Nach den Wahlen in Schleswig-Holstein: Dämpel, Dampel, Dänen-Ampel
Nach der Wahl in Schleswig-Holstein will die SPD mit Grünen und SSW koalieren. Ein heikler Punkt könnte die Finanzpolitik werden. Die CDU verfolgt andere Pläne, die Piraten sind offen für alles.
KIEL dapd | Am Tag nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein wollen die Parteien in Kiel die Weichen für die künftige Landesregierung stellen. Dabei beanspruchen sowohl CDU als auch SPD für sich den Auftrag, die neue Regierung zu bilden.
Aus dem Urnengang vom Sonntag war die CDU zwar als stärkste Kraft hervorgegangen. Doch verfügt ein mögliches Dreierbündnis aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband SSW über eine knappe Mehrheit im neuen Landtag.
Knackpunkt möglicher Koalitionsverhandlungen mit Grünen und SSW für eine von den Sozialdemokraten geführte Landesregierung könnte die Finanzpolitik werden. „Das wird sicher ein schwieriger Teil werden“, sagte SPD-Landeschef Ralf Stegner der Nachrichtenagentur dapd in Kiel. Eine künftige Regierung müsse in der Lage sein, Vorgaben der Verfassung zur Neuverschuldung einzuhalten.
CDU 30,8 % / 22 Sitze (2009: 31,5%)
SPD 30,4 % / 22 (24,5 %)
Die Grünen 13,2 % / 10 (12,4 %)
Piraten 8,2 % / 6 (1,8 %)
FDP 8,2 % / 6 (14,9 %)
SSW 4,6 % / 3 (4,3 %)
Linkspartei 2,2 % (6,0 %)
Wahlbeteiligung 60,1 % (73,6 %)
Ideologische Tricksereien
Innenminister Klaus Schlie (CDU) sieht in einen solchen Dreierbündnis keine stabile Mehrheit. „Es kann nicht angehen, dass durch irgendwelche ideologische Tricksereien eine Wackelkoalition entsteht“, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur dapd. Statt auf eine sogenannte Dänen-Ampel zu setzen, gehe es nun darum, die Zukunft Schleswig-Holsteins „auf vernünftige Beine zu stellen“. Die CDU sei stärkste politische Kraft geworden, sagte Schlie weiter. Folglich habe sie den Auftrag, die Gespräche mit den anderen Parteien zu führen.
FDP-Landeschef Heiner Garg sieht im Ergebnis seiner Partei von 8,2 Prozent Rückenwind für den Urnengang am kommenden Sonntag in Nordrhein-Westfalen. „Wir haben der Partei mit dem wunderbaren Erfolg eine richtig tolle Steilvorlage für Nordrhein-Westfalen gegeben“, sagte Garg in Kiel. Es habe sich bezahlt gemacht, dass die FDP mit Wolfgang Kubicki einen sehr prominenten Spitzenkandidaten aufgestellt hat. Zugleich sei die Landes-FDP im Wahlkampf nie von ihren Kernthemen, der Wirtschaft und der Konsolidierung des Haushaltes, abgewichen.
Piraten wollen tolerieren
Die Piratenpartei zeigt sich grundsätzlich offen für die Tolerierung einer sogenannten Dänen-Ampel. Spitzenkandidat Torge Schmidt sagte am Sonntagabend im NDR, darüber könnten SPD, Grüne und SSW „gern“ mit den Piraten sprechen. Seine Partei strebe keine „Fundamentalopposition“ an. Allerdings müsse das Programm einer „Dänen-Ampel“ inhaltlich überzeugen, wenn die Piraten den SPD-Politiker Torsten Albig zum Ministerpräsidenten wählen sollten.
Die Linke in Schleswig-Holstein will ihren Absturz bei der Landtagswahl rasch aufarbeiten. „Alles gehört auf den Prüfstand, es gibt keine Tabubereiche“, sagte Bundestagsfraktionsvize Cornelia Möhring. Nach Ansicht der gebürtigen Hamburgerin hat auch die extrem niedrige Wahlbeteiligung ihrer Partei geschadet. Offenbar erreiche man viele Menschen gar nicht mehr. Doch teile sie nicht die Auffassung, dass die Unruhe an der Bundesspitze der Linken den Wahlkampf im Norden negativ beeinflusst habe.
Der Politikwissenschaftler Joachim Krause bezweifelt die Stabilität einer möglichen „Dänen-Ampel“ aus SPD, Grünen und SSW. „Ich glaube, dass ein solches Dreier-Bündnis keine große Zukunft hat“, sagte der Forscher der Kieler Christian-Albrechts-Universität der dapd in Kiel. Es werde am notwendigen Abbau des strukturellen Haushaltsdefizits zerbrechen. Mit Blick auf den laut Schuldenbremse bis 2020 vorgeschriebenen Stopp der Neuverschuldung sei eine große Koalition sinnvoll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten