NPD-Kampagne bei Engagementpreis: Naziklicks gegen „Storch Heinar“
Um eine Auszeichnung von „Storch Heinar“ zu verhindern, versuchte die NPD, eine Abstimmung zu manipulieren. Der dadurch gepushte Gewinner zog sich nun zurück.
BERLIN taz | Es hätte so schön sein können, wären nicht die Rechten gekommen. Auf dem geplanten Mehrgenerationen-Dorfplatz im nordrhein-westfälischen Golzheim sollten sich Jung und Alt begegnen. Vielleicht hätte die Kinderkrabbelgruppe im Pfarrheim neue Babydecken bekommen, oder die Bastelgruppe frische Filzer.
Der Golzheimer Dorfverein hatte gute Chancen, die Online-Abstimmung des Deutschen Engagementpreises zu gewinnen. Die 10.000 Euro des Publikumspreises wären für die rund 1.500 Golzheimer ein nettes Sümmchen gewesen.
Nun ist es aus mit dem Traum. Der Verein „Golzheim aktiv“ hat sich aus dem Wettbewerb zurückgezogen. Denn es waren auch Klicks von Neonazis, mit denen die Golzheimer gewonnen hätten. Und die Rechten wollten nicht etwa die engagierten Dorfbewohner würdigen, sondern einen Sieg von deren Konkurrenten verhindern – des anti-rassistischen Aufklärungsprojekts „Endstation rechts“.
Distanzierung von rechtem Gedankengut
Die NPD hatte unter anderem auf ihrer offiziellen Facebook-Seite dazu aufgerufen, dem Projekt den Sieg zu vermasseln. „Den dauerbetroffenen Heulsusen von Endstation Rechts schnappen wir schön die Kohle weg“, hieß es. „Wählt alle: Interessengemeinschaft Golzheim aktiv“.
„Endstation rechts“ unterhält eine Internetplattform, um über Rechtsextremismus aufzuklären. Die Betreiber machen sich zudem mit dem eigenen Modelabel Storch Heinar über die in der rechten Szene beliebte Bekleidungsmarke Thor Steinar lustig. Mit dem Dorfverein hatte sich „Storch Heinar – Endstation rechts“ ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Publikumspreis geliefert, mit dem jährlich verdienstvolle Projekte im sozialen Bereich ausgezeichnet werden.
Der Dorfverein sah sich nun genötigt, sich neben dem Verzicht auf eine mögliche 10.000-Prämie von rechtsextremem Gedankengut zu distanzieren. In den Internetaufrufen der NPD war „Golzheim aktiv“ lobend als „heimatverbundenes Projekt“ bezeichnet worden. „Wir sind in keiner Weise ein politisch motivierter Verein“, heißt es in einer Erklärung des Vereins. Alleiniges Ziel sei es, das Leben im Dorf gemeinsam zu gestalten.
Warnung vor Nazis im Netz
Julian Barlen, Mitbegründer von „Endstation rechts“ und SPD-Abgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern, sieht in der NPD-Kampagne „ein Sinnbild dafür, wie umtriebig Rechtsextreme im sozialen Netz unterwegs sind.“ Der Aufruf sei von verschiedenen rechten Gruppierungen verbreitet worden. Es sei eine „Sauerei, ein ehrenwertes Projekt zu missbrauchen, um dem eigenen politischen Gegner Schaden zuzufügen", sagte Barlen.
Die derzeitige Online-Abstimmung läuft noch bis zum 1. November 2012. Sollte es erneut eine Kampagne für einen der weiteren Teilnehmer geben, um einen Sieg von „Storch Heinar – Endstation rechts“ zu verhindern, könnte die Frist auch verkürzt werden, teilte Hans Fleisch vom Bündnis für Gemeinnützigkeit mit. Das Bündnis ist der Träger des Deutschen Engagementpreises.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau