Nazi-Verein verboten: Keine Post mehr in den Knast
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat den größten Neonazi-Verein verboten. Künftig gibt es keine Post mehr von rechtsextremen Kameraden in den Knast.
BERLIN/HAMBURG taz | Die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige" (HNG) ist verboten worden. "Es war nicht länger hinnehmbar, dass inhaftierte Rechtsextreme durch die HNG in ihre aggressiven Haltung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bestärkt werden", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Am frühren Mittwochmorgen standen Polizeibeamte vor den Türen wichtiger Funktionäre des größten neonazistischen Vereins Deutschlands. In mehreren Bundesländern fanden Durchsuchungen und Beschlagnahmungen statt.
Das Bundesinnenministerium begründete das Verbot mit der "Ablehnung des demokratischen Rechtsstaat sowie der Verherrlichung des Nationalsozialismus". Der HNG wird es verboten, "Ersatzorganisationen (...) zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen", wie es in der Bekanntmachung heißt, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. Auch das Vermögen wird "beschlagnahmt und eingezogen".
Das Verbot wurde lange vorbereitet. Bereits im Herbst 2010 liefen breit angelegte Razzien, bei denen etliche Unterlagen beschlagnahm wurden. Nach taz-Informationen waren darunter Briefwechsel und andere Dokumente, in denen SS-Mitglieder verherrlicht wurden. Die HNG reichte im Juli dieses Jahres beim Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen das Ministerium ein, um ein Verbotsverfahren zu unterbinden. "Falls es doch noch zu einem Verbot kommen sollte, werden wir auch dagegen alle Rechtsmittel ausschöpfen", erklärte damals schon der stellvertretende HNG-Vorsitzende Christian Malcoci.
Seit 1979 bestand der Verein, der am 20. April, Adolf Hilters Geburtstag, in Franfurt am Main gegründet wurde. Im Juli 2011 übernahm Daniele Wegener von Ursula Müller, Jahrgang 1933, den HNG-Vorsitz. Mehr als 30 Jahre lang leitete Müller die HNG mit rund 600 Mitgliedern. Gegen sie oder andere Vereinsfunktionäre wird nicht ermittelt.
"Dorn im Auge von Mammonisten"
In der NPD-Zeitung Deutsche Stimme erklärte Müller 2009, die HNG kümmere sich um Inhaftiere, deren Einsatz "ein Dorn im Augen von Mammonisten, Materialisten und Globalisten darstellt". Die HNG stehe ihnen ideell als auch materiell bei.
Über die HNG-Nachrichten, in denen "Ursula" in Briefen gedankt wurde, wurden Kontakte geknüpft. In den Nachrichten erschienen regelmäßig Gefangenenlisten mit "Märtyrer der nationalen Sache". Holocaustleugner und Rechtsterroristen baten hier um Post. Bis zu seiner Entlassung 2010 stand Martin Wiese auf der Liste, der 2005 wegen eines geplanten Bombenanschlages verurteilt wurde. Glaubt man Müller, waren vor allem Frauen emsige Briefeschreiberinnen. Es sei gerade nicht das Ziel gewesen, die Straftäter zu resozialisieren, so das Innenministerium.
Die HNG ist nicht die einzige "Nationale Gefangenenhilfe". Seit Jahren steht auch der "JVA-Report" Inhaftieren aus der rechtsextremen Szene bei. Der Report erschien 2010 zweimal. In den jeweils 72 Seiten werden Haftberichte und Leserbriefe von Inhaftierten veröffentlicht. Der Report, den ein Rechtsextremer aus Wittmund herausgibt, unterhält auch eine umfangreiche Webseite.
Im Szeneforum Thiazi.net wurde gleich am Mittwochmorgen eine Weisung von "Ursel", wie Ursula Müller intern genannt wird, weitergegeben: "Nach einem eben geführten Telefonat mit Ursel, wurde das Verbot und die damit verbundenen Hausverwüstungen bestätigt!!! Von Ursel kam nun die Bitte, kein Geld mehr an die HNG mehr zu überweisen, da ALLE Konten beschlagnahmt wurden und somit auch alle darauf eingezahlten Gelder beschlagnahmt werden".
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