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Nach Kritik an Organspende-StiftungMitarbeiter massiv unter Druck gesetzt

Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation werfen dem Vorstand Vetternwirtschaft und rückläufige Spenderzahlen vor. Jetzt hat sich der Stiftungsrat eingeschaltet.

Die Organspende-Breitschaft der Deutschen geht zurück - mit verantwortlich sollen auch Mauscheleien in der Deutschen Stiftung Organtransplantation sein. Bild: ap

BERLIN taz | Vetternwirtschaft, Selbstbedienungsmentalität, Führungsstil nach Gutsherrenart - die Vorwürfe sind haarsträubend. Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) hatten sie vorige Woche gegenüber ihrem Stiftungsvorstand erhoben, in einem von einer anonymen Mail-Adresse verschickten Brief an den Bundesgesundheitsminister sowie diverse Bundestagsabgeordnete.

Kritische Mitarbeiter, so hieß es in dem Schreiben, würden schikaniert, demotiviert und müssten um ihren Arbeitsplatz fürchten. Zugleich machten die Verfasser die Vorstände Günter Kirste und Thomas Beck für den starken Rückgang bei der Zahl der gespendeten Organe in Deutschland verantwortlich: Im ersten Halbjahr 2011 sind diese um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf bundesweit nur noch 1861 Spenderorgane gesunken - bei einer Warteliste von 12.000 Menschen.

Jetzt hat sich der DSO-Stiftungsrat als Aufsichtsgremium in die Affäre eingeschaltet. Zwar sei ein "ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Vorwürfen und dem Rückgang der Organspendezahlen nicht erkennbar", teilte der Stiftungsrat nach "mehrstündigen, intensiven Gesprächen mit Mitarbeitern der Hauptverwaltung der DSO" am Freitagabend mit.

Dennoch habe der Stiftungsrat eine Überprüfung der Vorwürfe durch einen externen unabhängigen Wirtschaftsprüfer beschlossen. Auch wolle man "das weitere Vorgehen" mit dem Regierungspräsident von Darmstadt als zuständiger Stiftungsaufsicht "abstimmen". Der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hält ein eigenes Einschreiten für unnötig. Er habe jedoch die zuständigen Aufsichtsgremien "um schnelle Prüfung gebeten", teilte ein Sprecher mit.

Ehemalige und aktuelle DSO-Mitarbeiter bezweifelten gegenüber der taz den Erfolg der angekündigten Aufklärung: Schließlich habe der Stiftungsrat den Vorstand eingesetzt. Jede Kritik am Vorstand bedeute folglich, dass der Stiftungsrat eingestehe, auf die falschen Leute gesetzt zu haben. Insbesondere die Mitarbeiter in der Frankfurter DSO-Zentrale würden seit Bekanntwerden des Briefes massiv unter Druck gesetzt, sich von dem Schreiben zu distanzieren.

Die DSO ist bundesweit verantwortlich für die Vorbereitung und Durchführung der Organspende. Ihre Finanzierung erfolgt über ein Budget der gesetzlichen Krankenkassen, das jährlich vom Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Bundesärztekammer ausgehandelt wird; im laufenden Jahr beträgt es 33,2 Millionen Euro.

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5 Kommentare

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  • NE
    noch ein nichtspender

    danke an den vorkommentator "nichtspender niemals". man kann es den leuten nicht oft genug sagen: wer organe spendet ist NICHT TOT, sonst wären die organe nicht verwendbar.

     

    der rückgang der spenden dürfte auch mit der unsäglichen pro-organspende-propaganda zusammenhängen, mit der das land seit monaten überzogen wird. kritische stimmen scheint es nicht mehr zu geben bzw. sie werden in die religiöse/esoterische spinner-ecke abgeschoben. vielleicht hat dieser einhellige meinungsterror in den medien den einen oder anderen aufwachen lassen. wenn der mainstream auf einmal nur noch eine richtige antwort kennt, ist eben immer höchste vorsicht angebracht.

     

    ich selbst hatte mein halbes leben einen organspendeausweis und habe ihn vor drei jahren nach ausgiebiger recherche und einer bewussten entscheidung zerrissen sowie in testament und patientenverfügung ein vollständiges verbot der spende meiner organe ausgesprochen, damit kein zweifel aufkommt. krankheit ist eben immer auch eine aufgabe, die das leben an den betroffenen stellt und die mitmenschen kein ersatzteillager, weswegen ich weder ein organ geben noch annehmen würde.

     

    ob ein haufen verbandsmurkel sich gegenseitig das leben schwermacht, finde ich dabei herzlich unerheblich.

  • D
    Dalisch

    Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

    Hier geht es um die Organisation der Koordinationsstelle, eine Stiftung, deren Mitarbeiter offensichtlich unter so großem Leidensdruck stehen, dass sie zu solchen Mitteln wie offenen Briefen greifen. Anders als Mitarbeiter anderer Betriebe, in denen es sicher auch nicht besser läuft, die sich aber nicht trauen, das öffentlich zu machen. Dadurch stirbt nicht ein Organspender mehr, früher oder anders.

    Informieren ist schön, dann würde man nämlich erfahren können (wenn man das will), dass Organspender z. B. nicht mit Sägespänen vollgestopft werden und schon gar nicht namenlos in irgendeiner Ecke verschwinden, das sind immer wieder vorgebrachte Schauermärchen. Ebenso wie die Aussage, dass die Lebensqualität von Organenpfängern schlechter sei. Quatsch.

    Wer dagegen ist, muss ja nicht spenden. Aber es wäre schön, auch dann bei der Wahrheit zu bleiben.

  • K
    Karma

    Die Vorgänge bei der DSO ändern nichts an der Problematik:

     

    Wie menschenwürdig ist das Sterben eines an ein künstliches Herz (Maschine die sie vor sich herschieben) Angeschlossenen der mit jedem Tag weniger Kraft hat?

     

    Der aber mit einem neuen Herz noch lange leben könnte?

     

    Evtl. sollten Sie ihm mal erklären wie das geht: Menschenwürdig Sterben.

     

    Auch Sie könnte es treffen - aber das scheint ihnen ja nichts auszumachen.

  • V
    vic

    Herr Bahr hält es also nicht für nötig, sich mit derart unguten Angelegenheiten zu befassen. Vermutlicht steht er bereits Kraft seines Amtes für alle Fälle auf Rang eins der Organ-Listen.

  • NN
    NichtSpender Niemals

    Wer spendet tötet sich selbst. Denn Spender LEBEN, wenn sie ans Bett gefesselt, narkotisiert und ausgeweidet werden! Sie sind eben nicht kalt und starr, sondern warm und reagieren auf äußere Reize!

     

    Diesen Menschen muss der Sterbeprozess erlaubt sein. Es ist das Intimste, was den Spendern genommen wird. Dann verschwinden sie mit Sägespänen vollgestopft - namenlos - in einer dunklen Ecke.

     

    Die Angehörigen, erleiden Albträume, weil sie gar nicht wissen, dass ihr Kind nicht tot ist, wenn es spendet.

     

    Nein zur Organspende! Informiert euch! Und lass Euch nichts erzählen...fragt nach. Warum sollte ich mein Organ für einen Sterbenskranken herschenken, der danach sein Leben lang Medikament in sich reinstopfen muss, damit das Organ nicht abgestoßen wird. Steigt seine Lebensqualität? Nein. Wird er gesund? Nein. Er siecht oft bis zum totalen Organversagen hin. Weil sein Körper das Kortison in allen Organen bis zum Kollaps speichert.

     

    Junge, Junge und hier reden sie von Rückgang der Spender! Na und! Das ist das Beste was ALLEN passieren kann. Sterben und zwar menschenwürdig!

     

    Einfach mal googlen!