Plagiatsvorwürfe gegen Bildungsministerin: Hat Dr. Schavan abgeschrieben?
In einem neuen Blog werden vermeintliche Plagiate aus der Doktorarbeit von Bildungsministerin Schavan gesammelt. Sie fordert die Blogger auf, sich zu erkennen zu geben.
BERLIN/DÜSSELDORF dpa | Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sieht sich dem anonymen Vorwurf von Plagiaten in ihrer 32 Jahre alten Doktorarbeit ausgesetzt. In einem Internet-Blog werden dazu zahlreiche Stellen aus ihrer Dissertation aufgeführt, die sie 1980 an der Universität in Düsseldorf eingereicht hatte. Sie soll Quellen nicht immer ausreichend benannt haben. Schavan forderte den oder die Autoren des Blogs am Mittwoch in Berlin auf, sich erkennen zu geben. Zugleich versicherte sie, aufklären zu wollen.
Schavan: „Ich habe heute diese entsprechende Seite mir angeschaut, es ist eine anonyme Seite, deshalb ist meine erste Antwort: Wer sich mit meiner Dissertation beschäftigt hat, mit dem bin ich gerne bereit, über diese Dissertation zu sprechen, über das Zustandekommen.“ Sie gebe gerne jedem Rechenschaft über die Quellen, versicherte Schavan. „Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen“, betonte die Bildungsministerin.
Es geht um die Arbeit „Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“, mit der Schavan 1980 an der Universität Düsseldorf den Doktortitel mit der Note „magna cum laude“ im Fach Erziehungswissenschaften erworben hatte. Die CDU-Vize-Vorsitzende ist seit 2005 Bundesbildungsministerin. Zuvor war sie Kultusministerin in Baden-Württemberg.
Anders als bei früheren Plagiatsvorwürfen gegen Politiker – etwa im Fall des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) – geht es bei den anonymen Vorhaltungen gegen Schavan nicht um die Übernahme kompletter Textstellen aus anderen Veröffentlichungen. Vorgeworfen wird Schavan vor allem, Quellen nicht vollständig aufgelistet und zum Teil auch „verschleiert“ zu haben. Auch geht es bei dem seit vergangenem Sonntag eingestellten Blog um wissenschaftliche Standardfragen – etwa wie weit eigene Gedanken und Erkenntnisgewinn von ähnlichen Ausführungen anderer Autoren abgegrenzt wurden.
In dem Internet-Blog werden auf rund 50 von etwa 325 Seiten Stellen als Plagiate eingestuft. Ein Sprecher der Ministerin teilte mit, dass sich die Promotionskommission der Universität Düsseldorf auf Bitten Schavans mit den Vorwürfen beschäftigen wird. Der Doktorvater Schavans, der heute 88-jährige Gerhard Wehle, sagte auf Anfrage der dpa in Düsseldorf: „Solange ich nicht durch äußere Umstände dazu veranlasst werde, auf die Arbeit zu schauen, werde ich das nicht tun.“ Er habe die Plagiats-Vorwürfe bisher nicht gesehen und werde keine Stellung dazu nehmen.
Anonymer Blog
Die 1955 in Jüchen geborene Schavan wuchs in Neuss bei Düsseldorf auf und studierte in Bonn und Düsseldorf Erziehungswissenschaften, Philosophie und Katholische Theologie. Schavan hat seit dem Wintersemester 2009/2010 eine Honorarprofessur an der FU Berlin und bietet Lehrveranstaltungen im Fach Katholische Theologie an.
Bei der Internet-Plattform „wordpress.com“ handelt es sich um einen US-Anbieter. Blogs – wie der „schavanplag“ können dort quasi von Jedermann auch anonym eingestellt werden. Eine Ermittlung des Urhebers ist aus Expertensicht nur bei schwersten strafrechtlich relevanten Vorwürfen möglich. Mehreren Medien waren am Mittwoch früh per Fax auf die Internetseite hingewiesen worden. Als Absender war ein „Robert Schmidt“ angegeben – allerdings ohne Faxkennung oder Rückruf- und Kontaktmöglichkeiten.
Es gibt immer wieder Plagiatsvorwürfe gegen Politiker. Zuletzt hatte der Berliner CDU-Fraktionschef Florian Graf wegen Plagiatsvorwürfen die Aberkennung seines Doktortitels beantragt. Die Entscheidung der Universität Potsdam wurde am Nachmittag erwartet. Mitte April hatte die Universität Bonn beschlossen, der FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos den Doktortitel abzuerkennen. In der Arbeit seien über 320 Stellen gefunden worden, in denen die Originalquelle systematisch nicht ordnungsgemäß zitiert worden sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja