Niedersächsische Überwachung: Journalist auf Demo wird zur Gefahr
Seit Jahren bespitzelt der niedersächsische Verfassungsschutz einen Göttinger Journalisten. Registriert wurde dabei auch die Teilnahme an legalen Demos.
GÖTTINGEN taz | Ein Göttinger Journalist steht seit Jahren im Visier des Verfassungsschutzes. Auf ein Auskunftsersuchen hin präsentierte die Niedersächsische Verfassungsschutzbehörde dem Anwalt des Hörfunk-Mannes jetzt einen Teil ihrer Erkenntnisse. Dazu zählt auch das Beschäftigungsverhältnis des Journalisten - der 43-Jährige ist angestellter Redakteur des Göttinger Lokalradios.
"Nach Erkenntnissen der Polizei vom 10. 07. 2000 war Ihr Mandant Mitarbeiter des Göttinger Radiosenders ,Stadtradio'", heißt es in dem Antwortschreiben. An anderer Stelle schreibt der Verfassungsschutz: "Am 19. März 2011 war Ihr Mandant, aufgrund der Ereignisse in Japan, Teilnehmer einer Anti-Atom-Demonstration in Göttingen."
Die Anwesenheit bei zwei weiteren Demonstrationen - als Journalist, wie der Betroffene betont - hat der Verfassungsschutz ebenfalls registriert.
Für Rechtsanwalt Sven Adam macht der Verfassungsschutz aus journalistischer Begleitung "eine offenbar staatsgefährdende Teilnahme an legalen und angemeldeten Demonstrationen".
Auch die Gewerkschaft Ver.di ist empört über die "Bespitzelung" ihres Mitglieds. "Die Beschäftigung unseres Kollegen beim Lokalradio als polizeiliche Erkenntnis zu präsentieren ist ein ungeheuerlicher Vorgang", sagte Gewerkschaftssekretär Patrick von Brandt.
Dass die Ausübung seines Berufs für den Kollegen zu ständig erweiterten Einträgen in einer Verfassungsschutzakte führe, "weckt ungute Erinnerungen an längst vergangene Zeiten".
Rechtsanwalt Adam kritisiert zudem die unvollständige Antwort des Verfassungsschutzes, in der die Behörde eine weitere Einsicht in die personenbezogenen Daten seines Mandanten verweigert. Deshalb hat der Jurist den niedersächsischen Datenschutzbeauftragten und das Göttinger Verwaltungsgericht eingeschaltet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus