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Muslimischer SchützenkönigEnde der „peinlichen Posse“

Der türkischstämmige Mithat Gedik darf Schützenkönig bleiben. Dennoch sagt die Integrationsbeauftragte: „Ich dachte, wir wären gesellschaftlich schon viel weiter“.

Schützenbruder Mithat Gedik. Bild: dpa

DORTMUND/LEVERKUSEN afp | Nach dem Einlenken des zuständigen Dachverbands hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), Hoffnung auf ein Ende der „peinlichen Posse“ um einen muslimischen Schützenkönig im westfälischen Werl geäußert.

Özoguz begrüßte in den Ruhr Nachrichten vom Donnerstag grundsätzlich die Ankündigung des Bunds der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS), dem türkischstämmigen Mithat Gedik seinen Titel zu belassen. Sie bemängelte allerdings die Ansage, dass Gedik die „Ausübung eines Amts ab Bezirksebene“ verwehrt bleiben solle.

In den vergangenen Tagen hatte es Streit zwischen dem Dachverband und der Schützenbruderschaft Sönnern-Pröbsting aus Werl gegeben, weil diese den Muslim Gedik zum Schützenkönig gekürt hatte. Der Verband sah einen Verstoß gegen die Vereinssatzung, die eine Mitgliedschaft auf Christen beschränkt.

Am Mittwoch hatte der Verband beschlossen, „ausnahmsweise keine Einwände“ gegen Gediks „Königswürde in seiner Bruderschaft“ zu erheben. Der Vorstand begründete dies in einer Erklärung „als Ausdruck von Respekt und Integration gegenüber dem Schützenbruder“. Zugleich beharrte er aber darauf, dass dieser ein Amt auf Bezirksebene nicht ausüben dürfe.

„Geistige Gleichschaltung in Deutschland“ erzwingen

Der Verband verteidigte sich zugleich gegen Kritik: Das in Deutschland geltende Recht auf Religionsfreiheit bedeute auch, dass es erlaubt sei, sich in Gemeinschaften zusammenzuschließen, die christliche, muslimische, jüdische oder buddhistische Identitäten pflegten. Der BHDS sei eine explizit katholische Bruderschaft mit entsprechender Identität und enger Bindung zur katholischen Kirche. Die Mitgliedschaft von Nicht-Christen sei damit generell nicht vereinbar. Jene, die dies nicht akzeptierten, schienen „geistige Gleichschaltung in Deutschland“ erzwingen zu wollen.

Zugleich betonte der Verband, das „Recht auf eigene Identität“ dürfe nicht dazu führen, anderen Religionen ohne Respekt zu begegnen.

Özoguz äußerte sich derweil verwundert über den Fall. „Ich dachte, wir wären gesellschaftlich schon viel weiter“, sagte sie den Ruhr Nachrichten. Vergleichbare Debatten habe es zuletzt vor 15 Jahren gegeben. „Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in dem Schützenverein in Werl viel lebensnäher und moderner sind als ihr Dachverband.“

Zuvor hatte unter anderem auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, den Verband kritisiert und diesem eine „intolerante und diskriminierende Haltung“ vorgeworfen.

Es gibt in Deutschland verschiedene Schützenverbände. Der Bund der Historischen Schützenbruderschaften ist anders als andere ausdrücklich konfessionell orientiert. Seine Aktivitäten sind auf Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beschränkt, insbesondere die traditionell stark katholisch geprägten Regionen um Aachen und Köln.

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9 Kommentare

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  • Hauptsächlich geht es in diesen Vereinen um Schießen und Saufen. Ballern mit Waffen und exzessiver Alkohol-Konsum sind also "christliche Werte"? Gut zu wissen!!

     

    Der Dachverband sollte übrigens auch gleich mal alle Mitglieder auf ihre "Christlichkeit" überprüfen, denn darunter befinden sich nachweislich auch viele, die geschieden sind (aus Sicht der Kirche eine schwere Sünde und unvereinbar mit deren Werten). Und einige der Schützenbrüder sind sogar aus der Kirche ausgetreten! Das beweist also, das es dem Dachverband nie wirklich um das Christentum ging, sondern nur darum, einen "Ausländer" rauszuwerfen.

    • @tazzy:

      Ihre Argumente überzeugen nicht: Christen sind nicht Menschen, die nicht sündigen, sondern Menschen. die sich zum Christentum bekennen, egal ob sie deutsch, afrikanisch, türkisch, russisch oder sonstwas sind. Konfession heißt auf deutsch "Bekenntnis".

      Im übrigen: Die christlichen Kirchen werden sich freuen, das auch von vielen Nicht-Christen in der Schützenkönig-Diskussion das Wort "christlich" im Sinne von "mitmenschlich", "moralisch einwandfrei" "edel sei der Mensch hilfreich und gut", verwendet bzw eingefordert wird; is aber ein bisschen unfair gegenüber dem "unchristlichen" Rest der Weltbevölkerung.

  • Wie ist es eigentlich umgekehrt?

    Nehmen moslemische Vereine "Ungläubige" auf?

    • @Claus Brandstetter:

      Wollen Sie etwa relativieren?

  • Ja, so ist das. Vereine geben sich eine Satzung, um Gemeinnützigkeit, Steuerfreiheit und öffentliche Fördergelder zu erreichen. Wen kümmert es nach der Eintragung noch, was in der Satzung steht? Das eigentlich Peinliche ist doch, dass Herr Gediks als "integrierter" Schützenbruder jetzt eine einmalige Sonderstellung einnimmt. Nun könnte man ja die Satzung einfach auf Mitglieder anderer Konfessionen erweitern, aber genau das will man ja in einem konfessionsgebundenen Verein gerade nicht haben. Der Fall zeigt überdeutlich, dass konfessionelle Vereine weder rechtlich, noch gesellschaftspolitisch Sinn machen, weshalb man ihnen grundsätzlich auch die Gemeinnützigkeit verweigern sollte.

    • @Rainer B.:

      Gemeinnützigkeit heisst: "Die Körperschaft muss gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen." und "Alle Voraussetzungen ... müssen aus der Satzung ersichtlich sein." (Wikipedia)

      Das ist erfüllt, also ist die Bruderschaft gemeinnützig.

      btw: Es heisst "Sinn haben" nicht "Sinn machen". "Machen" tut man auf dem ....:-))

  • „Ich dachte, wir wären gesellschaftlich schon viel weiter“.

     

    Das scheint ein generelles Politikerproblem zu sein: Sie leben in einer Traumwelt, weit von den Realitäten entfernt.

    • @Ernst Tschernich:

      Manche Politiker leben nicht nur in einer Traumwelt, sie leiden auch an massiven Gedächtnisstörungen: Eine echte Trennung von Kirche und Staat ist in Deutschland doch unter anderem an der Feigheit der SPD gescheitert. Selbst die kleine FDP war, was das Thema "Abschaffen des Kirchsteuer-Einzuges über Arbeitgeber" angeht, mutiger (und hat schnell eins auf die Mütze bekommen).