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Kommentar Wulff und MerkelMerkel bleibt Kanzlerpräsidentin

Ines Pohl
Kommentar von Ines Pohl

Wulff hatte darauf spekuliert, mit der Rede zur Gedenkfeier der Naziopfer von seinen Problemen ablenken zu können. Nun übernimmt das die Bundeskanzlerin.

S chade eigentlich. Was hätte dieser Präsident sein können.

Doch in der Politik sind Konjunktive eine schwierige Sache. Es zählen nun mal Fakten. Deshalb ist Christian Wulff schon heute in die Geschichtsbücher eingegangen als ein Politiker, der bis zu seinen letzten Sätzen im Amt nicht begreift, worum es geht. Man ist geneigt, sich in die Hobbypsychologie zu begeben, um Erklärungen dafür zu finden, wie einer mit solch einer Fehlerliste bis zum Schluss behaupten kann, er habe sich korrekt und aufrichtig verhalten. Und bis zum bitteren Ende versuchen kann, den Medien die Schuld in die Schuhe zu schieben. Man fragt sich: Was ist mit seiner politischen Selbstwahrnehmung los?

All das zeigt, dass dieser Mann, gegen den ein Aufhebungsverfahren der Immunität angestrebt wurde, immun ist gegen Konzepte von Schuld und Verantwortung.

Bild: taz
INES POHL

ist Chefredakteurin der taz.

Und dennoch hätte in dieser Präsidentschaft viel Potenzial gesteckt, wenn der Inhalt eine andere charakterliche Form gefunden hätte. Schade eigentlich. Denn es war gut, dass die Lebenswirklichkeit der vielen Patchworkfamilien endlich mit der Familie Wulff auch ins Schloss Bellevue einzog.

Es war so wichtig und wurde in seiner Bedeutung durch die Aufklärung der Nazimorde brutal bestätigt, dass Wulff die Integration und den interkulturellen Dialog in den Mittelpunkt seiner kurzen Amtszeit stellte.

Wulff hatte darauf spekuliert, mit der Rede zur Gedenkfeier der Naziopfer von seinen Problemen ablenken zu können.

Diese Rede wird nun Angela Merkel halten. Damit etabliert sich die CDU-Vorsitzende weiter als Kanzlerpräsidentin. In ihrer kurzen Stellungnahme zum Rücktritt des Niedersachsen hat sie gezeigt, wie sie ihren Nimbus als überparteiliche Krisenretterin auszubauen gedenkt: Gemeinsam, fraktionsübergreifend, auch mit den Grünen werde man sich auf einen Kandidaten einigen. Worte einer Präsidentin, Frau Kanzlerin.

Es gelingt ihr offensichtlich schon wieder, selbst aus dem Niedergang ihres Parteifreundes Wulff politisch Kapital zu schlagen. Bereits in den vergangenen Wochen war sie es, die vom Sinken seiner Umfragewerte profitierte. Je deutlicher die verbotene Liebe Wulffs zum Glamour wurde, desto stärker wuchs die Achtung vor der Kanzlerpräsidentin, bei der man sich bestimmt keine Sorgen machen muss, dass sie oder ihr Gatte sich von Jachtbesitzern korrumpieren lassen.

Angela Merkel, die Frau für alle und alle Fälle? Vorsicht!

Die CDU-Chefin steht für eine knallharte Klientelpolitik. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie in einzelnen Politikfeldern die überkommenen Positionen der Konservativen lockert. Indem sie die Familienpolitik der CDU vermeintlich sozialdemokratisiert, verstärkt sie ebenjenen Schein der Überparteilichkeit und kann im Schatten dieses Blendwerks ihren wirtschaftsliberalen Kurs eiskalt durchziehen.

Diese Inszenierung macht diese Frau so stark, aber auch so gefährlich. Sie verschleiert, dass unter der Regentschaft Merkels die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet, dass die Bildungskluft tiefer wird und der soziale Aufstieg immer unwahrscheinlicher.

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Ines Pohl
Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)
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15 Kommentare

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  • P
    Pauli

    Jedes DRITTE Kind in der BRD lebt in Armut.

    Mit welcher Unverschämtheit steckt sich dieser CDU-

    Versager Wulff eien EHRENSOLD in die Taschen?!

    CDU-Merkel sollte sich in Grund und Boden schämen

    für Ihre Politiker!

  • H
    Humbug

    Die Umfragewerte von Merkel zeugen doch von einer Volksignoranz ohnegleichen. Nach Merkel muss zwangsläufig wieder so eine 'asoziale Gang' kommen, wie die Schröder-Gang nach Kohl kommen musste.

  • JO
    James Overstolz

    Die verzweifelte Suche verrät nur, wie ungeheuer durchschnittlich die Repräsentanten der politischen Klasse geworden sind - und wie brav das Volk, das diese Kanzlerin hinnimmt.

     

    Ich kann keinem der genannten Kandidaten etwas abgewinnen, geschweige ihnen mehr als zehn Minuten zuhören, von ganz wenigen Menschen mit Rückgrat abgesehen, Lammert, Käßmann - die meisten anderen sind angepasste Schönredner, Gauck als Sonntagsredner eingeschlossen.

     

    Aus der Zivilgesellschaft, Literatur, den schönen Künsten werden in diesem Land der Fantasielosigkeit keine Kandidaten kommen. Einen Vaclav Havel haben wir nicht.

     

    Deshalb möchte ich gerne einen der letzten Mörder aus dem Sonntags-Tatort zum BP vorschlagen.

  • IM
    Ich möchte mal wissen ...

    wieviele Behinderte bei der taz in Festanstellung(!) arbeiten; sicherlich keine/r. Dass Frau Merkel (man mag die 'Dame' und ihr Handeln mögen oder auch nicht mögen; das spielt an der Stelle hier keine Rolle) handelt, wie sie handelt, das kann sie auch zum Teil nur, weil auch andere so handeln; deren Handeln wird nur nicht pressewirksam dargestellt.

    Merkel unterstellt man nämlich auch Behindertenfeindlichkeit. Dabei handelt Merkel nur, wie der überwiegende Rest der Republik.

    Die Rede wegen der Morde an hier lebenden, aus dem Ausland Gekommenen hält Merkel doch nur, weil sie Bundeskanzlerin ist.

    Und Steinmeier und andere aus der SPD, wenn die Kanzler/in wären und eine Rede reden müssten, die hörten sich (vermutlich) auch nicht besser als die Merkel an.

  • I_
    Ideologen_in_die _Tonne!

    "Durch diese Regierung wurden die Morde erst möglich."

     

     

    Was für ein Bullshit! Sämtliche Nazimorde wurden unter Rot-Grün verübt. Also wurden die Morde erst durch Rot-Grün möglich. Und Rot-Grün hat die Täter auch sofort im Migranten-Millieu verortet.

    Also mal schön den Ball flach halten …

  • V
    vic

    SIE hält die Rede zur Gedönsfeier der Nazibandenopfer, ausgerechnet sie?

    Durch diese Regierung wurden die Morde erst möglich.

    Die hat wirklich kein Gespür für Anstand- oder es ist ihr egal.

    Das Volk wird die Rede bejubeln, so viel ist klar.

  • V
    vic

    Merkel wird also die salbungsvolle Rede für die Opfer der Thüringer Mörderbande halten.

    Das ist der Gipfel der Heuchelei. Ausgerechnet die Chefin der Regierung, die diese Morde erst ermöglichte. Und als ob das nicht genug ist, das Opferumfeld spontan zu Tätern machte.

    Sie sollte wirklich die Klappe halten.

  • T
    Timchen

    Sehr geehrte Frau Pohl, vielen Dank für Ihren Kommentar, insbesondere die letzten beiden Absätze.

     

    Ihre Worte in Gottes - oder besser: des Wählers Ohr!

  • M
    miri

    Nana, Merkel so ganz unbeleckt von der Halbwelt? Was war mit Ackermanns Sause im Kanzleramt? Aber das bleibt an ihr nicht kleben. Wulff hätte da so'n sehnsüchtiges Glitzern in die Augen gekriegt, da weiß man gleich, welch Geistes Kind er ist; Merkels Augen können gar nicht glitzern. Es ist Merkels Auftreten, ihre offensichtliche scheinbare Beschränktheit, der ewige Hosenanzug, die norddeutsche Dröögheit. Da denkt man, so sieht Redlichkeit aus.

     

    Was das mit der Spaltung der Gesellschaft und der Abkopplung der Eliten angeht, das wird so nicht endlos weitergehen. Irgendwann macht das überdehnte Gummiband Schnipp!, und dann tut's weh.

  • P
    pecas

    Bravo! Endlich versteht es mit Frau Pöhl einmal jemand, das Kindchen beim Namen zu nennen: Kanzlerpräsidentin.

     

    Haargenau dieses Konstrukt ist es, das die geltende deutsche Verfassung (a.k.a. Grundgesetz bzw. Freiheitlich Demokratische Grundordnung der BRD) nicht nur ablehnt, sondern als verfassungswidrig einstuft: hier wird das Prinzip der Gewaltenteilung - welches sich in der BRD bekanntlich aufgrund des konservativen Widerstands noch nie bis zu der theoretischen 3-Teilungs-Vorgabe des GG (Legislative/Exekutive/Judikative) entwickeln konnte, sondern in der faktischen Zweiteilung (Exekutive/Legislative) mit Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften steckengeblieben ist - vollends torpediert und der Schritt zu der faschistischen Form eines Präsidial(-Ausnahmezustands-)regimes vollzogen, alle Macht auf eine Person vereinigt und die Verwandlung des Staatsapparates zur tödlichen Maschine (G. Agamben) vollzogen.

     

    Diese Entwicklung hat man während der letzten 6 oder 7 Jahre unter Merkel/Schäuble beobachten können wie den Vorspann zu einem Kinofilm mit dem Titel 'Das Ende der europäischen Zivilgesellschaft zu Beginn des 3. Jahrtausends'. Dann gute Nacht unter den Fittichen des Goldenen Adlers.

  • SQ
    Scream Queen

    Nicht nur "Konjunktive sind eine schwierige Sache" (wobei man auch dagegen einwenden könnte, dass ein Konjunktiv eventuell "schweirig" ist, aber definitiv keine "Sache"), sondern anscheinend auch grammatikalische Bezüge: Gegen Wulff ist nämlich keineswegs "ein Aufhebungsverfahren der Immunität" angestrebt worden, vielmehr hat die Staatsanwaltrschaft ein Verfahren zur Aufhebung seiner Immunität in die Wege geleitet. "All das zeigt", dass man es offenbar trotz mangelhafter Deutschkenntnisse ohne Weiteres zur Chefredateuse bringen kann.

  • C
    Chris

    Angela Merkel ist eine gute Kanzlerin. Sie steht weiter links als der CDU-Durchschnitt und handelt fast immer geschickt. Die SPD oder die Grünen würden es nicht besser machen, höchsten schlechter (Agenda 2010).

     

    Merkel hat einen sicheren Instinkt für die Stimmung im Land und richtet danach ihre Entscheidungen aus. Von knallharter Klientelpolitik kann also keine Rede sein. Letztlich ist Merkel die ideale Kanzlerin für unsere Mediengesellschaft. Woher kommen denn die Stimmungen der Gesellschaft? Antwort: Aus den Medien. Nicht zuletzt deshalb wird Merkel von der schreibenen Zunft auch so verehrt und unterstützt.

     

    Interessanterweise sind gerade Frauen die schärfsten Kritiker von Merkel.

  • C
    Celsus

    Da hatte die Kanzlerin mit einer noch höheren Mehrheit 3 Wahlgänge gebraucht, um den Herrn Wulff als ihren Kandidaten durchzuhauen. Jetzt ist die Mehrheit gerade mal hauchdünn und wäre nach den Wahlen im Saarland gar nicht mehr da gewesen. Es war also nicht nur wegen des Antrages der Staatsanwaltwschaft auf Aufhebung der Immunität eilig für Wulff aus schwarz-gelber Sicht zurückzutreten.

     

    Und wieder will die Kanzlerin den neuen Mann oder die neue Frau selber auskungeln und dann SPD und Grünen freundlicher Weise das Ergebnis vorher präsentieren zur Zustimmung. Die Meinung des Volkes zählt derweil wenig. Na ja. Zwischen einigen Namen kann bei tagesschau.de gewählt werden. Aber dort fehlt mir der Name der einzigen Frau, die ich dort gerne haben würde, wenn das Amt überhaupt besetzt werden sollte: Margot Käßmann.

  • V
    vic

    Kein gutes Zeugnis für die deutsche Mehrheit, dass sie dieser eiskalten Frau willenlos zu Füßen liegt. Ihre Umfragewerte machen mich frösteln.

  • K
    Katja

    Na, er hätte sich das durch die NSU-Sache ja nicht verderben lassen müssen sondern dazu sofort und regelmäßig scharfe Worte finden können, auch außerhalb von monatelang geplanten Terminen.

     

    So wichtg war im das offenbar schlicht nicht.