Nikotin vielleicht bald auf Dopingliste: Rauchen ist gesund
In einer Studie von Dopingforschern wird Nikotin als eindeutig leistungsfördernde Substanz bezeichnet. Müssen Sportler damit künftig auf Zigaretten verzichten?
BERLIN taz | Es gilt als unschicklich, sich eine Fluppe auf dem Trainingsplatz anzuzünden. Das musste auch Francesco Coco erfahren, als er zu einem Probetraining bei Manchester City weilte, fußballerisch durchaus überzeugen konnte, aber dennoch nicht verpflichtet wurde, weil man ihn offenbar für einen Nikotinsüchtigen hielt. Okay, rauchen schädigt die Lunge, aber die sonstigen Effekte sind gar nicht so schlecht für einen Topsportler.
Das ist nun auch in einer Studie von Dopingforschern aus Lausanne nachzulesen, die ihre Ergebnisse im Fachjournal Forensic Science International veröffentlicht haben. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Nikotin von vielen Sportlern als leistungssteigernde Droge eingesetzt wird; in 43 Sportarten haben sie Nikotingebrauch nachgewiesen. Rauchende Sportler galten in der Szene der Körperoptimierer zwar als unverbesserliche Querköpfe, aber was sie taten, war wenigstens erlaubt.
Doch die Welt-Antidoping-Agentur (Wada) prüft nun, Nikotin auf die Liste der verbotenen Stoffe zu setzen. Man hat mehrere Jahre geforscht und herausgefunden, dass Rauchen die "Wachheit und das kognitive Vermögen" steigert.
Außerdem könne Stress besser bewältigt und Gewicht abgebaut werden. Nikotin, im Übrigen ein starkes Gift, das, oral eingenommen, zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann, führt darüber hinaus zu einem Anstieg der Herzrate, des Blutdrucks und Blutzuckerspiegels - und zu einer vermehrten Ausschüttung des Hormons Adrenalin, eines körpereigenen Stimulanziums. Wer also auf die negativen Effekte des Rauchens verzichtet und Nikotinpflaster oder Nikotinkaugummis benutzt, der könnte sich durchaus einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.
15 Prozent konsumierten Nikotin bewusst
Im Dopinglabor von Lausanne wurden 2185 Urinproben untersucht. Mindestens 15 Prozent der Athleten konsumierten bewusst Nikotin, bei Fußballern wurden in 19 Prozent der Fälle Spuren von Nikotin "vor und/oder während sportlicher Betätigung" gefunden. Bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 2009 in der Schweiz waren fast die Hälfte der Spieler Raucher oder Nikotinnutzer - für die Wissenschaftler ein Beweis der These, dass "rauchfreier Tabak sehr signifikant als leistungssteigernde Droge eingesetzt" werde.
Das Verbot von Nikotin dürfte ähnlich kontrovers diskutiert werden wie jenes von Koffein. Aktuell steht Koffein nicht auf der Verbotsliste, aber die Wada denkt immer wieder mal über ein erneutes Verbot nach. Auslöser war unter anderem ein Vorfall, der den australischen Football-Spieler Ben Cousins betraf. Der 32-Jährige musste nach der Einnahme von Koffein vor und Schlaftabletten nach einem Spiel vor Jahresfrist auf der Intensivstation behandelt werden.
Durch den Vorfall war ein regelmäßiger Koffein-Konsum in der Australischen Football-Liga (AFL) enthüllt worden. Die Wada hatte den Muntermacher Koffein 2004 von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen. "Aus meiner Sicht bringen Koffein-Pillen das Spiel in Misskredit. Das sind Substanzen, die eine unbekannte Qualität haben und deren Einnahme unbekannte Folgen hat", hatte Wada-Präsident John Fahey seinerzeit gesagt. Die Einnahme von Koffein-Pillen stelle einen Verstoß gegen den Geist des Sports dar.
Als gesichert gilt, dass die Wada von ihrer neuen Verbotsliste, die am 1. Oktober veröffentlicht werden soll, ein Asthmamittel streichen wird: Formoterol. Es erweiter die Bronchien und wird zur Therapie von Asthma bronchiale eingesetzt. Es wird künftig in "therapeutischen Dosen" erlaubt sein. Das ist eine gute Nachricht für den recht großen Kreis von Asthmakranken im Leistungssport.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche