Libysche Wüstenstadt Bani Walid: "Diese Leute sind nicht ernstzunehmen"
50 schwerbewaffnete Gaddafi-Getreue befinden sich noch in Bani Walid – nun soll angegriffen werden. Gleichzeitig fordert einer der Truppenführer eine Entschuldigung in der Geheimdienst-Affäre.
TSCHITSCHAN afp | Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine friedliche Übergabe von Bani Walid steht ein Angriff auf die libysche Wüstenstadt möglicherweise kurz bevor. Verhandlungsführer Abdallah Kenschil sagte am Sonntag, die Gespräche unter Vermittlung von Stammesführern seien beendet worden und würden auch nicht wieder aufgenommen. Ein Kommandeur der Truppen der neuen Führung übte indes Kritik an den USA und Großbritannien.
Vertreter der neuen Führung hatten tagelang versucht, die Kämpfer an der Seite des langjährigen Machthabers Muammar el Gaddafi in Bani Walid zum Aufgeben zu bewegen. Die Gaddafi-Gegner betonten, sie wollten eine friedliche Übergabe erreichen. Am Sonntagabend erklärte Kenschil die Verhandlungen dann für gescheitert. Gaddafi-Getreue hätten gefordert, dass die Vertreter der neuen Führung unbewaffnet nach Bani Walid kämen, was wegen einer möglichen Falle eines åHinterhalts aber abgelehnt worden sei.
Den Gaddafi-Getreuen in Bani Walid sei zuvor versichert worden, dass sie fair behandelt würden, wenn sie sich ergäben, sagte Kenschil. Er schätzte die Zahl der "schwerbewaffneten" Kämpfer in der Wüstenstadt auf bis zu 50. Auf die Frage, ob die Gaddafi-Gegner die Stadt nun angreifen würden, sagte Kenschil, er überlasse es dem Kommandeur der Kämpfer, "mit dem Problem umzugehen". Er als Verhandlungsführer habe "nichts weiter anzubieten".
Hochburg des Gaddafi-treuen Warfalla-Stammes
Bani Walid ist eine Hochburg des mächtigen Warfalla-Stammes, der Gaddafi die Treue hält. Kenschil sagte, "Gaddafi, seine Söhne und viele Vertraute" seien in Bani Walid gewesen. Viele seien entkommen, doch die Söhne Saadi und Mutassim seien noch immer in der rund 180 Kilometer südöstlich von Tripolis gelegenen Stadt. Auch Gaddafis früherer Sprecher Mussa Ibrahim halte sich noch dort auf. "Sie wollen die Stadt als ihre Festung nutzen."
Bereits zuvor hatte der Kommandeur des Kontrollpostens Tschitschan rund 70 Kilometer nördlich von Bani Walid die Gespräche für beendet erklärt. "Diese Leute sind nicht ernstzunehmen", sagte Mohammed el Fassi. "Sie haben uns zweimal versprochen, aufzugeben – und diese Versprechen nicht eingehalten." Die Kämpfer würden sich jetzt auf einen Angriff vorbereiten.
Abdel Hakim Belhadsch, Anführer der Truppen der neuen Führung, forderte am Sonntag in der BBC unterdessen eine Entschuldigung aus Washington und London, nachdem bekanntgeworden war, dass die Geheimdienste der Länder bei seiner Festnahme geholfen haben sollen. "Was mir passiert ist, war illegal und verdient eine Entschuldigung." Der Zeitung The Guardian sagte Belhadsch, er erwäge Klagen gegen beide Länder.
Britische und US-Geheimdienste
Am Wochenende war bekanntgeworden, dass der US-Geheimdienst CIA sowie die britischen Behörden Libyen bei der Gefangennahme und Überstellung Belhadschs ihre Hilfe angeboten haben sollen. Der Oppositionelle war 2004 in Bangkok gefasst und nach Libyen gebracht worden. Dort saß er nach eigenen Angaben sieben Jahre im Gefängnis und wurde "regelmäßig gefoltert".
Den Bewohnern von Tripolis versprach die neue Führung, dass ihre Stadt "in den kommenden Tagen" wieder an die Trinkwasserversorgung angeschlossen sein werde. Ein Militärsprecher des Übergangsrats, Ahmed Bani, sagte, die Kämpfer der Gaddafi-Gegner hätten die Kontrolle über den Großteil der wichtigen Versorgungsleitung erlangt, durch die Grundwasser aus der Wüste in den Norden transportiert wird. Bei einem Großteil der Hauptstadtbewohner fließt seit Tagen kein Wasser mehr aus der Leitung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich