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Kommentar WikileaksNeue Technik, neue Risiken

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Ein Leak ist bei den Leakern selbst an die Öffentlichkeit gelangt. Das zeigt, dass auch hinter guter Technik alltägliche Risiken lauern. Lassen sollten wir das Leaken trotzdem nicht.

D as neue Verb "leaken" versetzt Journalisten in Aufregung. Und nicht nur sie. Regierungen protestieren, Menschenrechtler diskutieren. Denn wenn zum Beispiel Dokumente aus Diktaturen an die Öffentlichkeit gelangen, ist große Sorgfalt vonnöten. Sonst sind die Informanten in tödlicher Gefahr.

Die schockierenden Bilder und Informationen aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan, geliefert durch die Website Wikileaks, gaben in der Diskussion den Ausschlag: Enthüllungsplattformen im Internet liefern vertrauliche Nachrichten im Dutzend, und die Mächtigen werden besser kontrolliert, so die mehrheitliche Hoffnung der Beobachter.

Nun ist ein Leck bei den Leakern selbst an die Öffentlichkeit gelangt. Steht das Leaken nun in einem anderen, schlechteren Licht da? Aktuell geht es um 250.000 geheime Depeschen der US-Regierung. Sie stehen jetzt mit vielen Klarnamen im Netz, obwohl die beteiligten Medien und Wikileaks das nicht wollten. Aber Vorsicht mit schnellen Urteilen: Bereits vorher waren diese Informationen einer halben Million Menschen innerhalb der US-Regierung und des Militärs regulär zugänglich. Dort hat jeder Geheimdienst, der etwas auf sich hält, seine Spitzel. Das dürfte den wenigsten Informanten klar gewesen sein. Hier hat also Wikileaks durchaus für nötige Aufklärung gesorgt, die Informanten waren vorher schon gefährdet. Auch die politische Öffentlichkeit profitierte von Detailwissen über arabische Diktatoren, Waffendeals oder Klatsch aus deutschen Parteien.

Bild: taz
Reiner Metzger

ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Nun allerdings sind die Klarnamen der US-Gesprächspartner jedem Interessierten, jedem Verrückten, jedem Terroristen zugänglich. Das ist eine ganz andere Qualität. Es multipliziert die Gefährdung der Informanten.

Der Fehler passierte anscheinend durch eine Kombination von Missverständnissen, bei den veröffentlichenden Journalisten wie auch bei den Leak-Spezialisten, beides erfahrene Profis auf ihrem Gebiet. Das zeigt: Neue Technik hin oder her, Fehler passieren, Menschen können nicht den Mund halten. Im Internetzeitalter allerdings erfährt das dann die halbe Welt, nicht nur eine Gruppe von Menschen. Sollten wir deshalb die Finger vom Leaken lassen? Nein. Denn die Technik hat viel gebracht und offensichtlich ganz neue Kreise von Informanten erschlossen. Alle Beteiligten müssen sich nur im Klaren sein, dass hinter der hippen Technik alltägliche Risiken lauern.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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4 Kommentare

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  • GT
    gute Technik

    Man hätte keine so große Pakete packen dürfen. Basis-Fehler.

    Globaleaks ist "gestartet" und wurde aus dem Fail von Openleaks und Wikileaks entwickelt. Möglicherweise in angemessen kurzer Zeit.

    Mögliche Fehler passieren. Siehe neulich DNS-Angriffe oder Diginotar. So etwas ist möglich, also kann es passieren und man muss es einplanen.

    Also: Verschiedene kleine Dateien und unterschiedliche Passworte.

     

    Davon abgesehen wissen wir seit DSK, das USA ein funktionierendes Asylrecht für Afrikaner haben. Man kann also die "handvoll" Informanten und US-Spezis problemlos zufällig eine Greencard gewinnen lassen und bei VOX/RTL in den Auswanderer-Shows (Guttenberg, Kässmann, ...) präsentieren.

     

    Da sollen die Amis also nicht so jammern.

    Andere Kommentare in Blogs gingen in ähnliche Richtungen. Dieses Leak war schon lange bekannt und man hätte seine Leute retten können.

    Und die Daten waren wohl nicht super-mega-top-secret. Das wird auch gerne vergessen und wurde hier erinnert auch wenn man es präzise darstellen muss und vieles Wischiwaschi dargestellt wird was einen interessierten Leser der deutschen Presse die nächste Rezession und Abwicklung gönnen lässt.

     

    Die Diskussion kommt aber im Prinzip vielleicht nur deshalb auf, weil Assange auf der IFA per Schaltung einen Vortrag und Interviews hielt.

    Mit Spitzeln (genau wie mit Kritikern wie neulich Erwin Teufel) kennt man keine Gnade und bei der FDP wurde aufgeräumt.

    Anständige Politiker können offen arbeiten und würden Darkrooms, Lobby-Fußball-Karten, Lobby-Restaurant-Besuche usw. gar nicht erst betreten.

  • H
    Hellie-Bu

    Ups, das ist ja ein guter Kommentar.

    Wie kommt es nur, das ich hier gegenteiliges zum Artikel raushöre - wie passt das zusammen?

  • HH
    H.F.aus H.

    Ein wirklich guter Beitrag.

    Der sich deutlich vom zeternden Hühnerhaufen der restlichen Presse unterscheidet.

    Und sich vom freitag.de Niveau unterscheidet.

    Vielen Dank für die objektive Einschätzung.

  • E
    Engelhardt

    also die leaker werden hier wegen ihrer leaks vorsichtig auf typisch deutschpädagogische weise ermanht mit den wirklich algegenwärtigen argumenten die da heißen terrorismus und diktatoren- ich habe lange nicht die taz gelesen, interessant