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Neonaziaufmarsch ISchneebälle gegen Neonazis

Eine Anti-Moschee-Kundgebung scheitert in Hamburg am Protest. Am Samstagmittag stehen sich 28 Neonazis und 600 Gegendemonstranten gegenüber.

Kein Spaß: Im Polizeikreis stehen und sich vor Schneebällen schützen Bild: dpa

HAMBURG taz |Die Kundgebung „Lasst die Kirche im Dorf“ scheiterte am Protest. Am Samstag wollten in Hamburg-Horn unter dem Motto „Pro Deutschland“ die „German Defence League Hamburg Division“ und die „Identitäre Bewegung“ gegen die Umwandlung der Kapernaum-Kirche zu einer Moschee aufmarschieren. Bei strahlendem Sonnenschein und kaltem Wind kamen die anti-islamischen Initiativen jedoch nicht einmal zu ihrem Versammlungsort durch.

Gleich an der stark sanierungsbedürftigen Kirche, die das islamische Zentrum al-Nour vor Kurzem erworben hatte, sollte die Kundgebung stattfinden. Doch auf der Sievekingsallee hatte die Polizei den Ort von beiden Seiten mit Gittern abgesperrt. Und eine Stunde vor dem Beginn der Anti-Moschee-Kundgebung war schon die Gegenkundgebung vom „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ bei der Kreuzung Sievekingsalle/Horner Weg auf der Straße.

Viele Transparente „Hamburg gegen Nazis“, selbst gemalte Pappschilder „Muslime gehören zu Deutschland wie Sauerkraut“ trugen die Nazigegner mit sich. Mit Applaus begrüßten die Demonstranten, von denen etliche aus der Nachbarschaft kamen, Daniel Abdin. Der Vorsitzende von al-Nour sagte: „Wir Muslime sind auch Hamburger und gehören zur deutschen Gesellschaft“, und warnte: „Nur weil Anti-Islamisten nicht alle rechtsextrem sind, sind sie nicht weniger gefährlich.“

Fanny Dethloff, Pastorin der Nordkirche, sagte: „Überall da, wo einige meinten, nur ihre Ethnie, nur ihr Volksstamm wäre der einzig wahre, wurden Gesellschaften zerstört.“ Unter Applaus sagte sie weiter: „Und all die, die als Biodeutsche meinen, in einer Parallelgesellschaft wohnen bleiben zu wollen, die sich hinter Jägerzäunen verbarrikadieren und Ängste schüren, sollten sehen, dass dieses Kriegsgeheule uns hier nicht beeindruckt.“

Von der anderen Straßenseite versuchte derweil der Anmelder der Anti-Moschee-Kundgebung, Stephan Buschendorff, mit zehn Mitstreitern den Versammlungsort zu erreichen. Ohne Erfolg, ein Schneeballhagel von den dort stehenden rund 600 Gegendemonstranten zwang die Neonazis in Polizeikleinbusse. Die Fahrzeuge mussten später vor einer Sitzblockade umkehren.

100 Teilnehmer hatte Buschendorff für seine Kundgebung angemeldet. Doch die geringe Teilnehmerzahl dürfte ihn zur Absage bewegt haben. Zusagen im Internet spiegeln eben nicht den Zuspruch auf der Straße wieder.

Die Indentitären erlebten am Samstag Ähnliches. 534 Likes hat die Gruppe aus Hamburg bei Facebook, 17 kamen zur Kundgebung. Mit Fahnen ihres Logos, dem griechischen Buchstaben Lambda, der schon die Schilder der Spartaner geziert haben soll, und Parolen „Pro Nation, pro border“ kamen sie nach Horn. Vor der Gegenkundgebung gerieten sie mit Demonstranten aneinander, dabei sollen sie Farbbeutel geworfen haben.

Mit Mühe gelang es der Polizei, einen Kreis um die kleine Gruppe der Identitären zu ziehen, um sie vor den Gegendemonstranten zu schützen. Dabei wurden Schlagstöcke und Polizeipferde eingesetzt. Unter Gerangel, Schneebällen und „Haut ab“-Rufen brachte die Polizei, die mit rund 800 Beamten im Einsatz war, die jungen Männer zum U-Bahnhof, von wo sie mit einem Polizeikleinbus weggebracht wurden. Erneut wurden Schneebälle gegen den Bus geworfen. Dabei ist laut Polizeiaussagen niemand verletzt worden.

Im Internet gaben sich die Identitären später kämpferisch. „Wir die Spartaner“, heißt es auf ihrer Facebookseite. Und in Anspielung auf den Kampf der Spartaner bei den Thermopylen gegen eine persische Übermacht: „Wir sind 300! Unsere Phalanx steht“. Dieses Mal waren es gerade mal insgesamt 28 Neonazis, Identitäre und „German Defence League Hamburg Division“ zusammen, die gegen die Moschee auf die Straße gingen.

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18 Kommentare

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  • M
    Michael

    von Matt: „Wie kann jemand in einer funktionierenden Demokratie, in der Relegionsfreiheit herrscht, gegen eine Religion sein?“

     

    Religionsfreiheit beinhaltet nicht die Immunität gegenüber Kritik. Wir kritisieren in unserer Gesellschaft die Katholische Kirche, die Zeugen Jehova, Scientology … warum soll ausgerechnet der Islam eine kritikfreie Zone sein?

     

    Der Islam ist weder eine Rasse noch ein Volk. Der Islam ist ein religiöses Glaubensmodell mit antiquierten Normen, Wert- und Moralvorstellungen aus einem ganz anderen Jahrhundert. Schauen Sie sich Länder an in denen Moslems in der Mehrheit sind und den Islam als Staatsform nach dem Koran eingeführt ist (Iran, Saudi Arabien). Was Menschenrechte anbelangt, Religionsfreiheit, Frauenrechte, sexuelle Selbstbestimmung, so kommt aus diesen Ländern nichts Gutes.

     

    Leider haben Moslems auch in Deutschland keine Religionsfreiheit, es ist einem Moslem innerhalb seiner islamischen Community untersagt den Islam zu verlassen. Tut er es trotzdem, bekommt er massive Probleme.

  • M
    Matt

    Es ist mir absolut unverständlich wie inflationär einigen Menschen mit dem Begriff "Nazi" umgehen und welch verzerrtes Geschichtsbild einige hier haben.

    Es geht vielleicht zuweit die Identitären als "Nazis" zu bezeichnen, aber mit ihrem Hass und ihrer Ablehnung gegenüber Menschen die anders denken, aussehen oder beten schüren sie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus!

     

    Das Wort "Islamgegner" ist nichts als blanker Hohn. Wie kann jemand in einer funktionierenden Demokratie, in der Relegionsfreiheit herrscht, gegen eine Religion sein? Damit disqualifiziert er sich als Demokrat!

     

    Antifaschistische Gegendemonstranten begrifflich mit Nazis gleichzusetzen entbehrt jeglichem Verstand. In den vergangenen 20 Jahren haben Nazis in diesem Land über 100 Menschen vorsätzlich getötet und trotzdem dürfen sie noch aufmarschieren. Da der Staat in dieser Hinsicht offensichtlich versagt hat (siehe NSU usw.) ist es die Pflicht eines jeden Demokraten diese Aufmärsche zu verhindern. Er wird dadurch weder Linksradikal noch den Nazis gleich, er ist lediglich Antifaschist und das ist auch gut so!

  • M
    Markus

    Bewegungen wie Pro und Identitaire haben ihre Ideen und Motive, aber "Nationalsozialisten" sind sie nicht. Warum schreibt ihr nicht einfach - sachlich - "Islamgegner" oder "Moscheegegner"? Oder ist das nicht reißerisch genug?

     

    Würdet ihr statt einer pauschalen Verurteilung einfach nur schreiben, was die jeweiligen Gruppen wollen und fordern, dann könnte sich jeder selbst ein Urteil bilden.

  • F
    FaktenStattFiktion

    an "@Atheistin":

     

    Der Faschismus ist eine Erfindung von Mussolini, welcher fanatischer Kommunist war.

    Erst als er kriegslüstern für Eintritt Italiens in den ersten Weltkrieg votierte, war dessen Parteikarrriere beendet.

    Mussolini musste sich kaum umstellen. Der Weg vom Links- zum Rechtsradikalen ist eben ein kuzer Weg.

  • F
    Frank

    Gut, wenn ich meine Meinungsfreiheit mit Neonazis in einer von denen organisierten Demo kundtun möchte, dann lande ich auch mit denen in einem Korb - ist das erstaunlich? Ich habe Nazidemos ein paar Mal aus meinem Fenster beobachten können und schon die Äußerlichkeiten der Teilnehmer würen mich schnell zum Absprung von der Demo bewegen, aber ultra-liberale Leute gehen dann weiter mit solchem Volk zur Schneeballschlacht.

  • A
    @Atheistin

    Das Dritte Reich war Ergebnis der sozialistischen Ideologie der Nazis verbunden mit ihren nationalistischen Ansichten. Aber "für die bessere Zukunft müssen jetzt ein paar Millionen Menschen sterben" kommt _immer_ aus sozialistisch/kommunistischen Ideen und auch nur dort vor, wo diese Leute an der Macht sind (Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot). Im Faschismus treffen sich Linke und Rechte, und im Sozialismus sind sie vereint.

  • M
    Michael

    @ Atheistin,

    schön dass Sie sich als solch eine bezeichnen können. Das Recht auf Glaubensfreiheit sowie auf freie Partnerwahl ist einer Muslima in Deutschland nicht gegönnt. Und zwar von ihrer eigenen Islamischen Community. Frau TV vom WDR hatte einen 9 Minütigen Beitrag produziert, wie eine Muslima zur Atheistin wurde und was das für persönliche Konsequenzen für sie hatte. Der totale Bruch mit der Familie. Doch schauen Sie sich den Betrag selber an, vielleicht fällt Ihnen dann auf, dass Islamkritik in dieser Gesellschaft überfällig ist.

     

    Frau TV: Von der Muslima zur Atheistin

    http://www.youtube.com/watch?v=5D4nqbQXAqU

  • B
    boateng

    @Atheistin

    Na, dann schauen se mal in die Geschichtsbücher.

    Ansonsten können Sie sich IHREN Rassismus hinten rein....

  • M
    Marc @rosafüralle

    "Andere gewaltsam an der Ausübung ihrer Bürgerrechte zu hindern, ist dagegen Nazi-Style."

     

    -George W. Bush wurde als Nazi beschimpft

    -Obama wird als Nazi beschimpft

    -Israelis werden als Nazis beschimpft

    -Heidi Klum wird als Nazi beschimpft

    -Und Schlussendlich sollen diejenigen Nazis sein, die Nazis und Rassisten bekämpfen

    usw. usf.

     

    Alle sollen angeblich Nazis sein, nur ausgerechnet die nicht, die mit den (fast) gleichen ewig gestrigen Parolen um sich werfen

    Der Nazivergleich ist ausgelutscht und sowieso ein Schlag ins Gesicht für alle Opfer von wirklichen Nazis.

    Ob nun "PRO Deutschland" oder "German Defence League":

    In deren Reihen finden sich so einige Nazis. Die Parolen dieser Parteien sind ganz klar nationailstisch/rassistisch.

    IslamKRITIK sieht anders aus!

     

    Übrigens: Vertreter der NPD haben auch Teil genommen, aber das sind bestimmt auch keine Nazis...

    Der Anmelder der Kundgebung, Stefan Buschendorff, hatte diese erst auch eingeladen, danach aus taktischen Gründen aber wieder ausgeladen.

  • A
    Atheistin

    Wenn ich einige Kommentare lese - und nicht nur hier, sondern auch in anderen Medien, die Kommentare zulassen -

    wird mir schlecht: wegen der offensichtlichen Dummheit (russische Demokratie!? würg!)

    und Angst und Bange: wegen der wohl immer und ewig rechten Gesinnungen dieser Toitschen.

     

    Die "dunkle Episode" (Episode!?) wurde NICHT von Linken verursacht!

  • R
    rosafüralle

    Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

    Natürlich nur, wenn ich der Andersdenkende bin.

     

    Ohne Ironie:

    Gegendemos sind prima. Andere gewaltsam an der Ausübung ihrer Bürgerrechte zu hindern, ist dagegen Nazi-Style.

  • ID
    immer das gleiche

    Als Atheist, kann ich nicht verstehen, wie ihr von der TAZ und die "Linken", immer generell dabei seid, wenn es gegen das Christentum geht, aber bei dem Islam den Schwanz einzieht und jeden Kritiker als Nazi darstellt.

    Denn die meisten Christen, leben nicht in Europa und sind keine Weißen.

    Fällt euch eure eigene Heuchlerei auf, oder habt ihr einfach Angst davor, so zu enden wie "Charlie Hebdo"?

  • M
    Michael

    Ich war vor Ort um gegen den Umbau der Kirche in eine Moschee zu demonstrieren. Und nein, ich bin weder Anhänger der Defence League noch der identitären Bewegung.800 Polizisten mussten die wenigen Demonstranten vor dem Mob aus Krawallmachern schützen. Die Polizei bezifferte die gewaltbereiten Antifa auf 200 Personen. Die Anhänger der identitären Bewegung wurden auch mit hochgefährlichen Bengalos beworfen. Die eigentliche Demo wurde gewaltsam verhindert. Ein schwarzer Tag für die Demokratie und Redefreiheit. Artikel 3 GG - Niemand darf auf Grund seiner politischen Anschauung benachteiligt werden. Parteien wie SPD, Linke, Grüne und Piraten die vor Ort waren, scheinen Artikel 3 GG wohl nur für ihre individuelle Auslegung zu beanspruchen. Mittlerweile kann ich Wladimir Putin verstehen, wenn er bei Kritik an der russischen Demokratie auf die existierenden Misstände in unserem Land verweist.

    Übrigens, Kritik am Islam ist kein Rassismus, da der Islam keine Rasse ist. Sonst müsste man Kritikern der Katholischen Kirche den selben absurden Vorwurf unterbreiten.

  • B
    Bürger

    In DRESDEN hätten alle Nazigegener ein fettes Verfahren am Hals!!!

  • M
    mudda

    ist freie meinungsäuserung nazi?

    oder nur linke freie meinungsäuserung, oder nicht?

  • F
    FaktenStattFiktionjz

    A.Speit sollte vielleicht noch kurz die Neonazis benennen, welche angeblich dabei waren. Er schreibt ja nur etwas von PRO, den Identitären und der GDL.

     

    Also Herr Speit, wo waren die Neonazis?

  • VA
    Verlust an Demokratie

    Wannimmer Menschen, die demonstrieren wollen, vor gewalttätigen Gegendemonstranten geschützt werden müssen ist das ein Verlust an Demokratie. Die Schneebälle waren wohl nur deshalb keine Pflastersteine weil die gerade im gefrorenen Boden stecken.

     

    Da werden ganz dunkle Erinnerungen an eine Episode der Geschichte wach.

     

    Es freut mich, dass Abdin sich und seine Anhänger als Teil der deutschen Gesellschaft sieht. Aber warum will er dann nicht auf deutsch predigen lassen, sondern auf arabisch? Ist das förderlich dafür, Teil einer Gesellschaft zu sein, wenn man seinen Anhängern weiter ermöglicht, ohne Sprachkenntnisse zurecht zu kommen?

  • T
    Toleranter

    "Fanny Dethloff, Pastorin der Nordkirche, sagte: „Überall da, wo einige meinten, nur ihre Ethnie, nur ihr Volksstamm wäre der einzig wahre, wurden Gesellschaften zerstört.“"

    Ob die Frau Pastorin damit wirklich nur die Islamgegner meint?

    Wenn ja sollte sie die Augen aufmachen.