piwik no script img

Meningitiswelle in den USADer Tod kommt mit Schmerzmittel

Mindestens 14 Menschen sind durch ein kontaminiertes Schmerzmittel an Hirnhautentzündung gestorben. 30.000 Menschen haben das Medikament bekommen.

Eine Patientenprobe mit Rückenmarksflüssigkeit wird für den Versand fertig gemacht. Bild: dpa

NEW YORK dpa | Für Lilian und George Cary sollte die Spritze endlich Linderung bringen. Beide litten schon lange unter starken Schmerzen im Rücken und eine Injektion im Bereich des Rückenmarks versprach Hilfe. In der Tat ging es dem 65-Jährigen und seiner zwei Jahre älteren Frau besser, doch bald traten Komplikationen auf. Am 30. September, fast zwei Monate nach der ersten Spritze, starb Lilian. Sie ist eines von mehr als einem Dutzend Opfern einer Meningitiswelle in den USA. Deren Ursache: Ein verunreinigtes Medikament.

Das Schmerzmittel, um das es sich handelt, ist ein Steroid. „Ein Unternehmen in Boston hat es an 75 Einrichtungen in 23 Staaten geliefert“, sagt Curtis Allen von der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC).

Spuren zweier Pilze haben seine Kollegen inzwischen bei Patienten nachgewiesen. „Mehr als 30 000 Menschen haben die Arznei bekommen. Und es kann jeden treffen.“

Muss es aber nicht, sagt William Schaffner von der Vanderbilt Universität in Nashville. „Von 100 Patienten, die das verunreinigte Mittel bekommen haben, werden weniger als fünf tatsächlich krank“, sagt der Professor und Meningitis-Experte.

Und in der Tat, bei Lilian Carys Mann George sind noch immer keine Symptome aufgetreten. „Aber wir können die Dimension dieses Problems gar nicht hoch genug einschätzen“, warnt Schaffner. „Denn die Mortalität liegt bei etwa zehn Prozent.“ Wenn das zutrifft, müssten die USA bei 36 000 Menschen, die das Mittel bekommen haben, mit fast 200 Toten rechnen.

Bakterien im Rückenmark

„Es kann jeden treffen. Wer das Mittel bekommen hat, sollte unbedingt zum Arzt gehen“, mahnt CDC-Mitarbeiter Allen. Früh behandelt sind die Heilungschancen zwar gut, aber die von den Pilzen verursachte Hirnhautentzündung ist heimtückisch und tarnt sich mit Fieber und Unwohlsein wie eine Erkältung oder Grippe.

Später kommen Lähmungen dazu, die an einen Schlaganfall erinnern. Doch letztlich sind es die Bakterien im Rückenmark, die den Tod herbeiführen können.

„Unser Verlust und der anderer Familien sollte ein Weckruf für unser Land sein“, sagt George Cary der Detroit Free Press. Denn die Regierung plane, sagt er, die Kontrollen für Medikamente aufzuweichen. „Da ist ganz kräftig etwas falsch gelaufen“, schimpft auch Schaffner. Der Zulieferer habe bei der Qualitäts- und Hygienekontrolle „ein paar Abkürzungen genommen“.

Untersuchung gefordert

Das Problem stecke aber auch im System der Einrichtungen, die Medikamente verschiedener Hersteller mischen und verändern. „Das hat man durchaus auch aus Kostengründen gemacht. Und wir sehen jetzt, dass es manchmal funktioniert – aber manchmal eben nicht.“ Schaffner fordert sogar eine Untersuchung des Kongresses.

Am stärksten hat es Tennessee getroffen – Schaffners Heimatstaat. Fast die Hälfte aller Fälle – sowohl der Erkrankten als auch der Toten – wurden in dem Südstaat gemeldet. Mit einer Infektion sei das nicht zu erklären. „Ich arbeite seit 40 Jahren an der Meningitis und eine solche Form habe ich noch nie gesehen. Aber zumindest ist sie nicht ansteckend“, sagt der Arzt.

Wer die Krankheit bekam, bekam sie per Injektion, meint er. „Wir haben von der Firma eine ziemlich große Lieferung nach Tennessee bekommen“, sagt Schaffner. „s fällt mir schwer, das zu sagen. Aber wir hatten einfach Pech.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • MK
    Michael K.

    Schlimme Sache für die Betroffenen, klar. Aber 200 Tote - da sind ja mehr Leute an aus natürlichen Umständen gestorben während Sie diesen Kommentar gelesen haben. Alles halb so wild bis jetzt.

  • I
    Ina

    Mortalität wird ausgedrückt in Prozent der Erkrankten, d.h. von den 36.000 erkranken 5 % (stand glaub ich irgendwo im Text) und von diesen 5 % sterben 10 %. Trotzdem eine sehr hohe Rate.

     

    Was mich mehr stört, ist die Bildunterschrift: Gemeint ist sicherlich nicht "Rückenmarksflüssigkeit", sondern "Nervenflüssigkeit" , Liquor in der Fachsprache. Das Rückenmark sollte bei der Entnahme nicht getroffen werden!

  • R
    Ruba

    @Jab

    „Von 100 Patienten, die das verunreinigte Mittel bekommen haben, werden weniger als fünf tatsächlich krank“

     

    Also, von 36.000 Personen mit erhaltener Injektion erkranken 5% (knapp 2000 Leute). Die Mortalität bezieht sich dann auf diese tatsächlich Erkrankten.

  • I
    ImmerNurWollen

    Hier die Rechnung/Aufklärung zu den ca. 200 zu erwatenen Todesfällen.

     

    Weiter oben im Artikel stand: "„Von 100 Patienten, die das verunreinigte Mittel bekommen haben, werden weniger als fünf tatsächlich krank“, sagt der Professor und Meningitis-Experte."

     

    Daher:

    5% von 36000 Patienten = 1800 Erkrankunen

    10% von 1800 Erkrankungen = 180 Todesfälle

     

    Und wenn eniger als 5% krank werden, dann liegt das sogar eher nur darunter.

  • M
    mathe

    5% erkranken = 1800

    10% davon sterben = 180

     

    gelöst.

  • PL
    Peter L.

    Naja, das heißt einfach, dass Sie nicht richtig lesen. Beachten Sie doch den Satz: „Von 100 Patienten, die das verunreinigte Mittel bekommen haben, werden weniger als fünf tatsächlich krank“. Und von diesen 5 sterben etwa 10%.

    Die komplette Rechnung lautet also:

    36000*0,05*0,1=180

  • AH
    aber hallo!

    @ von Jab

     

    Es empfiehlt sich beim Lesen auch zu denken.

     

    Es erkranken 5 von 100 sagt der Text, bei 36000 Personen, die das Medikament erhalten haben erkranken als 1800 (36000 geteilt durch 100 multipliziert mit 5)

     

    Wenn von diesen 1800 10% versterben, so sind dieses 180. Dieses ist doch verdammt nahe an 200, oder etwa nicht?

  • T
    tageslicht

    "„Von 100 Patienten, die das verunreinigte Mittel bekommen haben, werden weniger als fünf tatsächlich krank“, sagt der Professor und Meningitis-Experte."

     

    5% von 36.000 = 1800

    10% von 1.800 = 180

     

    Aber ich gebe Ihnen Recht, ist nicht wirklich klar geschrieben.

  • J
    Jab

    >> Denn die Mortalität liegt bei etwa zehn Prozent.“ Wenn das zutrifft, müssten die USA bei 36 000 Menschen, die das Mittel bekommen haben, mit fast 200 Toten rechnen.