Thomas Thiele vor. Die Personalie Griesert sieht er als „Beschädigung verdienter Mitarbeiter, die dann das Handtuch werfen“. Sein Fazit: „Wir fürchten durch die Fehlentscheidungen des Oberbürgermeisters um die Motivation der Mitarbeiter und das Ansehen der Stadt.“ Pistorius, von der taz um Stellungnahme gebeten, schweigt.

Die anderen hoffen, „dass dieses Postentheater bald ein Ende hat“, wie Ralf ter Veer, einziger Pirat im Osnabrücker Rat zusammenfasst: „Osnabrück braucht eine funktionierende Verwaltungsspitze.“ Die Stadt habe sich nach Baiers Ausscheiden nicht von ihrer besten Seite gezeigt, um für kompetente Nachfolger attraktiv zu sein: „Stattdessen bekommen potenzielle Kandidaten bereits einen Einblick, was ihnen hier blühen könnte“ – sprich: Sie müssten „um die Gunst des Oberbürgermeisters buhlen“ und würden „zum Spielball der Fraktionen“. Auf 1,5 Millionen Euro beziffert ter Veer die Kosten der aktuellen Runde des Besetzungskarrussels – das sich in der Ära Pistorius schneller dreht als sonst.

Weiche Stürze

Extrem hoch sind die Hürden für die Abberufung von KommunalbeamtInnen auf Zeit: Laut Niedersächsischem Kommunalverfassungsgesetz ist dazu "ein Beschluss der Vertretung mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder erforderlich".

Trotz des Grammatikfehlers ist das eine unanfechtbare und eindeutige gesetzliche Bestimmung: Für die WahlbeamtInnen minimiert sie das Risiko, da sie vom selben Gremium zuvor mit eingesetzt wurden. Ohne größere Verfehlungen ist ein solcher Stimmungsumschwung selten.

Dennoch wird ihnen, konform zu den einschlägigen bundesrechtlichen Regelungen, auch dann die finanzielle Sorge genommen: 71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge stehen ihnen laut Niedersächsischem Beamtenversorgungsgesetz bis zum Ende der ursprünglich geplanten Dienstzeit zu.

Das Loch, dass Botts Abwahl in die Stadtkasse reißt – für Ansprüche bis zum Rentenalter kommt locker eine halbe Million zusammen – ist insofern fast schon klein. „Der Vorgang zeigt, dass das niedersächsische Beamtenrecht mehr als reformbedürftig ist“, kommentiert Grünen-Fraktionschef Michael Hagedorn. Es enthalte „versorgungsrechtliche Regelungen, die kein Arbeitnehmer nachvollziehen kann“.

Bott deshalb auf dem Posten zu belassen, sei aber keine Lösung: Immerhin handele es sich um „eine Führungsposition“. Die „aus vordergründigen finanziellen Gründen mit einer Person zu besetzen, die der Aufgabe nicht gewachsen ist, wäre unverantwortlich“, sagt Hagedorn.

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1 Kommentar

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  • F
    Feinfinger

    Das niedersächsische Beamtenrecht ist nicht nur reformbedürftig, es ist wie seine Pendants auch in den anderen Bundesländern und Stadtstaaten überflüssig. Dieses Relikt aus preußischen und damit eindeutig vordemokratischen Zeiten ist überflüssig wie ein Kropf. Auch die Menschen in der Verwaltung können in die Sozialversicherung einzahlen und dementsprechend Rente bekommen. Und wer sich in Bezug auf die Gesellschaft dermaßen schädlich verhält, da muss auch eine ordnungsgemäße Kündigung möglich sein.