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Papst trifft ProtestantenSchöne Worte, leere Hände

Das Treffen des Papstes mit Vertretern der Evangelischen Kirche im Erfurter Augustinerkloster ist historisch, die Ergebnisse sind es nicht. Reformator Luther bleibt weiter gebannt.

Hauptsache geredet: EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider (r.) mit Papst Benedikt XVI. Bild: dpa

ERFURT taz | Blickt man auf den Altar, sitzen rechts die Bischöfe der Katholische Kirche mit ihren schwarzen Talaren und ihren violetten oder roten Kopfbedeckungen, alle brav im Chorgestühl. Genau gegenüber im linken Chorgestühl haben die Protestanten in schickem Zivil Platz genommen - so ungefähr könnte es auch ausgesehen haben, als Martin Luther Anfang des 16. Jahrhunderts seine Thesen vor der römischen Hierarchie verteidigte. Doch was am Freitag im Erfurter Augustinerkloster zu erleben war, war nicht ein innerchristlicher Disput auf Messers Schneide wie seinerzeit, sondern ein Höhepunkt der Ökumene. Sicherlich der religiöse Höhepunkt der Reise.

Denn der ökumenische Wortgottesdienst in der Kirche des Augustinerklosters zu Erfurt, eines schönen, schlichten gotischen Baus mit bunten, spätmittelalterlichen Fenstern über dem Altar, findet auf einem historischen Grund statt, der die katholische und evangelische Kirche zugleich verbindet und trennt. Hier wurde Martin Luther Mönch, hat hier sein Gelübde über einer Grabplatte vor dem Altar abgeben, die noch heute zu sehen ist. In dieser Kirche hat der Reformator seine erste Messe gehalten. Ehe dann die Reform, die er für seine Kirche anstrebte, in der Reformation endete, die die christliche Gemeinschaft seit bald 500 Jahren trennt.

Der Ort ist die Botschaft

Das ökumenische Gespräch zwischen Bischöfen und Kardinälen der Katholischen Kirche und Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das vor dem Gottesdienst hier stattfand, ist historisch, der ökumenische Gottesdienst in der Augustinerkirche ist es auch. Da ist schon fast egal, was da gesagt wird, denn die Bilder und der Ort sind die Botschaft: Die katholische Kirche wertet Luther auf, Jahrhunderte nachdem sie den Mönch aus ihrer Gemeinschaft verbannt und ihm Höllenqualen prophezeit hat - Letzteres hatte Luther für den Papst damals natürlich auch angekündigt.

Die Erwartungen waren also wegen des geschichtsträchtigen Ambientes hoch, doch Konkreteres gibt es in Sachen Ökumene zwischen der EKD und der Katholischen Kirche nicht zu melden, vielleicht war realistischerweise auch nicht mehr zu erwarten. Große Durchbrüche sind selten in der Ökumene und meistens werden sie in Hinterzimmern ausgehandelt, nicht auf offener Bühne.

Kein Entgegenkommen

Der Papst rückte sowohl im Gespräch mit seinen evangelischen Brüdern und Schwestern wie bei seiner Ansprache während des Wortgottesdienstes im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff keinen Millimeter von seiner traditionellen Linie gegenüber den Protestanten ab: Gemeinsamer Einsatz gegen eine weitere Säkularisierung der Gesellschaft - ja. Mehr gemeinsames Engagement, um der weltweiten Blüte der evangelikalen Bewegungen etwas entgegensetzen zu können - ja. Auch ein einheitliches Wort der beiden Volkskirchen etwa zur Präimplantationsdiagnostik oder zur Sterbehilfe wäre nach Ansicht Benedikts gut.

Bei den gegenwärtigen Knackpunkten in der Ökumene aber bewegte sich der Papst nicht: Kein gemeinsames Abendmahl von Protestanten und Katholiken, keine öffentliche Rücknahme des päpstlichen Wortes "Dominus Iesus", in der der Vatikan den protestantischen Kirchen ihren Status als Kirchen abgesprochen hatte. Und natürlich bleibt Luther weiter gebannt, exkommuniziert, um es vornehmer zu sagen - die katholische Kirche hat ein sehr langes Gedächtnis und korrigiert sich fast nie.

Immerhin, einen Schritt nach vorn machte die EKD: Ihr Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider lud den Papst und die Katholische Kirche ein, das Reformationsjubiläum 2017 mitzufeiern - 500 Jahre, nachdem Luther seine Thesen in Wittenberg veröffentlicht hat. Sollte Papst Benedikt XVI. oder möglicherweise sein Nachfolger in sechs Jahren tatsächlich die Reformation in Deutschland mitfeiern, wäre das eine Sensation. Der Papst antwortete auf diese Einladung zunächst nicht. Wie man den Vatikan kennt, wird er sich viel Zeit lassen - und viel Hoffnung, dass er sie annimmt, sollten seine protestantischen Brüder und Schwestern nicht haben.

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9 Kommentare

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  • H
    hto

    von StefanMarc:

     

    "Und wer Atheist oder Andersgläubiger ist, dem kann die ganze Reise von Ratzinger "sowieso" ganz egal sein."

     

    Das ist laut Bibel leider nicht richtig, denn nur wenn Mensch sich als Menschheit im einzig richtigen / "gottgefälligen Takt" bewegt, nämlich in EINDEUTIGER Wahrheit, dann ..., geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein, mit allen daraus einzig menschenwürdigen Konsequenzen / Möglichkeiten, ANSTATT geistiger Stillstand seit der "Vertreibung aus dem Paradies" (geistiger Evolutionssprung), wie es bisher ALLE Religionen im "gesunden" Konkurrenzdenken des nun "freiheitlichen" Wettbewerbs "individualbewußt" und entmenschlichend praktizieren, für das stumpf-, wahn- und blödsinnige Surfen auf dem stets reformistischen Zeitgeist - Atheisten sind dabei besonders KONFUSIONIERT, von der systematischen Überproduktion an systemrationalem KOMMUNIKATIONSMÜLL!?

  • N
    Normalo

    Falsch eingeschätzt.

     

    Natürlich ist der Papst nach Deutschland gekommen, um etwas zu bewegen. Aber er glaubt nun einmal fest daran, dass die katholische Kirche als solche keine Zukunft hätte, wenn sie sich inhaltlich irgendwem annäherte oder gar zugäbe, dass irgendwer sonst außer ihr in Sachen Religion "auch" richtig liegen könnte. Also war er zwar bereit, Bündnisse gegen die gesellschaftliche Abkehr von der Religion insgesamt zu suchen, aber nicht, um den Markenkern der katholischen Kirche, ihre (wörtlich gemeint) Selbstherrlichkeit, in irgendeiner Form anzutasten.

     

    Vielleicht hat er damit auch gar nicht mal sooo unrecht. Die relativierende Zeitgeist-Affinität der vieler Kirchen ist eben nicht geeignet, Jenen die Sicherheit zu geben, die nach dem einzig wahren Glauben streben und die Sicherheit brauchen, diesen auch gefunden zu haben.

     

    Fraglich ist nur, ob das wirklich die Zielgruppe einer Weltkirche sein kann. Denn genau genommen sind solche Leute nichts anderes als religiöse Ultras: Gläubige, die den Sinn des Glaubens in seiner eigenen Perfektionierung sehen. Und genau wie viele "normale" Ultras bekommen solche Leute vom eigentlichen Spiel (=dem Kern der betreffenden Heilslehre) und der realen Welt nicht viel mit. Für solche Un-Diesseitgen gab es früher mal mehr Platz in der Gesellschaft. Heute sterben sie aus - und ihre speziellen Fanbeauftragten mit ihnen.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Protestane vor dem Kopf gestoßen

     

    Die leitenden Geistlichen in der evangelischen Kirche hatten sich viel versprochen vom Papstbesuch.Hier vor allem der EKD Vorsitzende Schneider und der für Catholika Fragen zuständige Landesbischof Weber von der Braunschweigerischen Evangelisch-lutherischen Landeskirche.Keine Annäherung zum gemeinsamen Abendmahl,keine kärenden Worte zur gleichberechtigten und vollwertigen Kirche

    Außer frömmelnden nichts aussagenden Worten zur Ökumene kam beim Spitzentreffen derVertreter derEvangelischen Kirche in Deutschland und dem katholischen Oberhaupt Papst Benedikt XVI nichts konkretes,fassbares heraus.

  • S
    StefanMarc

    Die ganze Reise von Ratzinger war nur eine teure Werbeveranstaltung und sonst Nichts weiter.

     

    Positiv nur, das er mit Missbrauchsopfern des katholischen Klerus in Erfurt sprach und das er in seiner Rede die Ökologiebewegung seit den 1970er lobte.

     

    Ansonsten aber kam nur philosophie "abgehobene" Rhetorik, ohne das auch nur eine konkrete Reform zu Themen angesprochen wurde, die beispielsweise das katholische Theologioprofessorenmemorandum "Kirche 2011:Notwendige Reformen" anspricht.

     

    * http://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_2011:_Ein_notwendiger_Aufbruch

     

    * http://www.memorandum-freiheit.de/

     

    Zur Wiederheirat, Frauenordination, gemeinsames Abendmahl, Öffnung des Zölibates im Amt, homosexuelle Paare, Schwangerschaftskonfliktberatung, Pille, Kondome, Sexualmorallehre, usw. kam kein einziger Reformansatz.

     

    Wie der Spiegel schon schrieb, Ratzinger ist unbelehrbar und unter diesem Mann wird es mit der Katholischen Kirche weiter bergab gehen. Vielleicht ist dies sogar gut so, denn es gibt bekanntlich reformorientierte Kirchenleitungen wie Lutheraner, Reformierte, Anglikaner, Quäker oder Altkatholiken, wo Christen besser Mitglied sein können. Dort werden ganz andere theologische Lehrinhalte als bei Ratzinger und Vatikan vermittelt.

     

    Und wer Atheist oder Andersgläubiger ist, dem kann die ganze Reise von Ratzinger "sowieso" ganz egal sein. Nur leider müssen diese Atheisten und Andersgläubigen diese "Dauerwerbesendung" von Ratzinger in den Medien ertragen und das dürfte sehr nervend und störend sein.

  • H
    hornisse.04

    Ich verstehe das Protestantengebarme nicht.

    SIE wollten doch damals den Papst nicht mehr.

    Irgendwer sagte mal, "zigtausende mußten sterben, damit Luther seine Nonne heiraten konnte".

    Wer die Bedeutung des Abendmahls bei Katholiken und Protestanten kennt, der kann sich nicht wundern, dass da nichts zusammenpasst.

    So what?

    Ihr habt doch Margot - ist die euch nicht mehr gut genug?

  • WT
    Wilhelm Tacke

    Der Kommentar hat mir gefallen. Ich habe nur eine Anmerkung:Der Hinweis, Luther bleibe weiter gebannt, bzw. exkommuniziert ist nicht ganz korrekt.

    Der Bann betraf Luther ganz persönlich. Mit dem Tod hat sichs mit Bann und Exkommunikation. Sie kann nichtnachträglich nicht aufgehoben werden.

    Beispiel: Der Bann des ökumenischen Patriarchen um 1054.

    Der wurde von Rom nicht aufgehoben, sondern Rom und Konstantinopel erklärten gemeinsam, sie würden die gegenseitig ausgesprochenen Bannflüche "aus dem Gedächtnis der Kirche tilgen". Das steht allerdings bei Luther noch aus.

  • H
    hto

    Luther war eben auch nur ein vom Kurfürsten korrumpierter Spalter der real-existierenden Unwahrheit seit der "Vertreibung aus dem Paradies" (geistiger Evolutionssprung, in den geistigen Stillstand, anstatt ...) - und wenn die Katholiken es jemals schaffen die Evangelikalen zu beseitigen, dann stehen da noch immer die Juden, die dem "Christentum" den Dreh im "freiheitlichen" Wettbewerb um ... gegeben haben!?

  • J
    Jane

    Im Neoliberalismus gibt es keine Gerechtigkeit. Der Positivismus, die Logik der Naturwissenschaften wird vielen Menschen nicht gerecht- recht, recht, recht.

    Das gilt aber nicht für die, die Privilegien weitervererben. Denn wenn man die Möglichkeit hat sich mit Konsum über innere Leere hinwegzutäuschen, wird nie bewusst "wer man ist". Man kann gar nicht anders, man setzt sich selbst als Maßstab und glaubt, dass der "eigene" Erfolg nicht auf Kosten von anderen ging. Dieser Mensch kann nichts dafür, dass er von sich selbst berauscht ist.

  • A
    anonymous

    Indem Luther, der Abtrünnige, sich auf die Seite der Fürsten schlug, hat er die Katholen sehr, sehr viel Geld gekostet. Vermutlich sogar mehr, als überhaupt irgendwer in der Geschichte er katholischen Bewegung. Weshalb sollten sie ihm das also nachsehen?!?

    Vielleicht ein Stückchen, weil er sich dabei in blutigen Gemetzeln auch gegen den Proletenfreund Münzer samt seinen Buntschuhen und die Juden gleichermaßen austobte;- doch das hätte er gerne auch unter katholischer Flagge tun können.

    Also vergeßt es:

    Wäre ich die katholische Kirche, würde ich ihm auch nicht vergeben.

    Schon aus Prinzip nicht!