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Mögliche Transfergesellschaft für SchleckerRausschmiss auf die sanfte Tour

Während einer Übergangszeit könnten Schlecker-Angestellte in einer Transfergesellschaft unterkommen. Der Vorteil: Sie werden nicht als „arbeitslos“ stigmatisiert.

„Den Laden oft alleine geschmissen“: Schlecker-Angestellte beim Protest. Bild: dpa

BERLIN taz | Die von Kündigung bedrohten Beschäftigten der Drogeriekette Schlecker haben Aussichten, für eine Übergangszeit wenigstens in einer Transfergesellschaft unterzukommen. Im Kampf für solche Gesellschaften hat Baden-Württemberg den übrigen Bundesländern einen konkreten Finanzierungsvorschlag unterbreitet. Schlecker hat seinen Hauptsitz in Baden-Württemberg.

Es gebe jetzt „eine Lösung, an der man arbeiten kann“, sagte ein Sprecher des Stuttgarter Finanzministeriums am Freitag. Seinen Angaben nach will Baden-Württemberg darauf hinwirken, dass die Länder gemeinsam die Risiken eines Überbrückungskredits für Schlecker bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übernehmen.

Mit dem Geld sollen Transfergesellschaften finanziert werden, die die MitarbeiterInnen für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten aufnehmen. In dieser Zeit können sie sich weiterqualifizieren und erhalten ein Transferkurzarbeitergeld von mindestens 67 Prozent beziehungsweise Kinderlose 60 Prozent des letzten Nettoarbeitsentgelts.

Das Transferkurzarbeitergeld wird von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt. Deswegen können auch nur solche Frauen in die Gesellschaft aufgenommen werden, die bei Schlecker sozialversicherungspflichtig und nicht in Minijobs beschäftigt waren. Dies sind rund 10.000 der von Kündigung bedrohten 12.000 Beschäftigten, bei Schlecker war der Anteil der MinijobberInnen vergleichsweise gering.

Zum Transferkurzarbeitergeld kommen noch die Sozialversicherungskosten, also die Krankenkassen- und Rentenbeiträge und die Managementkosten für Verwaltung und Räume, die von den Transfergesellschaften selbst zu tragen wären. Diese Kosten sollen zwischen 70 und 75 Millionen Euro liegen. Um die Finanzierung dieser Kosten geht es in der Debatte um einen Kredit, an dessen Risiko sich die Bundesländer beteiligen müssten.

Hoher Personalaufwand

Der Schlecker-Insolvenzverwalter drückt dabei aufs Gas. Am Samstag soll es in Kassel ein Treffen mit potenziellen Trägern solcher Gesellschaften geben, sagte Verdi-Verhandlungsführer Bernhard Franke. Franke geht davon aus, dass bundesweit zehn bis zwölf Transfergesellschaften gebraucht werden. Das müsse „flächendeckend mit hohem Personalaufwand gemacht werden“, so Franke.

Wenn die Schlecker-Frauen in einer Transfergesellschaft aufgenommen werden, erhalten sie von dieser einen eigenen auf maximal 12 Monate befristeten Vertrag. „Damit entgehen sie dem Stigma der Arbeitslosigkeit“, sagte Susanne Eikemeier, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit.

Unter den Schlecker-Beschäftigten gebe es viele Frauen, die keinen Berufsabschluss aufwiesen, erklärte Andreas Henke, Sprecher von Ver.di in Baden-Württemberg. „Das sind patente Frauen, die den Laden oft alleine geschmissen haben“, so Henke, „aber eine Schlecker-Beschäftigte kann man nicht sofort in der Dessous-Abteilung eines Kaufhauses einsetzen.“ Deswegen wären Qualifizierungsmaßnahmen für die Drogerie-Angestellten, wie sie eine Transfergesellschaft anbieten würde, sehr hilfreich.

Eine Transfergesellschaft bietet nur begrenzten Schutz: Nach spätestens zwölf Monaten ist Schluss. Haben die Frauen dann immer noch keinen Job gefunden, bekommen sie das Arbeitslosengeld, das ihnen auch jetzt schon zustünde. Das Transferkurzarbeitergeld wird darauf nicht angerechnet. Transfergesellschaften wurden auch in der Vergangenheit schon gegründet, um Entlassene temporär aufzunehmen, etwa von Opel oder Siemens.

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9 Kommentare

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  • S
    Schnittchen

    lieber Schreiber "von Schlecker",

    hast Du Dir eigendlich schon mal ernsthaft 1 Minute versucht vorzustellen wie es uns Schlecker- Verkäuferinnen wirklich geht ?

    Sicher gibt es Ausnahmen und unfreundliches Personal ( überall und zu jeder Zeit !)aberich möchte nicht wissen wie außerordentlich freundlich und ausgeglichen Du in unserer Situation wärst.

    Wir werden seit Monaten ver... rackern wie die blöden,können Nachts vor Zukunftsängsten nicht mehr

    schlafen - da fällt es einem nicht leicht ständig zu lächeln !!!!

    Aber es gibt auch andere Beispiele. Gestern brachte uns eine Kundin Blümchen vorbei und sagte uns wie sehr sie sich freue dass unser Laden bleibt.

     

    Das macht uns Mut !!

  • J
    Joewe

    @Der_Seher: Die MitarbeiterInnen bei Schlecker haben ihren Job getan. Hätten sie durch ihr Verhalten die Wertschöpfungskette (schönes, aber orwellsches Wort) unterbrochen, wären sie nie in diese Situation gekommen, sondern lange vorher wegen geschäftsschädigendens Verhaltens gekündigt worden.

     

    @Mein_Name: Leider. Wer immer mal arbeitslos war, gilt als Versager in unserer karriereorientierten Wirtschaftswelt. Dieses Effizienzstreben kotzt mich an. Ich schreibe dann lieber "Kindererziehungszeit" in meinen CV.

     

    Nun ich: Wie so oft büßen die Mitarbeiter für die Fehler des Managements. Natürlich muss den entlassenden Frauen geholfen werden, aber das Problem liegt tiefer. Oder glaubt jemand, dass Menschen mit guter (schulischer) Bildung freiwillig bei KiK, LiDL, Woolworth und Co arbeiten würden?

    Wenn die Konzerne, die groß genug sind, in Schwierigkeiten geraten, schreien sie nach Staatshilfe. Bestes Beispiel ist GM, erst Pleite, jetzt Rekordumsatz. Das ganze System ist verrottet. Lasst uns Brioche essen, Brot ist ja keines mehr da...

  • R
    robbyy

    Wäre Schlecker eine Bank, wäre er schon lange gerettet worden.

  • DS
    Der Seher

    Aha, da werden diese faulen Rumschlunzer, die durch ihr Nichtstun schon den Herrn Sch. an den Bettelstab gebracht haben, jetzt noch gepudert und gewickelt und im Rolls Royce aus dem Betrieb gefahren.

     

    Am besten gleich in Lager fahren und dort unterbringen. Lager weiter im Osten. Dort gilt noch der Grundsatz Arbeit macht warm. Die Temperaturen sind eine Motivationshilfe, den Hintern hochzubekommen.

  • M
    MeinName

    So, so - unverschuldete Arbeitslosigkeit wird also heutzutage selbst von der zuständigen Behörde als "Stigma" angesehen und die taz druckt sowas unkommentiert ab.

     

    Anstatt sich mal zu fragen, warum es eigentlich so ist, daß Arbeitslosigkeit inzwischen offenbar grundsätzlich mit individuellen Defiziten gleichgesetzt wird (was ja noch vor 20 Jahren keineswegs Konsens war), schafft man für die Entlassenen großer Unternehmen so genannte Transfergesellschaften, die den Sinkflug zum gesellschaftlichen Außenseiter etwas verzögern/abfedern. Wer dagegen das Pech hat, sich vor der Entlassung nicht bei einem großen Player verdingt zu haben, den trifft das seit Hartz IV von Schröder & Co. konstant beförderte Ressentiment des Faulen/Unflexiblen/Ungebildeten eben sofort mit voller Härte. Schließlich ist ja heute jeder selbst schuld wenn er arbeitslos wird und nach strukturellen Gründen wird nicht mehr gefragt.

     

    Anstatt sich in Zeiten sinkender Löhne, eines wachsenden Prekariats (und das nicht nur unter den schlecht Ausgebildeten) und angeblicher Jobwunder mit solchen - politisch gewollten - Ausgrenzungsprozessen intensiver auseinander zu setzen, druckt die taz aber lieber plumpe Regierungs-PR.

  • G
    Gerd

    Die sinnlose Neuwahl der Polit-Versager in NRW sollte abgesagt werden und das eingsparte Geld den Schlecker-Frauen zugute kommen!

  • AS
    Anton Schlecker

    Soeben beim Schleckerums Eck noch eingekauft. Personal überaus unhöflich und übel gelaunt und die Kundschaft beschimpfend und beleidigend gewesen - und - vor allem FÜNFUNDVIERZIG Minuten vor der offiziellen Schließzeit am Abend den Laden dicht gemacht. Der Kassenbon sollte für die von mir gekauften Waren wollte mir die Kassierin ebenfalls NICHT aushändigen!

    Nee, die im Schlecker bei mir ums Eck haben nicht mein Mitgefühl.

    Mich wundert es nicht, dass der Schlecker dicht gemacht wird.

    Anton Schlecker wird von mir über das Auftreten des Schlecker-Personals von heute abend hinreichend in Kenntnis gesetzt.

  • AM
    Auch Mini Sozial

    Auch Minijobber sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt und haben Ansprüche z.B. auf Lohnfortzahlung und Krankengeld.

  • P
    Perm

    Wie pevers muss eine Gesellschaft sein, die grundlos arbeitslos gewordene Menschen auch noch stigmatisiert.

    Ich könnte Kotzen!