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Parlamentswahl in Syrien23 Menschen sterben am Wahltag

Der Andrang bei der Parlamentswahl in Syrien war laut Beobachtern eher gering. Das Regime feiert hingegen den Tag. In mehreren Provinzen gab es Kämpfe und Tote.

Die Parlamentswahl in Syrien hätte bereits im vergangenen Jahr stattfinden sollen. Bild: reuters

DAMASKUS/ISTANBUL dpa | Begleitet von Explosionen und Kämpfen in mehreren Provinzen haben die regimetreuen Syrer am Montag ein neues Parlament gewählt. Die Anhänger der Opposition boykottierten die Wahl, die sie als „Farce“ bezeichneten. In einigen Gebieten in Daraa, in einigen Stadtteilen von Damaskus und in kurdischen Siedlungsgebieten folgten Angehörige der Protestbewegung einem Aufruf zu einem Generalstreik.

Insgesamt war der Andrang vor den meisten Wahllokalen nach Angaben von Beobachtern eher gering. Dagegen stellte das Innenministerium eine „beachtliche Wahlbeteiligung“ fest. Das Informationsministerium sprach von einem „außergewöhnlichen Tag“.

Die Parlamentswahl hätte laut Verfassung bereits im vergangenen Jahr stattfinden sollen. Sie war wegen des bis heute andauernden Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad jedoch verschoben worden.

Nach Angaben von Aktivisten töteten die Regierungstruppen am Wahltag landesweit 23 Menschen. Die meisten Opfer habe es in der Provinz Deir as-Saur gegeben, hieß es. Unter den Getöteten seien ein Kind und fünf Deserteure. Der Regimekritiker Fais Sara, dessen zwei erwachsene Söhne am vergangenen Donnerstag in Damaskus verhaftet worden waren, fragte im Nachrichtensender Al-Arabija: „Wie kann man nur in einer solchen Situation Wahlen abhalten?“ Über das Schicksal und den Aufenthaltsort seiner Söhne habe er bislang nichts in Erfahrung bringen können.

In einigen Städten und Dörfern demonstrierten Oppositionelle gegen die Wahl. Im Internet veröffentlichten Regimegegner ein Video, das angeblich aus der Ortschaft Madaja nordwestlich von Damaskus stammt. Das Video zeigt, wie Kinder Papiermüll in einen Abfalleimer werfen, der auf eine Wahlurne gestellt wurde. Betitelt ist das Video mit „Stimmabgabe in Madaja“.

Die Wahllokale sollten bis 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) geöffnet bleiben. Um die 250 Abgeordnetenmandate bewerben sich nach offiziellen Angaben 7195 Kandidaten. Das Wahlergebnis wird frühestens am Dienstagabend erwartet.

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8 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    1. Was in Lybien vorgestellt wurde, war ganz klar eine neokolonialistische und faschistische Aggression gegen einen unabhängigen Staat. Und die so friedliche und unbewaffnete Opposition in Syrien will genauso keine Wahlen, sonder nur NATO-Terrorangriffe wie die Rebellen in Lybien.

     

    2. Die TAZ sollte vielleicht die Leserschaft informieren: Wie waren die Wahlen in Syrien? Wieviele Wahlberechtigten haben die Stimmen abgegeben, und wieviele Stimmen hat der Assad-Plan erhalten?

     

    3. Falls die Opposition in der Mehrheit wäre, wäre Assad schon längst weg: Die Armee representiert auch das Volk. Was Sie hier erzählen, haben wir in Stuttgart schon von den Anti-S21 Mob gehört: "Wir sind das Volk". Dann hat sich herausgestellt, dass der Anti-S21 Mob nur eine Minderheit ist. Nicht diejenige, die auf der Strassen randalieren haben Recht.

     

    4. Fakt ist, dass von aussen bezahlten Söldner gegen Assad kämpfen. Bitte, studieren Sie die UN-Charta, was drin steht. Die EU, US, usw. haben keinen Anspruch für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines unabhängigen Staates.

  • A
    Ant-iPod

    @Hari Seldon:

     

    Ihre Behauptungen werden nicht dadurch wahr, dass Sie diese ständig wiederholen.

    Ständig reiten Sie darauf herum, die Opposition sei in Syrien in der Minderheit. Woher nehmen Sie diese Ansicht?

    In Syrien gibt es keine glaubwürdige Möglichkeit den Willen der Mehrheit festzustellen.

     

    Diese so genannten Wahlen sind eine farce, weil diejenigen, die gegen Assad sind gar nicht erst gewählt werden können und diejenigen, die sich auf der Straße gegen Assad ausprechen zum Dank dafür zusammengeschossen werden.

     

    Ihre Informationen über die angebliche Bewaffnung der Opposition ist ohne Quellenangabe - gerade 122 mm Mörser (einen Granatwerfer könnte ja keiner in der Größe halten, geschweige denn Abfeuern) erscheinen mir als ziemliche Übertreibung... aber ich lasse mich hier gerne belehren.

     

    Fakt ist:

    Der Diktator unterdrückt sein eigenes Volk und bedient sich dazu der Armee und der vielen Geheimdienste, sowie der Schlägertrupps -genannt Schabiha.

    Er täuscht Demokratie vor, indem er Wahlen abhalten lässt, bei denen es nichts zu wählen gibt - denn alle Abgeordneten sind entweder Regimetreu, oder können nicht ins Parlament gewählt werden.

    Es gibt nach der "neuen" syrischen Verfassung keine Gewaltenteilung, was selbst die Baath-Partei kritisiert hat.

     

    Es gibt aber eine zivile Opposition gegen Assad und diese ist in vielen Gruppierungen organisiert, die sich in einem mühsamen Prozess zusammenraufen und einen eigenen Verfassungsentwurd in Istanbul und Tunis vorgestellt haben. Dieser sieht eine säkulare und pluralistische Republik vor, mit echter Freiheit.

    Das ist einem Assad Regime in jedem Falle vorzuziehen.

     

    Ich gebe Ihnen ausdrücklich Recht, das Libyen weder ein Glanzstück europäischer Politik, noch eine Vorlage für Syrien sein kann.

    Ich bin aber auch der Meinung, dass wir die Sanktionsmöglichkeiten gegen das Regime noch lange nicht ausgenützt haben und hier deutlich schneller sein könnten.

     

    Zudem bin ich der Ansicht, dass es auch immer noch eine Lösung mit Assad geben könnte, wenn dieser wirkliche Reformen einleitet.

     

    Es ist keine politische und erst Recht keine dauerhafte Lösung, die Opposition einfach zusammenzuschießen und wie erfolgreich das ist, zeigt ja die Dauer dieser Situation.

    Je länger die syrische Regierung sich weigert, substantielle Veränderungen vorzunehmen, um das Problem gesellschaftlich zu lösen, desto tiefer werden die Gräben zwischen den Gruppierungen in Syrien und desto schwieriger wird der Versöhnungsprozess.

     

    Ich halte es für schlichtweg unwahrscheinlich, dass diese brutale Gewalt die Situation in Syrien lösen kann.

     

    Eine Diffamierung der Opposition und eine Reduzierung dieser Menschen auf entweder brutale Gewalttäter, oder aber religiöse Fanatiker ist nicht redlich, nicht ehrlich und löst vor allem das Problem nicht.

  • HS
    Hari Seldon

    @Thomas H.

     

    Nun, die Assad-Regierung organisiert mindestens Wahlen (mehrere sogar), und die mit schweren Maschinenkanonen, MILAN Panzerabwehrraketen, 122 mm Granatwerfern, Kalashnikows, usw. ausgestatteten "unbewaffneten und friedlichen" (und durch Asland finanzierten) Opposition will keine Wahlen (natürlich in Namen der Demokratie). Bitte, was meinen Sie, wer ist demokratischer: Assad mit Wahlen, oder die fremdfinanzierten Terrorgruppen, und die Geldgeber (Saudi-Arabien, Katar), usw.? Es ist kein Zufall, dass die Opposition keine Wahlen, sondern NATO-Terrorangriffe wie in Libyen haben will: Die Opposition ist ganz klar in Minderheit (wie in Libyen: Durch die NATO-Terrorangriffe wurden 0,28 Mio Rebellen in einem Land mit 6,5 Mio Einwohner an die Macht katapultiert, naturlich absolut "demokratisch", "menschenrechtkonform" mit mindestens 100 000 Toten, usw.). Die Opposition ist in Minderheit sogar in den Rebellenhochburgen wie in Homs. Was wir in Syrien sehen ist ein Paradebeispiel für eine neokolonialistische Aggression gegen ein unabhängiges Land. Faschismus pur. Seit langem ist ein Nürnberg 2 für die Hintermänner verantwortlich für die Aggression gegen Libyen, Syrien, usw. fällig.

  • TH
    Thomas H

    Nun ja, dass diese Pseudowahl unter Granatenhagel eine blutige Farce gewesen ist, kann wohl niemand ernsthaft bestreiten.

    Im Übrigen denke ich, dass der Annan-Friedensplan in Syrien derzeit nur die Fortexistenz des schwer angezählten Assad-Regimes begünstigen, und die bisherigen Bemühungen der UNO somit kontraproduktiv jenen innersyrischen Bürgerkrieg mit herbeiführen, den sie eigentlich verhindern sollten.

     

    Außerdem sorgt die jetzige (von Kofi Annan unwillentlich mit hereigeführte) Lage in und um Syrien m.E. nur für eine raschen Ausweitung des Einflusses radikalislamistischer sunnitischer Gruppierungen auf die bewaffnete syrische Opposition.

     

    So lange es keinen wirksamen internationalen Druck auf das Assad-Regime in Syrien gibt, damit dessen bewaffnete Kräfte nicht nur vorübergehend etwas weniger tödliche Gewalt gegen die oppositionsverdächtige Zivilbevölkerung ausüben, sondern sie sich auch endlich aus den umkämpften Städten zurückziehen und sie all ihre Gewaltakte unter Kontrolle der UN-Beobachter vollständig einstellen (wie mit Annan vereinbart), so lange forciert die derzeitige einseitige Duldung der fortgesetzten Vertragsuntreue des Assad-Regimes die Eskalation und Ausweitung des Syrien-Konflikts, statt ihn einzudämmen.

     

    Es dürfte nicht mehr allzulange Dauern, bis die oppositionelle FSA-Guerilla sich ihrerseits nicht mehr an die einseitige Einhaltung dieses merkwürdigen “Waffenstillstands” gebunden fühlt, den Annan und die UNO der Welt leichtfertig als “Erfolg” verkaufen.

     

    Letztlich kann m.E. nur der rasche Sturz des Assad-Minderheitsregimes und die Machtübernahme eines möglichst breiten Oppositionsspektrums verhindern, dass innerhalb beider großer innersyrischer Konfliktparteien der Einfluss von generell friedensfeindlichen inneren wie äußeren Kräften weiter anwächst, und aus dem innersyrischen Konflikt zwangsläufig ein blutiger und brandgefährlicher Regionalkonflikt wird.

  • T
    Tacheles

    @Ant-iPod - Dieses Interview, dürfte die Spekulationen in Ihren letzten Kommentaren, ja wohl so ziemlich ad absurdum führen:

     

    http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-05/ribal-assad-syrien?commentstart=9#comments

     

    Was haben Sie eigentlich die Ganze Zeit so getrieben, wenn Sie meinen, dass derzeit hierzulande, zu wenig über Syrien berichtet wird?

    Zu wenig schon, an brauchbaren und nachprüfbaren Informationen, zu viel an Propaganda und undifferenzierten Schmähschriften gegen Assad. Vielleicht lesen Sie die ja am liebsten.

  • A
    Ant-iPod

    @Sille:

     

    Vielleicht passt es nicht in Ihr Frauenbild, aber eine Frau kann wählen gehen und ihre Meinung äußern, ganz gleich, welche Kleidung sie trägt.

     

    Ich halte die Araber für durchaus in der Lage, über ihre gesellschaftliche Politik selbst zu befinden. Sie brauchen keinen Diktator, der ihnen vorschreibt, wie sie zu leben haben.

    Erst Recht nicht, wenn er seine individuellen Vorstellungen nur noch mit Gewalt durchsetzt.

     

    Es mag sein, dass die arabische Revolution nicht innerhalb eines Jahres von der Hölle in den Himmel auf Erden führt - aber was bei uns von 1848 bis 1949 gebraucht hat... warum sollte dies in der arabischen Welt über Nacht gelingen?

     

     

    Sollten wir da nicht fair bleiben und den Menschen erst einmal eine Chance geben, ihre Erfahrungen mit der Demokratie zu machen?

    Auch wenn dies vorrübgegehend zu für uns befremdlichem Wahlverhalten führt.

  • A
    Ant-iPod

    Liebe taz,

     

    ich finde es gut, das Ihr als eine der wenigen Quellen noch immer regelmäßig über Syrien berichtet. Was mir oftmals fehlt ist etwas mehr Tiefe:

    Wenn bsw. die Opposition die Wahl als eine "Farce" bezeichnet, wäre es für den hiesigen Leser sicher interessant zu erfahren, warum die Opposition dies so sieht?

    Wie kommen die zu so einer drastischen Meinung - denn dem Anschein nach könnte man doch meinen, das es hier demokratisch und pluralistisch zugeht?

     

    Das ist natürlich nicht der Fall - in Syrien werden Parteien, die für Gewaltenteilung eintreten gar nicht erst zur Wahl zugelassen, weil dies mit der Verfassung des Landes nicht vereinbar ist.

    Parteien, die für eine Wählbarkeit des Präsidenten unabhängig von dessen Religion eintreten, können ebenfalls wegen Verfassungsuntreue nicht zur Wahl zugelassen werden.

    Ohne diese Liste ins unendliche zu führen... damit der Leser verstehen kann, warum es überhaupt Opposition gibt und warum die Agitation des Assad-Regimes alles andere ist, als politische Gestaltung... dafür müsstet ihr noch ausführlicher werden in Eurer Berichterstattung.

     

    Andernfalls fällt es schwer, zu verstehen, worum es den Menschen überhaupt geht.

     

    Wie wäre es mit einer Datenbank, in welcher ihr die Forderungen der Opposition zusammenfasst. Und dem kann man die Aktionen und "politischen Initiativen" des Regimes gegenüberstellen. Dies angereichert mit einer Analyse, warum die beiden Seiten nicht überein kommen können.

     

    Damit kann man auch prima all diejenigen widerlegen, die an eine zivile Opposition in Syrien nicht glauben, oder von islamistischer Agitation in Syrien fabulieren.

     

    Ich hoffe, dies ist als Leser nicht zuviel verlangt?

  • S
    Sille

    Da sieht man geschminkte Frauen ohne Kopftuch, ohne vollvermummung wählen. Das sind Anhängerinnen des "Regimes". Bei den Rebellen und Oppositionellen ist soetwas nicht denkbar. Da müssen die Frauen schön kuschen was?

    Dieser ganze arabische Frühling ist für die Frauenrechte leider eher ein langer Winter. Ich hoffe nur für die Frauen in Syrien, dass Assad den Aufstand jetzt langsam mal niederschlägt, damit wenigstens in irgendeinem Land da unten für Frauen noch eine Chance auf ein normales Leben besteht.

    Und wer jetzt sagt, dass bei den Demonstrationen dort auch Frauen bei sind, dem sei gesagt, dass die bestimmt von ihren netten Männern dazu gezwungen werden, und sonst eine schöne Tracht Prügel bekommen.