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Länderspiel Deutschland-SchwedenVorne hui, hinten pfui

In der 60. Minute führte Deutschland noch 4:0 gegen Schweden. Dann fiel die DFB-Mannschaft auseinander und das Spiel endete unentschieden.

„So etwas noch nie erlebt“: Bastian Schweinsteiger nach dem Spiel. Bild: dpa

BERLIN dpa | Unfassbar, so etwas gab es noch nie: Nach einer Galastunde hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen Schweden noch einen 4:0-Vorsprung verschenkt. Im Hochgefühl von 60 brillanten Minuten leistete sich das Team von Bundestrainer Joachim Löw am Dienstag in Berlin in der zweiten Halbzeit gleich mehrere unglaubliche Abwehrschnitzer und kassierte noch vier Gegentore.

Eine so deutliche Führung hatte eine deutsche Elf noch nie in der Länderspielgeschichte verspielt. So reichten die Tore von Miroslav Klose (8. Minute/15.), dem jetzt nur noch ein Treffer zum nationalen Rekord von Gerd Müller fehlt, sowie Per Mertesacker (39.) und Mesut Özil (56.) nur zu einem 4:4 (3:0).

Mit nun 10 Punkten bleibt die DFB-Auswahl in der WM-Qualifikationsgruppe C Spitzenreiter. Die Serie von 13 Siegen in Qualifikationsspielen ist jedoch gerissen. Dafür sorgten vor 72 369 Zuschauern im Olympiastadion Superstar Zlatan Ibrahimovic (62.), Mikael Lustig (64.), Johan Elmander (76.) und Rasmus Elm (90.+3) mit den Toren für die Schweden.

„Dass wir uns so aus dem Rhythmus bringen lassen, hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Wir haben alles vermissen lassen“, befand Coach Löw. In der Kabine sei es „totenstill“ gewesen, alle seien sprachlos, berichtete der Bundestrainer. „Das darf einer Spitzenmannschaft nicht passieren“, urteilte Kapitän Philipp Lahm ernüchtert. Bastian Schweinsteiger fand es „unerklärlich. Ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte der Bayern-Profi und meinte: „Jeder hat ein Stück zu wenig gemacht.“

Die Schweden konnten es auch kaum fassen. „Als Spieler ist das eine der allergrößten Sachen, die ich erlebt habe“, bekannte Ibrahimovic. „Aus der Halbzeit sind bei uns elf andere Spieler gekommen.“ Nationaltrainer Erik Hamrén schwärmte: „Wir haben eine Wahnsinnsmoral gezeigt. Ich bin stolz auf meine Spieler.“

Vor der Partie hatte der Bundestrainer zwei Umstellungen vornehmen müssen, weil Sami Khedira wegen einer Oberschenkelblessur ebenso passen musste wie der am linken Fuß verletzte Marcel Schmelzer. Für Khedira rückte Kroos ins zentrale Mittelfeld neben Schweinsteiger. Für Schmelzer spielte Lahm, der nach seiner Gelbsperre wieder dabei war, einmal mehr auf der linken statt auf der rechten Abwehrseite.

Mutig, offensiv, attraktiv

Im Blickpunkt aber stand erst einmal Klose. Nachdem Thomas Müller in der 2. Minute noch aus Nahdistanz an Schweden-Keeper Andreas Isaksson und am Pfosten gescheitert war, machte es Klose sechs Minuten später besser. Der erneut kaum zu bremsende Marco Reus legte maßgerecht auf, Klose donnerte die Kugel mit links aus neun Metern ins kurze Eck. Kurz darauf war der Routinier nur noch einen Treffer von Gerd Müllers Fabelrekord entfernt. Nach doppeltem Doppelpass erwischte Reus den Ball noch vor der Torauslinie, fand Klose – und der überwand Isaksson im Nachschuss. Es war sein 14. Doppelpack im Nationaltrikot.

Mutig, offensiv, attraktiv – das DFB-Team begeisterte. Reus, der im nächsten Qualifikationsspiel in Kasachstan gelbgesperrt ist, und Özil entzauberten die Schweden in Hälfte eins. Die Gäste dagegen wirkten in dieser Phase überfordert. So hatte Innenverteidiger Mertesacker sogar Zeit für sein zweites Länderspieltor nach sieben Jahren Pause. Wieder kam die Flanke von Reus, Müller legte per Kopf zurück und die Abwehrlatte vom FC Arsenal versenkte den Ball per Direktabnahme – 3:0.

Als Özil nach Müllers flach ins rechte Eck traf, schien die Partie gelaufen. Dann allerdings verloren die Hausherren im Gefühl des sicheren Sieges völlig den Faden. Zunächst fand die Flanke des eingewechselten Kim Källström den Kopf des bis dahin blassen Ibrahimovic, der Manuel Neuer keine Chance ließ. Dann verschätzte sich Holger Badstuber erneut bei einem langen Ball von Källström, diesmal vollstreckte Lustig.

Plötzlich wirkte die Defensive der Deutschen anfällig, die Schweden witterten unverhofft ihre Chance auf ein sensationelles Comeback. Elmanders Anschlusstor sorgte dann für ganz bange Schlussminuten. Als Länderspiel-Neuling Tobias Sana in der 85. Minute Neuer den Ball aus den Händen spitzelte, schien der Ausgleich schon besiegelt. Doch der Joker schoss über das leere Tor. Dann bestrafte Elm die Deutschen brutal. Dann war Schluss. „Wir sind jetzt wahnsinnig enttäuscht, aber das wird uns nicht aus der Bahn werfen“, sagte Löw.

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18 Kommentare

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  • H
    hansjörg

    1/3 der zuschauer kann einen fussball nicht von einem baskettball unterscheiden und verlangt immer nur glanzvolle siege, ohne zu merken, dass unsere kicker eben keine weltklasse sind. so ist es eben auch.

  • HG
    hansjörg g.

    solange keiner einsehen will, dass es auf der welt bessere fussballer gibt und deutschland nicht em oder wm werden muss, sondern ev werden kann, wird es immer wieder sogenannte enttäuschungen geben. tv presse etc. sind mit ihrer dauerenden lobhuddelei an diesem zustand mitschuld. selbstvertrauen ist gut, sollte aber realistisch sein. als früher deutschland wm em wurde, ist nicht schon 2 jahre vorher, bei jedem einigermassen gelungen spiel der kommende titelgewinn ausgerufen worden. die erwartungen der zum grossteil nicht wirklich fussballkundigen tv zuschauer sind einfach zu hoch.

  • K
    Klaus

    An Ingo:

     

    Welche internationalen Titel haben Frings und Ballack geholt ? Habe ich da etwas verpasst ?

     

    Ach ja, Frings hat den Intertoto Cup 1998 mit Werder Bremen geholt und Ballack......

  • FL
    Frank Leipold

    Das Kollektiv hat versagt, kein Einzelspieler, den Trainer blossgestellt, desauoviert. Die Schweden zum Kollektiv gefunden, den Trainer bestätigt.

  • MT
    Major Tom

    Was, wenn das ein schwedischer Plan war?

     

    "Lasst die Deutschen 60 Minuten machen was sie wollen und dann legen wir los. Der Überraschungsmoment darüber führt zu dem ersten Gegentor, die Verwunderung darüber zu dem zweiten Tor, das dann einsetzende Durcheinander zu dem dritten und dann kommt von ganz alleine die Angst... so machen wir das 4. Tor."

     

    Das war die Anweisung vom schwedischen Trainer.

     

    Und wenn er damit das nächste Mal 5 Minuten eher anfängt, dann reicht es auch noch zu einem Sieg.

     

    Die deutsche Mannschaft wird künftig von Anfang an mit der Angst im Nacken spielen: wenn ein 4:0 in der 60. Minute im eigenen Stadion nicht mehr reicht - ja was denn dann?

  • JP
    John Proby

    Es ist eine Feststellung............

     

    der Abend begann mit den hochmütigen Worten des Fussballmoderators und seiner Wortsteigerung bis zur

    " dummen" Aussage, die schwedische Mannschaft sie eine B-Mannschaft. Den Typen möchte ich nicht mehr hören, ich hatte auch den Ton aus. An dieser Stelle danke ich, als Gebührenzahler, der ARD für die Moderatoren-Fachleistung.Super.

     

    Und nun mal Butter bei den Fischen. Jetzt meckern alle mal rum und lassen ihren Kommentar ab. Was soll das? Ok, 4:0 geführt und dann voll gepennt. Na und? Seid ihr alle perfekt. Macht es doch in eurem Job besser. Oder macht es bei den Wahlen besser. Ich kann dieses Volksgemecker hinter dem Sofa nicht mehr lesen.

    Habt ihr den noch einen Arsch in der Hose? Nein. Drum laufen andere Sachen im Lande falsch. Der Fusssball ist nur euer Ventil zum Ablassen.

     

    J.Proby schreibt

  • HW
    Heiz Werner Kuhns

    Dieses Team wird keinen großen Titel gewinnen, da das was den deutschen Fußball einmal stark gemacht verloren gegangen ist. Atribute wie unbedingter Einsatzwille in Verbindung mit überlegener Kondition, Karakter- und Nervenstärke sind abhanden gekommen in entscheidenden Situationen aber unabdinglich. Nur mit unbestritten vorhandenen, teilweise überagenden spielerischen Elementen wird man in keinem Sport Meister,auch nicht im Fußball. Zu dem Eingangs erwähnten Fazit komme ich, weil außer evtl. der Kondition nichts von den fehlenden Eigenschaften durch Training wesentlich zu verbessern ist.

  • T
    T.V.

    Das ist doch unlustig, wann kommt Yücel aus dem Urlaub wieder?

  • S
    Sebastian73

    Bislang hat es mich immer etwas geärgert, wenn in italienischer Presse hämisch von den arroganten Deutschen die Rede war, die man wieder einmal besiegt habe. Allerdings glaube ich, sie hatte Recht. Wenn eine solch talentierte Mannschaft so einen Murks produziert, kann dies nur daran liegen, dass sie vor lauter Hochmut nicht mehr läuft und dann schließlich, wenn es dann noch einmal brenzlich wird, den Schalter nicht mehr umlegen kann. Davon abgesehen war das von der schwedischen Mannschaft großartig, wie sie nach einem vier-Tore- Rückstand "die arroganten Deutschen fast noch vom Platz fegten." Bravo.

     

    PS: Übrigens war dies die schlechsteste Torwartleistung, die ich je in einem Länderspiel sah. Erinnert mich irgendwie an ein Spiel Deutschland gegen Argentinien 2010 als ein Torwart mehrfach den Ball nicht fangen konnte und der nur durch Glück immer einen eigenen Spieler und nicht den Gegner erreichte. Livekommentar BBC: "Uch, an Neuer ist starting to worry the german bench." Tja, solche Aussetzer sind bei ihm nicht mehr einmalig und man muss sich schon fragen, ob einige fantastische Spiele solche Hin- und Wiederkatastrophen aufwiegen.

  • I
    Ingo

    Tja, Lahm, einer Spitzenmannschaft wäre das wohl nicht passiert. Aber das seid Ihr nicht. Nicht in der DFB-Elf, nicht bei Bayern. Eine Spitzenmannschaft hat nicht Lahm als Chef und verliert nicht das Finale dahoam. Eine Spitzenmannschaft muß auch nicht behaupten "immer noch die beste Mannschaft in Deutschland" zu sein, nachdem man gerade Pokal und Meisterschaft sowie die letzten 5 Spiele gegen Dortmung verloren hat. Eine Spitzenmannschaft belegt mit Titeln, daß sie eine Spitzenmannschaft ist.

     

    Nee, nee... mit Lahm als Kapitänchen und Löw als Trainer wird das nie was. Hoffe, daß beide bald in ihren Funktionen abgelöst werden! Schade, daß die Erä Löw so lange gedauert hat, daß Frings und Ballack inzwischen zu alt sind.

     

    Schon auffällig, daß bei 7 Bayern auf dem Platz ausgerechnet 3 von den NICHT-Bayern-Spielern die Tore schießen und der 4. die meisten Vorlagen gibt.

     

    Ach so: Ich hab nicht generell etwas gegen Bayern-Spiele, aber dieser uneinsichtige Trotz nach zwei verlorenen Meisterschaften spricht nicht für die derzeitige Generation.

  • RS
    Rene Sieg

    Die hervorragende Mannschaft hat dem Bundesschal gezeigt, was sie von ihm halten.

    Endlich mal reagieren und feuern.

  • RK
    Reinhart Klier

    Wo sind die Fachleute die Herrn Loew klarmachen das man international nicht mit sechs Offensivkräften antreten kann? Schweinsteiger und Kroos im devensiven Mittelfeld sind ein Witz. So muß die Abwehr ins Schwimmen kommen, sobald die Mannschaft nicht auf "Pressing" spielen kann. Mit Loewscher Strategie kann man keine Titel gewinnen. Also Ihr Fachleute: seit mutig, sprecht endlich Klartext und reduziet Euch nicht auf Nebensächlichkeiten wie Nationalhymne oder fehlenden Leitwolf.

  • W
    Wöhrstein

    Selbst nach einem 4:0 sollte man den Gegner nie unterschätzen!

    Macht man das, dann geht dies meistens in die Hose.

    Aber diese Weisheit sollten eigentlich unsere erfahrenen Spieler wissen.

    Am Schluss sahen alle wie Anfänger aus und niemand dachte an den Leitspruch von Sepp Herberger.

    Ein Spiel dauert 90 Minuten & Nachspielzeit.....und nicht nur 60 Minuten.

    Die Schweden merkten schnell dass wir sie nach dem 4:0

    unterschätzten....das war dann auch ihre Chance, die Sie nutzten....(auch unter Mithilfe des Schiedsrichters)

  • W
    Wüstenratte

    Sag ich doch überkandidelte DFB-Rasenlatscher. Wie wärs mit einem "Oooh" Herr Löw? Am besten wäre eine Gegentorstrafe in Höhe von mindest 5000€ pro Tor und "Spieler". Deutschland 6 setzen! Schweden 2* für Kampfgeist.

  • K
    kroete

    Auch beim Männerfußball gilt:Schön sein, reicht nicht!

    Oder hatten die grazilen Elfen nach 60 Minuten schon den Schlusspfiff gehört, während die Mannen um "Satan" Ibrahimonvic zum Halali bliesen.

    Es ist wohl Jogis Schicksal, am Ende einfach keinen Blumentopft zu gewinnen.

  • S
    Senni

    Dieser Mannschaft fehlt ein Führungspieler wie Loddar, Effenberg, Kahn usw. der auch mal das Maul aufreißt. Diese Mannschaft von Nuttela-Bubis wird keinen Titel holen, Löw eingeschlossen. Wer nicht ins harmonische Bild paßt wurde rausgemobt...........

  • H
    Hamunu

    Kurz vor dem Clo ist auch in die Hose....eine Spezialität von J.Löw ....

  • M
    menschenfreund

    Wie beknackt kann man eigentlich sein?

    Wie sagt der Volksmund: "Hochmut kommt vor dem Fall!"

    Sie haben es verdient - die Schweden - und die deutschen erst recht!