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Kommentar zum OECD-BildungsberichtBildungsbürger schotten sich ab

Bernd Kramer
Kommentar von Bernd Kramer

Die Hochschule zementiert die Ungleichheit in der Gesellschaft. Akademikerkinder gehen zur Uni, die anderen begnügen sich mit einer Lehre.

B ERLIN taz Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer - und die Schuldigen sind schnell ausgemacht: Es sind die Unternehmen, die Niedriglöhne zahlen; es ist der Staat, der Sozialleistungen streicht, oder einfach die Globalisierung. Der neue OECD-Bericht zur Bildung zeigt, dass es vor allem eine Institution gibt, die dafür sorgt, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet: die Hochschule.

Sie ist eben nicht der unschuldige Verwalter der Erkenntnis, kein heiliger Ort des Schönen, Wahren, Guten – sondern ein Ungleichmacher ersten Grades. Die Gehälter der Akademiker eilen dem Rest der Bevölkerung davon. Ihr Einkommensvorsprung ist in den vergangenen zehn Jahren in den OECD-Ländern gewachsen, vor allem in Deutschland. Der Soziologe, der Taxi fährt, und der promovierte Historiker auf Hartz IV – beide sind vor allem eins: ein Gerücht. Akademikerschwemme? Fehlanzeige. Unter Hochschulabsolventen herrscht nahezu Vollbeschäftigung.

Besonders bitter ist, dass sich diese Vorteile vor allem diejenigen zu sichern vermögen, die ohnehin privilegiert sind: Eine Studie der privaten Vodafone-Stiftung hatte diese Woche bereits gezeigt, dass junge Leute, deren Eltern selbst nie studiert haben, vor dem Gang an die Hochschulen zurückschrecken – selbst dann, wenn sie eigentlich könnten. Und die Studienscheue der Bildungsfernen vergrößert sich sogar.

Nun bescheinigt auch die OECD Deutschland, dass der soziale Aufstieg hier seltener gelingt als in anderen Ländern. So zementiert unser Bildungssystem Ungleichheit: Die Arzttochter schreibt sich für Medizin ein, heiratet später einen gut verdienenden Juristen, den sie von der Uni kennt, und gemeinsam können beide außerdem auf ein hohes Erbe hoffen. Der Sohn der Verkäuferin im Supermarkt macht derweil eine Lehre.

Bernd Kramer

ist Bildungsredakteur der taz.

Es gibt viele Gründe, warum das so ist. Es liegt am Gymnasium, in dem sich das Bildungsbürgertum abschottet und das leider partout nicht wegzureformieren ist. Es liegt aber eben auch an den Hochschulen, die sich lieber Exzellenz-Uni schimpfen als Lehranstalt der Massen sein zu wollen. Den Kindern der Nicht-Akademiker signalisiert man damit: Versucht es erst gar nicht.

Ungerecht ist das, aber auch ineffizient. Denn so gelangen nicht die Talentiertesten in die bestbezahlten Berufe, sondern die, die schon immer dort waren. Der begabte Sohn der Verkäuferin bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. An seiner Stelle sitzen lauter Akademikerkinder in den Hörsälen, die vielleicht mit einer Lehre besser fahren würden.

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Bernd Kramer
Inlandsredakteur
Jahrgang 1984, hat VWL, Politik und Soziologie studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Seit 2012 bei der taz im Inlandsressort und dort zuständig für Schul- und Hochschulthemen.
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10 Kommentare

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  • K
    Katharina

    Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Geld der Hauptgrund dafür ist, dass Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien seltener zum Gymnasium und seltener zur Uni gehen. Und wenn ich unsere Studienkosten, die ja inzwischen wieder gleich null sind, mit anderen Ländern vergleiche (wie hier bereits angesprochen), dann bekräftigt mich das in meiner Haltung.

    Ist es so verwerflich, die Vermutung nahezulegen, dass Intelligenz zu einem gewissen Anteil auch vererbt wird? Und das meine ich gar nicht negativ - im Gegenteil! Handwerker sind doch nicht unwichtiger als Professoren. Ich finde es schlimm, dass heutzutage immer nur aufs Abitur gedrängt wird. Was sich meiner Ansicht nach verändern sollte, ist der RUF von Hauptschule, Ausbildung und handwerklicher Laufbahn. So lange es immer noch als Unding hingestellt wird, kein Abitur und kein Studium zu absolvieren, funktioniert das System nicht.

  • T
    tommy

    Ärgerlicher Artikel mit unsinnigen Aussagen. Das gegenwärtige Bildungssystem ist sicher reformbedürftig, aber das Gymnasium "wegzureformieren" dürfte wohl kaum die Lösung sein (wer das glaubt, sollte mal nach Großbritannien schauen, dort hat die Abschaffung der dem Gymnasium vergleichbaren grammar schools in den 1960ern zu einem Rückgang sozialer Mobilität geführt; eine Abschaffung des Gymnasiums würde den Trend hin zu Privatschulen verstärken). Und "Exzellenunis" gibt es in Deutschland sogar den Namen nach nur einige, tatsächlich noch weniger. Viele Unis sind doch de facto Lehranstalten für die Masse, mit kaum Betreuung für einzelne Studenten. Ich denke mal, dass ein solcher Zustand für Studenten aus einem nicht-akademischen Hintergrund besonders problematisch ist, da sie keine Verwandten etc. haben, die ihnen sagen, worauf an der Uni zu achten ist.

    Und überhaupt muss man wegkommen von der Idee, dass Lehre schlechter als Studium ist - das ist eine perverse Wertung. Deutschland kann ganz gut ohne Heerscharen von Soziologen und Religionswissenschaftlern auskommen, Handwerker u.ä. sind dagegen immer nötig.

    Insgesamt ein wirklich schlechter Artikel. Das Bildungssystem muss in Teilen reformiert werden (etwa auch in der Lehrerausbildung), aber die überholten Ideen von taz-Linken sind dabei nicht hilfreich.

  • D
    D.J.

    In kaum einem anderen Land der Welt wird es Kindern von gering verdienenden Eltern finanziell so leicht gemacht, zu studieren (zumeist keine Studiengebühren; wenn, dann geringe; Bafög).

    Im Übrigen hat die Studie gezeigt, dass auch viele "arme" Kinder trotz Abitur seltener an die Uni gehen. Die Gründe müssen ohne ideologische Scheuklappen erwogen werden (übrigens verdienen die meisten meiner nichtstudierten ehemaligen Klassenkameraden mehr als ich mit Promotion, was ich ihnen gönne - dafür macht mir die Arbeit Spaß).

    Der Kommentar ist dagegen m.E. das übliche politkorrekte Gejammer. Es langweilt.

  • TT
    Thomas Trasolt

    Also besser Akademikerkindern das Studium verbieten wie in der DDR und stattdessen "Arbeiterkindern" in überfüllten Massen-Unis solides Halbwissen vermitteln? Diese dumpfe Agressivität gegenüber "Akademikern" sagt einiges über den Autor aus und leider auch über das Niveau der taz, die diesen Unsinn hier veröffentlicht.

  • L
    Leika

    Zum mitschreiben: In den meisten Ländern gibt es KEIN Ausbildungssystem nach unserem Vorbild. Da gibt es nur angelernte Arbeiter oder eben Studium. Selbst Krankenschwestern und Mechaniker besuchen dort Colleges.

     

    Bei studieren weniger Leute, da wir hier ein ganz anderes Ausbildungssystem haben. Was viele bei uns an der Berufsschule lernen, lernt man in anderen Ländern aufgrund Mangels daran, an einem kostenpflichtigen College.

     

    Welche Jobs üben Historiker, Kulturwissenschaftler oder Soziologen denn bitte aus? Die wenigsten von denen arbeiten wirklich in diesen Berufen. Vielmehr locken Zeitverträge, schlechte Bezahlung etc.

     

    Warum wird unser Ausbildungssystem immer so schlecht geredet? Vor allem von Leuten, die dieses nie durchlaufen haben?

  • K
    KlintOstwald

    Vorsicht, da schimmert wieder die weit verbreitete Verachtung der Journalisten für die Lehrberufe durch. WEnn die ach so "bildungshungrigen" Akademiker-Nachkommen in ihren Hörsäälen mal für ein paar Wochen die Lehrinhalte serviert bekommen, die ein Industieelektroniker oder KFZ Mechatroniker in der Berufsschule präsentiert bekommt (bzw. beigebracht bekommen sollte!) dann möchte ich gerne mal wissen, wie hoch der %-Satz in unserer Bildungselite ist, der in der Abschlußklausur dazu gnadenlos abkackt...

    Meinjanur

  • D
    Doktoran

    Der Einkommensvorsprung eilt davon, nahezu Vollbeschäftigung?

     

    Ich weiß nicht von welchen Akademikern hier gesprochen wird, aber die Realität, vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften sieht anders aus:

     

    Doktoranden, die sich nicht arbeitslos melden, sondern sich mit geringfügig bezahlten Hilfsdiensten über Wasser halten (Hiwi-Verträge mit 30h oder 40h im Monat sind da keine Seltenheit). Maximal 2-3 Jahresverträge, oft nur auf einer halben Stelle: Zukunftsplanung unmöglich. Stipendien, mit denen die Sozialbeiträge von Seiten der Arbeitgeber umgangen werden sollen. Etc.

     

    Sicher, die Professoren und Funktionäre an den Unis bedienen sich fleißig. Aber alle Akademiker als "privilegierte" Klasse dar zu stellen, das zeugt von profunder Unkenntnis!

  • SS
    Stefan S.

    Ist es denn förderlich das alle Akademiker werden?

  • OD
    Onkel Dittmaier

    Mich würde interessieren, wo die Fachhochschulen in diesen Studien auftauchen?

     

    1/3 aller Studenten in Deutschland sind an Fachhochschulen eingeschrieben, immerhin gut 700.000. 80% Zuwachs in den letzen 10 Jahren laut süddeutsche.de. Zuviele um sie einfach unter den Tisch fallen zu lassen.

  • GK
    Guter Kommentar mit Schwächen

    Es ist traurig und bitter, dass das reiche Deutschland so wenig für die Bildung ausgibt, obwohl es keine Rohstoffe besitzt. Es ist mehr als peinlich, dass es sich teilweise auf Entwicklungslandniveau befindet und der Bund nichts mitfinanziert, nur weil er nicht mmitbestimmen darf. (z. B.: Asbest-Verseuchung; zu wenig Lehrer/Pädagogen in allen (!!) Schulformen sowie Kindergärten und zuwenig Mittel.)

    Es liegt vielleicht nicht an der "bösen" Schulform Gymnasium, sondern vielmehr daran, dass mehr Ganztagsschulformen mit einer personell anständig aufgestellten, qualifizierten (fach)pädagogischen (!) und nicht mit einer sozialpädagogischen Betreuung fehlen. Alle, die das Gymnasium besucht haben, wissen, wie viele geistig Minderbegabte mit bis zu 5 Nachhilfelehrern und Spenden an den Schulverein auch das Abitur geschafft haben. Ebenfalls wurde durch die Einführung der Studiengebühren und dem bescheuerten BA-MA-System allen suggeriert, dass nur noch Leute aus vermögendem Hause studieren könnten.

    Worin der Autor allerdings irrt, ist die Behauptung, Akademikern ginge es ach so gut und sie hätten keine Jobprobleme. In den Unis verdienen nur "Exzellenz"-Prof. viel Geld, da sie Ihr Gehalt frei aushandeln und (!) auch noch den Beamtenstatus nutznießen können. Ihren Partnern wird dann auch noch eine Stelle an der Uni "geschaffen". Der Mittelbau, also wiss. Mitarbeiter, verdient weniger als die Facharbeiter bei BMW oder Mercedes (einfach mal recherchieren). Und das sind die, die Glück haben. Alle anderen werden schlimmer als Leiharbeiter behandelt und erhalten nur Lehraufträge.

    Es gibt auch das akademische Prekariat! Das sollte man nicht vergessen und nicht nur Juristen, Mediziner und VWLer als Akademiker rechnen, was sachlich ja schon falsch wäre.