Netzaktivisten hacken sich gegenseitig: Anonyme gegen Anonymous
In der Nacht zu Montag hackte Anonymous eine syrische Webseite und platzierte dort eine Botschaft. Kurz darauf wurden die Aktivisten selbst Ziel eines Cyberangriffs.
BERLIN taz | "Schützt euer Land - steht auf gegen das Regime", lautet das Ende der zwölfzeiligen Botschaft, die Hacker auf der Webseite des syrischen Verteidigungsministeriums auf Englisch und Arabisch hinterlassen haben. Unterzeichnet ist die Aufforderung vom Aktivisten-Kollektiv "Anonymous", das in ihrer Stellungnahme auch Solidarität mit den Oppositionellen bekundet und das Militär auffordert, das syrische Volk zu beschützen.
Die Webseite www.mod.gov.sy war am Montag nicht mehr erreichbar, nachdem Anonymous am Sonntag über das Online-Netzwerk Twitter einen Angriff auf die Webseite angekündigt hatte. Zusätzlich zum Text konnten die Hacker kurzzeitig Bilder von blutenden Demonstranten platzieren.
Der Gegenschlag ließ nicht lange auf sich warten. "AnonPlus", die Internet-Platform von Anonymous, wird derzeit von unbekannten Angreifern attackiert. Laut Medienberichten nennt sich die Gruppe "SyRiAn Cyb3r Army" und steht offenbar der syrischen Regierung nahe. Dienstag vormittag war auf der Seite www.anonplus.com die Nachricht zu lesen: "Terrorist kills Syrian Army and Syrian Civilians". Außerdem wurden dort Fotos gezeigt, die angeblich Opfer der Muslimbruderschaft zeigen. Die Hacker machen die muslimische Organisation für die Gewalt in Syrien verantwortlich. "Ihr verteidigt diese Terrororganisation und das hier ist unsere Antwort", haben die Aktivisten als Botschaft hinterlassen.
Anonymous ist eine global operierende Netzaktivisten-Gruppe, die aus bisher Unbekannten besteht. Seit 2008 tritt sie mit Protestaktionen für die Redefreiheit und die Freiheit im Internet in Erscheinung.
Operation Facebook
Typisch für Anonymous sind die Masken, die sie bei Demonstrationen tragen. Sie stellen das Gesicht des britischen Soldaten Guy Fawkes dar. Er plante 1605 ein Attentat auf den damaligen König, welches aber vereitelt werden konnte. Einerseits dienen die Masken als Erkennungszeichen, andererseits auch zur Anonymisierung der Aktivisten bei Protestaktionen.
Anfangs waren vor allem die Organisation Scientology und staatliche Behörden Opfer der Attacken. Durch Angriffe auf Gegner der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks, größtenteils Kreditkartenunternehmen, wurde die Gruppierung im letzten Jahr weltweit bekannt. Aus Rache für Festnahmen von Gleichgesinnten hat die Gruppe am Sonntag der US-Polizei den Cyber-Krieg erklärt.
Neben den Angriffen auf fremde Webseiten plant Anonymous ein eigenes soziales Netzwerk. "Anonplus", so der Name der Platform, könnte ein eigener Bereich des Internets werden, in dem Nutzer anonym und unzensiert Informationen austauschen können.
Am Dienstag kündigte die Gruppe einen weiteren Großangriff an: Operation Facebook. Am 5. November 2011, dem Guy Fawkes Day, will Anonymous das soziale Netzwerk attackieren. Zu dieser Operation ist bisher nicht sehr viel bekannt. Allerdings ist ein Video von Anonymous aufgetaucht, das die Gründe für den geplanten Angriff darlegt.
So arbeite Facebook mit Regierungen und Firmen zusammen, von denen zum Teil schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen ausgingen. Außerdem führe das Löschen des eigenen Profils, anders als vom Netzwerk behauptet, nicht zur Löschung der gespeicherten Daten.
Auf Twitter haben sich Aktivisten von Anonymous am Mittwoch wieder von der "Operation Facebook" distanziert. Anonymous würde nicht den "Nachrichtenüberbringer" töten. Das wäre ihr nicht ihr Stil, heißt es in einer Nachricht beim Kurznachrichtendienst. Da das Kollektiv nicht zentral gesteuert oder verwaltet wird, kann theoretisch jeder im Namen der Gruppe Aktionen planen und ausrufen. Ob die Operation nun stattfindet oder nicht, bleibt fraglich.
mit Informationen von AFP
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin