Nachruf auf Commodore-Gründer Tramiel: „Computer für die Massen“
Als jugendlicher entkam er den Nazis und leitete später zwei der Einflussreichsten Computerfirmen – nun ist Commodore-Gründer Jack Tramiel verstorben.
BERLIN taz | Als der 1928 im mittelpolnischen Łodz geborene Jacek Trzmiel ein Jugendlicher war, wäre sein Leben auch schon fast beendet: ab 1939 musste er im Ghetto Litzmannstadt leben, 1944 wurde er dann ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Zusammen mit seinem Vater wurde er dort jedoch für den Arbeitseinsatz für tauglich befunden und nach Hannover-Ahlem geschickt, einem Gestapo- und Arbeitslager.
Sein Vater überlebte diese Zeit nicht: Laut Trzmiel wurde er wegen Arbeitsunfähigkeit ermordet. Im April 1945 wurde Trzmiel dort von US-Truppen befreit, als einer von 60 Überlebenden. Nachdem er 1947 in Deutschland die ebenfalls Auschwitz überlebt habende Helen Goldgrub heiratete, wanderte Trzmiel im November in die USA aus und nannte sich dort Jack Tramiel.
Das neue Leben, das Tramiel sich dort aufbaute, begann mit einem Job bei der US-Armee: ab 1948 reparierte er für die Army Büroausstattung, leitete das zuständige Büro später. Doch auch bei der Army hielt es ihn nicht lang: zwei Jahre stand Tramiel im Dienst, dann startete er mit einem Regierungsdarlehen für frühere Soldaten einen Reparaturservice. Er zog ins kanadische Toronto in die Nähe von Verwandten seiner Frau und bekam dort ein weiteres Darlehen, mit dem er eine Lizenzfabrikation für tschechische Schreibmaschinen startete. Als er diese auch in die USA exportieren wollte, gründete Tramiel eine neue Firma: Commodore.
Commodore steht wie keine zweite Firma für die Eroberung der Kinderzimmer mit Heimcomputern. Sie stellte erst Schreibmaschinen, dann Taschenrechner und schließlich einfache, günstige Computer wie den PET und den VC-20 her. Der größte Erfolg der Firma sollte aber ein Computer werden, der aus billigen Bauteilen zusammengeschustert war: der Commodore 64, aufgrund seiner speziellen Bauform auch Brotkasten genannt.
Den Konkurrenten übernommen
„Computer für die Masse, nicht für die Klasse“ war Tramiels Motto. Über 20 Millionen Mal verkaufte sich der „C64“ zwischen 1981 und 1994. Doch da war Tramiel schon nicht mehr bei Commodore. Tramiel verließ die von ihm gegründete Firma 1984 und übernahm den ehemaligen Konkurrenten Atari, wo er weitere bekannte Heimcomputer auf den Markt brachte, die mit dem Betriebssystem TOS liefen – angeblich stand das Kürzel für „Tramiel Operating System“.
1996 verkaufte Tramiel Atari – die Zeit der Heimcomputer war abgelaufen. Er zog sich mit seiner Frau ins Privatleben zurück und gab immer wieder aus seinem Privatvermögen Geld für die Erinnerung an den Holocaust. Noch 2011 spendete Tramiel eine Million Dollar für die Erinnerungsausstellung an den Aufstand im Warschauer Ghetto im jüdischen Museum Warschau, die 2013 eröffnet wird.
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