Neue Nato-Struktur in Deutschland: Nato-Raketenabwehr in die Pfalz
Die Kommandozentrale des geplanten Raketenabwehrschirms soll auf die US-Airbase in Ramstein. Kritiker glauben, dass das System auch zur Spionage genutzt wird.
GENF taz | Deutschland soll im Rahmen des von den USA und der Nato geplanten "Raketenabwehrschirms" über Europa eine sehr viel stärkere Rolle spielen als bislang bekannt: Die Kommandozentrale für das "Abwehrsystem" wird auf der US-Airbase im pfälzischen Ramstein angesiedelt, wie ein Sprecher des dort bereits stationierten Hauptquartiers der alliierten Luftstreitkräfte am Donnerstag gegenüber Journalisten bestätigte.
Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière bei der gestrigen Sitzung der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel kann die Bundesregierung "sich vorstellen, die Patriot-Raketen, die in Deutschland sind, auch als Teil dieses Systems zur Verfügung zu stellen."
Die 28 Mitgliedsstaaten der Militärallianz hatten das ursprünglich nur von der Bündnisvormacht USA betriebene Vorhaben eines Raketenabwehrsystems auf ihrem Lissaboner Gipfel 2010 zu einem gemeinsamen Projekt erklärt. Bislang hatten sich Polen, Rumänien, Spanien und die Türkei bereit erklärt, auf ihrem Territorium Abschussrampen für Abwehrraketen oder Radaranlagen zur Entdeckung anfliegender Raketen zu stationieren. Tschechien zog seine ursprünglich erklärte Bereitschaft im Juni 2011 zurück.
Verteidigungminister de Maizière unterstrich in Brüssel die offizielle Lesart, wonach der geplante Raketenschild ausschließlich dem Schutz Europas vor einer Bedrohung mit Mittelstreckenraketen aus dem Nahen und Mittleren Osten dienen solle, "insbesondere aus Iran". Die russische Regierung, aber auch unabhängige Rüstungsexperten in Westeuropa schließen jedoch nicht aus, dass das System auch zur Spionage über russischem Territorium sowie zur Bekämpfung von Satelliten genutzt werden könnte.
Für die jetzt denkbare künftige Nutzung ergibt die Ansiedelung der Kommandozentrale in Ramstein Sinn - zumindest in militärischer und logistischer Hinsicht. Denn dort befindet sich neben dem Hauptquartier der Nato-Luftstreitkräfte auch das Europäische Weltraum-Kommando der Nato.
Moskau wird die gestrigen Ankündigungen aus Ramstein und Brüssel möglicherweise zum Anlass nehmen, ein für März in Deutschland gemeinsam mit der Nato geplantes Computermanöver zur Raketenabwehr wieder abzusagen. Zumal die Nato Russlands Wunsch nach einem gemeinsamen Raketenabwehrsystem mit integrierten Kommando nach wie vor ablehnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen