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Kubanische Oppositionelle freigelassenBloggerin in Haft misshandelt

Yoani Sánchez ist wieder frei. Die oppositionelle Bloggerin war in Kuba wegen eines umstrittenen Prozesses im Gefängnis gelandet. In Haft verlor dabei einen Zahn.

Die Bloggerin und ihr Ehemann. Bild: dapd

HAMBURG taz | Nach dreißig Stunden Haft sind Yoani Sánchez und zahlreiche weitere Oppositionelle in Kuba am Freitagabend freigelassen worden. Sie wollten einen Prozess gegen den spanischen Jungpolitiker Ángel Carromero verfolgen. Ihm wird fahrlässige Tötung im Zusammenhang mit einem Autounfall vorgeworfen, bei dem die Dissidenten Oswaldo Payá und Harold Cepero ums Leben kamen.

„Wenn es ein einfacher Unfall war, weshalb lässt man uns dann nicht am Prozess teilnehmen?“, fragt Oswaldo José Payá. Gemeinsam mit seiner Mutter Ofelia Acevedo und seiner Schwester Rosa María Payá war der junge Mann am Donnerstag nach Bayamo gereist, um am Freitag dem Prozess gegen Ángel Carromero beizuwohnen.

Doch weder die Familie des bei dem Unfall am 22. Juli gestorbenen Dissidenten Oswaldo Payá noch unabhängige kubanische oder internationale Journalisten konnten an dem Prozess direkt teilnehmen. Fast zwei Dutzend Oppositionelle wurden in und um Bayamo festgenommen und während des Prozesses festgehalten.

Darunter auch Yoani Sánchez, Kubas vielfach prämierte Bloggerin, die über den Prozess für die spanische Tageszeitung El País berichten wollte. Sánchez wurde gemeinsam mit ihrem Ehemann Reinaldo Escobar, einem unabhängigen Journalisten, festgenommen. Laut Sánchez hat die Polizei ihnen vorgeworfen, dass sie nur zum Prozess gekommen seien, um ihn zu stören. Das sei „eine Lüge“, so die Bloggerin, die auf ihr Recht pochte, an einem Prozess teilzunehmen, der als öffentlich angekündigt worden sei.

Doch an dem elfstündigen Prozess, der am Freitag ohne Störungen durchgeführt wurde, konnten auch die in Kuba akkreditierten Journalisten nicht teilnehmen. Zu wenig Platz, war die lakonische Auskunft, die BBC-Korrespondent Fernando Ravsberg erhielt. Er konnte auf einem Monitor den Ablauf verfolgen, was ein Fortschritt im Vergleich zu anderen Prozessen ist. Ein Umgang, der Yoani Sánchez nicht zuteilwurde. Sie wurde laut ihrem Bericht in der El País in ein Apartment gebracht, ein improvisiertes Kommissariat.

Keine Oppositionellen oder Dissidenten

„Sie haben versucht mich auszuziehen, ich habe mich gewehrt und dafür bezahlt“, beschrieb die 37-jährige Bloggerin die Ereignisse während ihrer Haft. Mit dem Kopf sei sie von den Polizisten auf den Boden geschlagen worden, wobei sie einen Zahn verloren habe. Alles sei gefilmt worden. Schließlich habe die Polizei sie und ihren Mann von Bayamo zurück nach Havanna gefahren und in ihrer Wohnung abgesetzt. Laut Reynaldo Escobar hat ein Capitán Cespedes ihnen erklärt, die Regierung werde nie zulassen, dass Oppositionelle oder Dissidenten dem Prozess in Bayamo beiwohnen.

Das ist den kubanischen Behörden sicherlich gelungen. Doch das Vorgehen der Polizei und der Prozess selbst gegen den 27-jährigen spanischen Politiker werden international aufmerksam verfolgt. In Spanien kursieren seit der Festnahme von Ángel Carromero Befürchtungen, dass sich die Beziehungen zu Havanna erneut verschlechtern könnten, sollte der Jungpolitiker wirklich zu einer hohen Haftstrafe verurteilt werden. Sieben Jahre Gefängnis fordert die Staatsanwaltschaft. Das Urteil soll in dieser Woche verkündet werden.

Für die Familie Payá hat dieses Urteil jedoch keine Glaubwürdigkeit. Eine unabhängige Untersuchung und ein Gespräch mit den Überlebenden des Unfalls vom 22. Juli fordert die Witwe Ofelia Acevedo. Doch ein Gespräch mit Ángel Carromero wurde ihr genauso verweigert wie mit dem zweiten Überlebenden des Unfalls.

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6 Kommentare

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  • S
    seppu

    Hallo libra 12,

     

    verzeihen Sie mir bitte, dass ich die Quellen nicht direkt genannt habe.

    Hier sind einige:

    http://internacional.elpais.com/internacional/2012/08/09/actualidad/1344541175_285853.html

    http://www.tercerainformacion.es/spip.php?article39994

    http://www.bbc.co.uk/mundo/noticias/2012/10/121004_carromero_cuba_espana_rg.shtml

     

    BBC:

    "En los primeros días de agosto los medios españoles publicaron que, antes de viajar a Cuba, Carromero había perdido todos los puntos del carnet de conducir y, por tanto, su licencia. Difundieron la información con base en el Boletín Oficial de la Comunidad de Madrid."

    "In den ersten Augusttagen berichteten die spanischen Medien, dass Carromero vor seiner Reise nach Cuba alle seine Punkte für eine Fahrerlaubnis verloren habe und damit auch seine licencia."

    (Im Gegensatz zu unserem System der Maluspunkte hat man in Spanien Bonuspunkte, von denen bei Verstößen ein Abzug erfolgt.)

    "Die Veröffentlichungen erfolgten auf Grundlage der offiziellen Mitteilung der Stadt Madrid."

    El Pais listet die Art der Verkehrsverstöße genau auf, incl. der Geldstrafen und Punktabzüge.

    Übereinstimmend berichten alle Quellen, dass der Nachwuchspolitiker wusste, dass er keine Fahrerlaubnis besitzt.

    Ixquicken oder googeln Sie mal den Namen: eine wahre Fundgrube tut sich auf!

     

    Frage an die TAZ-Redaktion:

    wo ist der Artikel geblieben, indem Sie Carromero einen Aktivisten genannt haben?

    Auf diesen hatte sich meine Zuschrift bezogen, nicht auf den Artikel über Yoani Sanchez!

  • L
    libra12

    seppu:

    Würden Sie uns auch die Quelle für Ihre Information über Sen. Carromero mitteilen?

  • L
    libra12

    Seltsamer Satz: "In Haft verlor dabei einen Zahn."?

  • M
    Michael

    schon komisch: In der Springer Zeitung "Die Welt" ist zu lesen: "Ihr Mann Reinaldo Escobar sagte, die Polizisten seien freundlich gewesen, hätten ihnen aber mitgeteilt, dass sie den Prozess nicht beobachten dürften, weil ihre Anwesenheit als provozierend eingeschätzt werde. Nach einigen Stunden in Haft seien sie in ein Auto gesetzt und nach Havanna zurückgefahren worden. "Sie haben uns vor unserem Haus abgesetzt", sagte Escobar. Das sei in der Nacht zum Samstag gewesen."

     

    http://www.welt.de/newsticker/news3/article109675571/Internationale-Kritik-nach-Festnahme-von-Bloggerin-in-Kuba.html

     

    Laut taz wurde sie misshandelt, mit dem Kopf auf den Boden geschlagen und hat einen Zahn verloren.

     

    Was stimmt?

  • J
    jupp

    In ihrer ersten Meldung : nach 30 Stunden wieder frei. Ich danke euch allen! (sinngemäß zitiert) hat Sra. Sanchez kein Wort über Misshandlungen geäussert....

     

    Zum Prozess gegen Carromero:

    In der Verhandlung hatten zahlreiche Zeugen und der Beschuldigte selbst bestätigt, dass er am 22. Juli als Fahrer eines Leihwagens einen Unfall verursacht hatte, bei dem seine Mitfahrer, die Systemgegner Oswaldo Payá und Harold Cepero, ums Leben kamen. Carromero sagte aus, er habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, das schließlich gegen einen Baum geprallt sei. Zum Zeitpunkt des Unfalls war er mit extrem überhöhter Geschwindigkeit gefahren und besaß keine gültige Fahrerlaubnis.

    Der 27-jährige Spanier ist stellvertretender Vorsitzender der Jugendorganisation der regierenden Volkspartei (Partido Popular, PP) in Madrid. Er und der gleichaltrige Schwede Jens Aron Modig waren am 19. Juli mit Touristenvisum eingereist. Nach eigenen Aussagen überbrachten sie Oswaldo Payá 4.000 Euro Bargeld und Materialien für den Aufbau einer oppositionellen Jugendorganisation. Der Unfall ereignete sich auf dem Weg zu einem Treffen mit anderen Oppositionellen im Osten Kubas. Der Schwede Modig konnte bereits kurz nach dem Unfall ausreisen.

    An der Verhandlung in Bayamo am 5. Oktober hatten zahlreiche in- und ausländische Journalisten, Vertreter von Carromeros Familie und Diplomaten teilgenommen. Nach einer Meldung der spanische Nachrichtenagentur EFE bezeichnete Madrids Generalkonsul auf Kuba, Tomás Rodríguez Pantoja, das Verfahren als "korrekt, rechtlich sauber und prozessual einwandfrei". Der Diplomat hob besonders die gute Behandlung des Angeklagten durch die kubanischen Behörden hervor. Er forderte alle Beteiligten auf, jetzt "mit Besonnenheit und Geduld" das Urteil abzuwarten. Ein geplanter Auftritt der Bloggerin Yoani Sanchez wurde von den örtlichen Behörden verhindert. Sie wurde von der Polizei nach Havanna zurücktransportiert, da ihr eigenes Auto nach Angaben der kubanischen Behörden nicht fahrtüchtig war.

    (vher/elmundo/elpais/efe)

     

    Im Interesse korrekter Berichterstattung und auch im Interesse der Familie Paya sollte die TAZ Herrn Modig in Schweden ausfindig machen und ihn befragen, ob er bei seiner ursprünglichen Aussage gegenüber der cubanischen Polizei bleibt!

  • S
    seppu

    Noch ein "Aktivist"........

    Hoffentlich stellt ihr den Spanier nicht auf eine Stufe mit den syrischen "Aktivisten". Das hat er nicht verdient.

    Wie wäre es mit der Bezeichnung "Verkehrsrowdy" für Senor Carromero?

    Schließlich ist seine Fahrerlaubnis in Spanien widerrufen worden wegen zahlreicher, gravierender Verkehrsverstöße!