Neuer Verfassungsschutz-Chef: Keine Ehren-Professur für Maaßen
Die FU Berlin hat den neuen Verfassungsschutz-Chef als Honorar-Professor abgelehnt. Grund ist sein umstrittenes Gutachten zu dem unschuldigen Guantanamo-Häftling Kurnaz.
BERLIN taz | Eigentlich sollte Hans-Georg Maaßen Honorar-Professor werden. Doch an der Freien Universität Berlin hat sich die Mehrheit der Professoren in einer nichtöffentlichen Sitzung in der vergangenen Woche geweigert, ihn zu berufen: aus politischen Gründen. Der Vorgang ist erst jetzt bekannt geworden und stärkt die Kritiker von Maaßen, der von August an neuer Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz wird.
Der Jurist und Ministerialbeamte Maaßen hatte sich jahrelang ins Zeug gelegt: Als Lehrbeauftragter gab er mehr als zehn Jahre Vorlesungen und Seminare. In der vergangenen Woche sollte er dafür den Lohn bekommen: Die juristische Fakultät wollte ihn mit einer Honrorar-Professur ehren.
In einem externen Gutachten von drei Juristen anderer Universitäten hieß es nach taz-Informationen, Maaßen sei ein „seltener und besonderer Gewinn“. Er wurde als ausgewiesener Experte für Ausländer-, Asyl- und Europarecht bezeichnet. Seine teilweise umstrittenen und von Migrantenorganisationen kritisierten Positionen – er plädiert für ein restriktives Zuwanderungsrecht – wurden in dem Gutachten lobend hervorgehoben. Maaßen habe die Fähigkeit unbequeme Positionen zu vertreten und zu diskutieren. Seine Publikationen sollen „schlechterdings unentbehrlich“ sein. Und vor allem habe er Praxiserfahrung als Beamter des Innenministeriums.
Genau diese wurde ihm in einer Abstimmung im Akademischen Senat am 11. Juli aber zum Verhängnis. Nachdem die Juristen ihre Argumente für Maaßen vortrugen, kritisierten mehrere Professoren die Rolle des Beamten im Fall des Bremer Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz – diese hatten in den vergangenen Tagen auch Grüne und Linke kritisiert.
Maaßen verfasste 2002 ein Gutachten für das Innenministerium, in dem er rechtfertigte, dass der unschuldig in Guantanamo eingesperrte Deutschtürke Kurnaz im Falle einer Freilassung nicht in die Bundesrepublik einreisen darf. Maaßen begründete das damit, dass Kurnaz‘ Aufenthaltsgenehmigung erloschen sei, weil er sich bereits mehr als sechs Monate im Ausland aufgehalten habe. Dass Kurnaz zwangsweise nach Guantanamo verschleppt worden war und keine Möglichkeit hatte, eine Verlängerung zu beantragen, spielte für ihn keine Rolle.
Nicht mit den Grundwerten vereinbar
Maaßen-Gegner argumentierten im Akademischen Senat, dass diese Haltung nicht mit den Grundwerten der Freien Universität vereinbar sei. In der geheimen Wahl stimmten zwölf Mitglieder gegen ihn, zehn für ihn, eine Person enthielt sich. Der Vorgang ist außergewöhnlich. Die Zustimmung zu einer Honorar-Professur gilt in dem Gremium als sichere Sache – das Berufungsverfahren gilt als Formalie. Ein Mitglied kann sich nicht daran erinnern, dass es eine Verweigerung des Titels in den vergangenen Jahren gegeben hätte.
Der Jura-Fachbereich will sich nach der Niederlage ihres Kandidaten nicht äußern. Auch das Universitätspräsidium mauert: „Es handelt sich um eine Personalangelegenheit – dazu können wir uns nicht äußern“, sagte Präsidiumssprecher Goran Krstin. Selbst Professoren, die Maaßen kritisiert haben, wollen nach seiner Ernennung zum Verfassungsschutzpräsidenten nichts mehr sagen und verweisen darauf, dass die Sitzung nicht öffentlich war und sie zum Schweigen verpflichtet seien.
Vom neuen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen selbst und vom Bundesinnenministerium war am Donnerstag zunächst ebenfalls keine Stellungnahme zu bekommen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte am Mittwoch nach der Ernennung Maaßens durch das Kabinett die Kritik an ihm beiseite gewischt: „Maaßen ist ein ausgewiesener Experte und brillanter Jurist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker