Geheimhaltungstaktik der Polizei: Körting rüffelt Koppers
Der Innensenator bekräftigt seine Linie, Demos von Rechtsextremen einen Tag vorher bekannt zu machen. Die Polizeipräsidentin hatte sich der Anweisung widersetzt.
Die Geheimhaltung des Veranstaltungsorts der NPD-Kundgebung am Sonntag durch die Polizei hat ein politisches Nachspiel. Am Montag bestellte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers zum Rapport. "Bei Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen wird die Bevölkerung - wenn die Gespräche mit dem Anmelder gelaufen sind - informiert", fasste die Sprecherin der Innenverwaltung, Nicola Rothermel, das Ergebnis der Unterredung zusammen. Die Information habe einen Tag vor der Veranstaltung zu erfolgen, genannt würden die Orte von Auftakt und Ende der Demo, aber nicht die Route.
Diese Auffassung hatte Körting bereits im Mai öffentlich kundgetan. Sie wurde nun zum zweiten Mal von der Polizei ignoriert. Rund 120 NPD-Anhänger hatten am Sonntag ungestört unter der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz ihre Wahlkampfveranstaltung abhalten können (taz berichtete). Der Platz war für mehrere Stunden weiträumig abgesperrt. Trotz wiederholter Anfragen von Bündnissen gegen rechts, Politikern und Presse hatte sich die Polizei bis zum Schluss geweigert, den Versammlungsort bekannt zu geben. Nach Informationen der taz geschah das mit ausdrücklicher Billigung der Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers. Körting hatte die Polizei im Mai nicht ohne Grund aufgefordert, Neonaziaufmärsche einen Tag vorher bekannt zu geben: Bei einem Aufmarsch von Rechtsextremen am Mehringdamm, den die Polizei gleichfalls geheim gehalten hatte, hatten Neonazis Polizisten überrannt und Gegendemonstranten und Passanten attackiert.
Man werde das Gespräch zwischen Körting und Koppers nicht kommentieren, teilte die Polizeipressestelle am Montag mit. Am Sonntag hatte ein Sprecher die Geheimhaltung mit Gerichtsurteilen gerechtfertigt: Gegen den Willen des Veranstalters dürften Informationen über eine Versammlung nicht frühzeitig preisgegeben werden. Auf diese Rechtsprechung, die nicht unumstritten ist, soll sich Koppers - von Hause aus Juristin - nach Informationen der taz berufen. In Koppers Augen habe der Schutz der angemeldeten Demonstration sowie der diese begleitenden Beamten grundsätzlich Vorrang vor dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, hieß es. Rechtsextreme Aufmärsche seien aufgrund der Proteste von Gegendemonstranten oftmals von schweren Auseinandersetzungen begleitet. Das gehe auf Kosten der Gesundheit der Beamten.
Bianca Klose von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (MBR ) wertete das Verhalten der Polizei als herben Rückschlag. Seit zehn Jahren sei es Usus, dass die Polizei die Versammlungsorte von Rechtsextremen bekannt gebe. Das geschehe nicht direkt, sondern über sogenannte gut informierte politische Kreise. Damit sei stets genug Zeit gewesen, Gegenverstaltungen zu mobilisieren. Den zivilgesellschaftlichen Protest gegen Rechtsextremismus "in ganzer Breite" auf die Straße zu tragen sei explizites Anliegen der Berliner Politik, sagte Klose. "Diese Politik wird durch die Polizei konterkariert." Schlimmer noch: Die Polizei habe im Vorfeld der NPD-Veranstaltung gezielt Falschinformationen gestreut, um Gegendemonstranten in die Irre zu führen.
Auch Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, kritisierte das Vorgehen der Polizei. "Für uns ist eine frühzeitige Information eine Selbstverständlichkeit, damit Demokratinnen und Demokraten die Möglichkeit haben, friedlich gegen Naziaufmärsche zu demonstrieren." Dem schloss sich auch Clara Herrmann, Sprecherin der Grünen für Strategien gegen Rechtsextremismus, an: "Diese Geheimhaltungsstrategie muss aufhören."
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