Missbrauchsskandal in der Kirche: Proteste bei Amtseinführung
Er trat nach dem Missbrauchsskandal am Aloisiuskolleg in Bonn zurück - nun steht Theo Schneider einer Jesuitengemeinschaft in Göttingen vor. Dagegen gibt es Widerstand.
BERLIN taz | Ein "sehr vielgestaltiges und sogar dramatisches Ereignis" - mit diesen Worten aus der Webseite der Gemeinde ist tatsächlich beschreibbar, was am Sonntag in der Göttinger St.-Michael-Kirche vorgefallen ist: Der Jesuitenpater Theo Schneider (64) wurde bei einem Gottesdienst in sein Amt als Superior, eine Art Abt, seiner Ordensgemeinschaft eingeführt. Dagegen gab es im Kirchenschiff massive Proteste, ein Flugblatt wurde verlesen.
Der Vorwurf: Schneider habe in seiner vorherigen Funktion als Leiter des Jesuitengymnasiums Aloisiuskolleg in Bonn über Jahre die Missbrauchstaten eines Mitbruders und Freundes an Schülern geduldet, ja vertuscht. Der Beschuldigte lehnt eine Stellungnahme dazu ab.
Die Sozialpädagogin Katrin Raabe, die mit anderen vor der Kirche gegen Schneider protestierte, sagte, es sei nicht akzeptabel, dass ein Geistlicher, der "schon einmal in leitender Funktion versagt" habe, nun wieder eine solche Position innehabe. Laut einer Erklärung auf der Webseite der deutschen Jesuiten übernimmt Schneider "seelsorgliche Aufgaben in der Pfarrgemeinde".
"Mitwisserschaft und Führungsversagen"
Schneider war im Februar 2010 als Rektor des Aloisiuskollegs zurückgetreten, nachdem infolge des Missbrauchsskandals Strafanzeige gegen ihn gestellt worden war. In Schneiders Zeit am Kolleg hatte es einem unabhängigen Gutachten zufolge über 30 Fälle (sexueller) Übergriffe, Grenzverletzungen und Entwürdigungen gegeben.
Matthias Katsch von der Opfervereinigung "Eckiger Tisch" kritisierte hinsichtlich Schneider "Mitwisserschaft und Führungsversagen". Seit etwa anderthalb Jahren verschließe sich Schneider einem Gespräch mit Vertretern des "Eckigen Tisches": "Mit so einer Schweigemauer kann man nicht umgehen."
Der Pfarrer der Gemeinde, der Jesuit Manfred Hösl, sagte der taz, seine Kommunität begrüße den Amtsantritt Schneiders: "Ich habe ihn als einen netten, zugänglichen Menschen erlebt. Ich freue mich auf Pater Schneider." Der Geistliche unterstrich zugleich: "Zwischen der Leitung einer Gemeinde, einer Schule oder einer Gemeinschaft von sieben Männern ist ein großer Unterschied." Sein Mitbruder Schneider verweigere sich "nicht prinzipiell einem Gespräch".
"Er war und ist kein Missbrauchstäter", sagte Hösl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod