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Merkel fordert mehr MultikultiKanzlerin übt Integration

Ein Jahr nach dem Start der Sarrazin-Debatte geht die Kanzlerin deutlich auf Distanz zu dessen Thesen. Für sie ist Multikulti nun plötzlich doch nicht mehr gescheitert.

Wer ist hier besser integriert? Thilo Sarrazin auf einem Markt in Kreuzberg. Bild: dpa

BERLIN taz | Deutschland schafft sich nicht ab, im Gegenteil: "Wir sind auf einem guten Weg", befand Angela Merkel am Donnerstag in einer Rede zum Stand der Integration in Deutschland.

Den mehr als 500 Gästen, die zum "Tag der Konrad-Adenauer-Stiftung" in Berlin gekommen waren, gab die Kanzlerin sogar Tipps, was jeder zu einem verbesserten Zusammenleben beitragen könne. "Man sollte mal überlegen, wie viele Migrantinnen und Migranten man persönlich kennt, was man von deren Problemen weiß und wie man vielleicht neue Freundschaften schließen kann", regte sie an.

Das waren ganz andere Töne als noch vor knapp einem Jahr, als Angela Merkel "Multikulti" für "gescheitert" erklärt hatte. Auch wenn Sarrazins Name nicht fiel, so ging Merkel doch indirekt mehrmals auf dessen Thesen ein - etwa als sie bemerkte, man dürfe Zuwanderung "nicht rein mathematisch" betrachten, und sich gegen das "Schlechtmachen einer ganzen Gruppe" wandte. Solche klaren Worte hätten sich manche im Saal schon früher von ihr gewünscht.

Bemerkenswert waren dabei nicht nur die Anerkennung der Gastarbeiter der ersten Stunde, denen sie "ein ganz herzliches Dankeschön" für deren Leistung aussprach, und für den "unermesslichen Beitrag" der Gewerkschaften für die Integration. Auch das Thema Diskriminierungen sparte sie nicht aus: es sei eine Tatsache, dass jugendliche Migranten "öfters von der Polizei kontrolliert" würden als andere.

Multikulti ist Realität

Bemerkenswert war auch, dass sie ihre Haltung nicht nur rein pragmatisch mit der Notwendigkeit begründete, die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik zu sichern: inzwischen habe knapp jeder Fünfte - insgesamt 16 Millionen Menschen - in Deutschland ausländische Wurzeln, als Volkspartei müsse man "diese Realität zur Kenntnis nehmen".

Sie betonte vor allem das "christliche Verständnis der Menschenwürde", das eine Ausgrenzung anderer verbiete. "Wir haben nicht zu viel Islam, sondern vielleicht zu wenig Bewusstsein über das Christentum", schloss sie daraus.

Als konkrete Ziele ihrer Partei für die nächsten Jahre nannte Merkel, die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse voranzutreiben und die Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte steigern zu wollen - die Bundesrepublik stehe leider nicht gerade im Ruf, "am weltoffensten" zu sein.

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6 Kommentare

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  • A
    adnan

    Was soll das? Mein lieber Scholli!!! Mal so und Mal so!

    Die hat keine eigene Meinung und weht mit dem Wind!!! Trotzdem finde ich endlich Okay, dass sie den falschen und irren Weg aufgab!

  • H
    Hafize

    Wenn die Bundeskanzlerin mal so und mal so spricht und argumentiert, bestärkt sie nur die Ungewissheit und sorgt für weitere Auflage bei Thilo Sarrazin.

     

    Das echte Problem liegt auch darin, dass Sarrazin mit seinem Müll praktisch in der SPD legalisiert und damit in die Mitte der bürgerlichen Parteien integriert wurde. Nur ein deutlicher Rausschmiss und ein klares Bekenntnis zu einer liberalen und offenen Gesellschaft von Angela Merkel und SPD wären konsequent gewesen.

    Aber gerade an dem Punkt haben sie gekniffen und damit auch für eine Migranten-feindliche Stimmung gesorgt.

     

    Inzwischen mischt Thilo Sarrazin ja wieder in der Berliner SPD mit und bedenkt dort Neukölln mit 5000 EURO, wofür, warum - weiß eigentlich auch niemand. Sein Vermögen speist sich ja aus seinem verwirrten NPD-Bestseller - wohl kaum eine Wahlempfehlung für die SPD ...

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Diese Augenwischerei mit: "was stört mich mein Geschwätz von gestern" als Wahlkampfhilfe sollte die zu recht nachhaltigst getroffen Migranten in Berlin und anderswo keine Sekunde tüschen.

     

    Offensichtlich ist der Wahrheitsgehalt der Aussagen userer Kanzlerin, einer der mächtigsten Frauen der Welt, rein taktisch politisch bestimmt.

     

    Als Stimmvieh werden Migranten denn doch gebraucht. Daher die Meinungswechsel zum Scheitern von MultiKulti.

     

    Sind die Stimmen einmal eingefahren und ausgezählt, machen sie und die andern Hartz IV Parteien doch, was die große Wirtschaft will.

     

    Und während der Regierungszeit wird dann soviel reaktionärer Schaden angerichtet, am schlimmsten dauerhaft in die Verfassungen, wie nur möglich.

     

    In der Religion hat sie in der Islamkonfernz einen reaktionären Hardliner, der sogar hinter den Toleranzanforderugnen von Bundespäsident Wulff zurückgeht, bestimmt und eine christliche Dominanz hier "predigt".

     

    Forderungen, die Besitzverhältnisse zugunsten der Masse der Menscen zu ordnen in den großen arabischen Umwälzungen sind ihr ebenso fremd wie die Deeskalation der Kurden- und Palestinänserkonflikte.

     

    Das sind viele deutsche Waffen dabei, bei dem Töten, von CUU Regierungen genehmigt.

  • S
    sahra-wagenknecht@t-online.de

    Unsere Frau Merkel heischt um das Wohlwollen der linken Parteien und Medien, um auf schonung zu hoffen in ihrer Euro-Politik . Was sie wirklich denkt weiß niemand . Sie ist ein rein taktischer Mensch, getrieben von der eigenen Vison EUROPA-Kanzlerin zu sein . Helmut : Kanzler der Einheit , Angele : EUROPA .

  • F
    Faisal

    Was für eine Opportunistin!

  • I
    Ilmtalkelly

    Das käme für Merkel einem Paradigmenwechsel gleich. Doch so viel Kreide muss sie nun doch nicht fressen, der böse Sarrazin hat dem Rotkäppchen die Großmutter ordentlich zurecht geschminkt.