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Kommentar zum BörsencrashBörsianer brauchen starken Staat

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Aktienkurse fallen, aber viele Unternehmer sind optimistisch. Sie begreifen nicht: Reich werden Reiche nur, wenn nicht alle anderen arm sind.

D ie Aktienkurse fallen dramatisch, aber viele Unternehmer sind trotzdem optimistisch. So rechnet Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt damit, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um stolze 3 Prozent wachsen wird. Leiden die Börsianer also nur an einer irrationalen Panikattacke?

Im Kampf um die richtige Prognose dürften die Investoren gewinnen. Denn wie könnte die hiesige Wirtschaft noch stark wachsen: Wer soll denn die deutschen Waren kaufen?

Es ist kein Zufall, dass die deutsche Wirtschaft seit April nur noch ein Nullwachstum abliefert. Schließlich wird in den USA und in Europa fast überall gespart, von den Regierungen genauso wie von den Bürgern, die ihre Schulden zurückzahlen müssen. Selbst eine neue weltweite Rezession ist nicht mehr ausgeschlossen.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Da Verluste bei den Firmen stets dramatische Verluste bei den Aktienkursen bedeuten, leitet nun ausgerechnet ein Börsenguru die Trendwende ein: Der US-Milliardär Warren Buffet fordert, die Reichen deutlich stärker zu besteuern. Sein Kalkül: Dann muss der Staat sich nicht in die Rezession sparen, um den Haushalt zu sanieren. Buffet ist längst nicht mehr der einzige Milliardär, der höhere Steuern verlangt. In Frankreich macht seine Initiative schon Furore.

Buffet bringt eine schlichte Wahrheit auf den Punkt: Starke Börsen benötigen einen starken Staat, der nicht vor allem die Arbeitnehmer zur Kasse bittet. Oder anders gesagt: Reich werden Reiche nur, wenn nicht alle anderen arm sind.

Jetzt fragt sich nur noch, wie lange es dauert, bis auch die deutschen Unternehmer diesen Zusammenhang begreifen. Wahrscheinlich benötigen sie dafür noch mindestens einen weiteren Börsencrash.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

7 Kommentare

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  • HB
    Hammel Bein

    Jetzt befinden wir uns schon mehrere Jahre in der Krise und Sie haben immer noch nicht verstanden das diese Leute unter latenten Realitätsverlust leiden. Ein Produkt mit einer "pessimistischen Aura" verkauft sich halt nicht besonders gut. Sie können mir natürlich eines zeigen bei dem vor dem Inhalt gewarnt wird.

  • B
    BerndJoel

    betrifft Peter (24.08.2011 07:38h):

     

    Stichwort: "unfähige Vorturner"

     

    Modernes Märchen von Heiner Flassbeck mit Happyend: Nachdem die Banken von den Staaten gerettet wurden, fielen die Banken nun über...

     

    http://www.flassbeck.de/pdf/2011/August2011/Wie%20die%20Welt.pdf

     

    Heiner Flassbeck war 1998 - 1999 Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und vertritt eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik

  • R
    Ronny

    @Ilona

     

    Genau das spricht Frau Herrmann ja an. Sie können fast nichts mehr von unten nach oben verteilen. Weil ja irgendwann Feierabend ist. Und das hat Warren Buffet nun endlich kapiert, nachdem er die in den Top Ten der Forbsliste rangiert. Lieber zu spät als nie.

     

    Das die Zinsgewinner es erst zu spät merken ist der tragische Punkt. Die kapieren sowas erst, wenn es fast zu spät ist, da man sich nur unter seines Gleichen und Speichelleckern bewegt. Die Realität merken die erst wenn das Volk Steine hinter her wirft. Außerdem verschafft Erfolg und Geld einen das Gefühl von "Besser sein" als der Rest.

     

    leider...

  • P
    Peter

    Nachdem ich Frau Herrmann heute morgen im FrühstücksTV gesehen habe, ist die Frau für wirtschaftliche Themen gestorben.

    Da plapperte sie doch munter dem CDU-Kauder nach, dass EU_Hilfen nicht besichert werden könnten / dürften.

    Nur die Besicherung, stellt, übrigens auch für die Bevölkrung der Kreditnehmer, sichher, dass unfähige Vorturner nicht einfach nochmal die Verschuldung hochfahren, ohne die nötige strukturellen Verbesserungen endlich anzugehen.

  • AW
    Axel Wartburg

    Heute las ich anderswo: "Armut ist falsch verteilter Reichtum." - Passend oder?

     

    Irrational ist allerdings, wieso die Wirtschaft kollabieren sollte, weil die Börse es tut. Werden doch mittlerweile nur noch 1,25% der Wirtschaft über die Börsen abgewickelt. Der "Rest" ist Monopoly.

     

    Interessant, wie wenig die meisten "Wirtschafst"Journaslisten von diesen zusammenhängen verstehen und öffentlich machen. Hauptsache Panik machen, das bringt Quote, oder wie?

  • M
    MattF

    "Es ist kein Zufall, dass die deutsche Wirtschaft seit April nur noch ein Nullwachstum abliefert."

     

     

    Null Wachstum bedeutet aber, dass die deutsche Wirtschaft immer noch soviel verkauft wie im April wo wir uns darüber noch gefreut haben.

    Wieso sollte es "uns" also schlechter gehen?

  • I
    ilona

    REICH WERDEN REICHE NUR, WENN NICHT ALLE ANDEREN ARM SIND?

    Schön aber naiv, denn sie haben ja eine neue Reichtumsquelle, die sich von der Realwirtschaft längst abgekoppelt hat und die aus einem digitalen Nichts Milliarden produziert, die man dann in realwirtschaftliche Werte transferieren kann: in Immobilien, Rohstoffe oder Gold.

    Für die Blasen und Bankenpleiten kommt dann ja das arbeitende und steuerzahlende 'Prolitariat' auf, da wird armgespart. Und dass das so bleibt – dafür sorgen Klientelpolitiker.

     

    Deutschland ist ein Exportland. Das ist unsere Stärke und Schwäche zugleich, denn wir sind abhängig von den Einkommen und der Nachfrage in anderen Ländern, in der EG, den USA und China, wo vor allem das Luxussegment boomt wird wie Luxusautos, Luxusküchen, Boote etc.. Diese Statussymbole können sich auch dort nur die neuen Reichen der aufstrebenden Mittelschicht leisten, weil sie ihre Gewinne aus den heimischen Niedriglöhnen ziehen. Während hierzulande im Gegenzug die in Asien noch billiger produzierten Massen-Statussymbole wie Smartphones und Unterhaltungs-Elektronika selbst für Geringverdiener erschwinglich geworden sind. Im Übrigen ist in den westlichen Wohlstandsländern der Konsumbedarf weitgehend gedeckt. Wir haben alles und mehr als das. Auch darum machen die Deutschen lieber Fernreisen als zu shoppen.

     

    Die höhere Belastung der Reichen wäre überfällig, das stecken die locker weg, zumal ihre Mega-Vermögen ja inzwischen aus Finanz-Luftgeschäften stammen. Aber das ist auch der Haken: ob gerade Steuern unserer Volkswirtschaft wirklich nützen würden? Der Staat schiebt das Geld sowieso wieder auf die Konten der Reichen zurück, da die Politik von ihnen kontrolliert wird, ob hier oder in Amerika.

     

    Es gab da mal die vernünftige Idee der 35-Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich. Bevor ausgerechnet Rot-Grün, nach angloamerikanischem Vorbild und mit rigorosen Arbeitnehmer-Gesetzen die Rückkehr einleitete zu frühkapitalistischen Verhältnissen. Jetzt haben wir wieder die 40/50-Stunden Woche (ohne Lohnausgleich), eine rapide wachsende Armutsschicht und hunderttausende neue Vermögens(!)-Millionäre und Milliardäre, die sich in der Krise mit Top- Immobilien, Firmenanteilen und Gold eindecken und sich auf ihren Yachten entspannt in der karibischen Sonne räkeln.

    So ist die Welt. Der große Kuchen wird immer nur umverteilt. In dieser Zeit wieder feudalistisch von unten nach oben –

    und jeder Crash macht sie eher noch reicher als einsichtiger.