Korruption in Österreich: Küss die Hand, rechtlich alles sauber
„Mehr privat, weniger Staat“ - nach diesem Motto eines österreichischen Ex-Kanzlers schanzen sich konservative Politiker Millionen zu.
WIEN taz | Zuletzt geriet der Abgeordnete Herbert Scheibner (BZÖ, Bündnis Zukunft Österreich) ins Visier der Ermittler. Als Verteidigungsminister der FPÖ hatte er 2002 bei der größten Rüstungsbeschaffung der Zweiten Republik in letzter Sekunde für die Eurofighter - die teuerste Variante - optiert.
Jetzt wurde bekannt, dass er vom Herstellerkonzern EADS in den vergangenen Jahren regelmäßig Zahlungen bekommen hat. Für Geschäftsanbahnung in einem arabischen Staat, betont Scheibner, der im parlamentarischen Verteidigungsausschuss sitzt und zugibt, „dass die Optik nicht die beste“ sei. Rechtlich aber sei alles einwandfrei.
Es vergeht keine Woche in Österreich, ohne dass ein neuer Korruptionsskandal ans Licht käme. Erklärungsbedarf hat auch der ehemalige Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Martin Huber, dessen Frau an einem dubiosen Immobiliendeal beteiligt war.
Ein Gebäude der teilstaatlichen Telekom, deren Chef damals auch im ÖBB-Aufsichtsrat saß und mit Hubers befreundet war, wurde für 5,5 Millionen Euro angekauft und wenig mehr als ein Jahr später zum doppelten Preis an eine ÖBB-nahe Gesellschaft weiterverkauft. Geschädigt: die Republik. Begünstigt: Leute aus dem staatsnahen Bereich.
Dieses Muster zieht sich durch alle Skandale, die jetzt nach und nach aufgedeckt werden. Alle haben gemeinsam, dass sie sich während der von Wolfgang Schüssel, ÖVP, geleiteten Koalition mit der FPÖ bzw. deren Abspaltung BZÖ, ereigneten.
Für nicht weniger als fünf Minister der Schüssel-Kabinette interessieren sich die Ermittlungsbehörden. Schüssels Wahlspruch „Mehr Privat, weniger Staat“ wurde in dieser Zeit so gedeutet, dass Staatsvermögen in private Taschen von Regierungsmitgliedern und deren Günstlingen umzuleiten war.
Sehr knapp überboten
Paradefall ist die Privatisierung der Bundesimmobilengesellschaft (Buwog), die an ein Konsortium ging, das als Bestbieter gerade 1 Million über dem besten Mitbieter lag. Bei einer Summe von 960 Millionen Euro ist das auffällig knapp. Doch die Sache wäre nie näher untersucht worden, wenn nicht die weltweite Finanzkrise die Constantia, eine kleine Privatbank, in den Konkurs getrieben hätte.
Die Constantia war am Immofinanz-Konsortium beteiligt, das 2004 den Zuschlag für den Buwog-Verkauf bekommen hatte. Über deren Bücher wurde man dann auf die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger aufmerksam, die von Immofinanz fast 10 Millionen Euro Provision kassierten.
Die beiden Lobbyisten kamen im Schlepptau des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser zu fetten Aufträgen. Ihre Namen tauchen bei fast jedem dubiosen Deal auf. Zuletzt wurde bekannt, dass Hochegger von der ÖBB 2005 - unter Martin Huber - einen Beratervertrag bekam, der ihm Exklusivität und fette Honorare zusicherte.
Saniert haben sich Manager und Lobbyisten
Huber war von der ÖVP eingesetzt worden, um die traditionelle sozialdemokratische Vorherrschaft in der Bahn zu brechen und den notorisch defizitären Betrieb zu sanieren.
Saniert haben sich jedenfalls die Manager und die Lobbyisten. Angesichts der Millionenbeträge, die Hochegger von Ministerien und staatsnahen Unternehmen bekam, liegt der Verdacht nahe, dass es aus diesen Zahlungen, denen oft keine nachweisbare Leistung gegenüberstand, Rückflüsse in Parteikassen oder Privatschatullen von Politikern erwuchsen.
Das soll ebenso Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein, wie die Umtriebe des ÖVP-nahen Waffenlobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly, der Politiker und Beamte, die für eine anstehende Rüstungsbeschaffung maßgeblich waren, auf private Jagdgesellschaften in sein schottisches Schloss einzuladen pflegte. Bei kleineren Aufträgen jagte man auf seinem Anwesen im Burgenland.
Millionen für ein knappes Gutachten
Aufklärungsbedarf gibt es auch rund um die Bank Hypo Alpe Adria in Kärnten, die auf Zuruf des damaligen Landeshauptmanns Jörg Haider ungedeckte Kredite vergab und knapp vor dem Kollaps gewinnbringend an die BayernLB verkauft werden konnte.
Verdient haben dabei ein paar Investoren, bei denen Insiderwissen vermutet wird. Ein Provinzsteuerberater erhielt für ein knappes Gutachten sagenhafte 6 Millionen Euro. Man fragt sich, wer da mitnaschen durfte.
Dass vor allem die Freiheitlichen besonders dreist zulangten, erstaunt den Politologen Hubert Sickinger, der sich den Ruf als „Korruptologe“ erworben hat, nicht (Interview). Denn SPÖ und ÖVP, die die Republik seit dem Krieg regiert haben, können Exregierungsmitglieder mit Versorgungsposten abfinden. Die FPÖ-Leute hingegen mussten mit beiden Händen zulangen, wenn sie vorsorgen wollten.
Auf Antrag der Grünen kam der Nationalrat Mitte September, eine Woche vor Ende der Sommerpause, zu einer Sondersitzung über den „schwarz-blauen Korruptionssumpf“ zusammen.
Kanzler Schüssel fürchtete die Schmach
Exkanzler Wolfgang Schüssel, der noch ein Abgeordnetenmandat der ÖVP hielt, wollte sich die Schmach der Abrechnung mit seiner Regierung nicht mehr antun und zog sich wenige Tage vorher aus dem Parlament und der aktiven Politik zurück.
Vor allem Grasser, der nach dem Platzen der ersten Koalition 2002 zur ÖVP überlief, wurde von Schüssel bis zuletzt gedeckt, obwohl seit 2003 offensichtlich war, dass er kein Gespür für Unvereinbarkeiten hatte. Es ist auch die ÖVP, die bisher alle Versuche, die Parteienfinanzierung transparenter zu machen, erfolgreich sabotierte.
Deswegen ist sie in den Umfragen deutlich hinter die FPÖ zurückgerutscht und kann heute nur mit 20 bis 23 Prozent Zuspruch rechnen. So starteten die schwarzen Spindoktoren letzte Woche einen Entlastungsangriff und wärmten eine Geschichte auf, wie Kanzler Werner Faymann, SPÖ, die Boulevardmedien mit Inseratenkampagnen zur Hebung des eigenen Images fütterte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau