Kommentar Türkei und Israel: Mehr als eine Antwort
Staaten wie Ägypten und Jordanien beginnen, ihr Verhältnis zu Israel neu zu definieren. Ausgerechnet jetzt bricht Ankara demonstrativ mit Jerusalem.
P raktische Auswirkungen wird die Ausweisung des israelischen Botschafters aus der Türkei kaum haben: De facto gibt es schon seit über einem Jahr keine normalen Beziehungen mehr zwischen Ankara und Jerusalem.
Auf der Ebene der politischen Symbolik dagegen ist die Entscheidung kaum zu überschätzen. In einer Zeit, in der sich viele arabische Länder im Umbruch befinden und Staaten wie Ägypten und Jordanien beginnen, ihr Verhältnis zu Israel neu zu definieren, bricht Ankara demonstrativ mit Jerusalem.
So berechtigt die Empörung über die Tötung von neun Aktivisten der Gaza-Hilfsflotte im Mai vergangenen Jahres ist, die jetzige türkische Reaktion ist mehr als eine Antwort auf die Sturheit Israels - es ist eine Neujustierung der türkischen Außenpolitik. Ankara vollzieht nicht nur den Bruch mit Jerusalem.
ist Türkei-Korrespondent der taz.
Die Türkei stößt auch die USA, die hinter den Kulissen auf eine Wiederannäherung der beiden Expartner gedrängt hatten, vor den Kopf. Und lässt die EU ratlos zurück. Freuen über die türkische Haltung wird sich nicht nur die Hamas im Gazastreifen. Auch anderen arabischen Regierungen und vor allem dem Mann auf der arabischen Straße wird signalisiert, wo die Türkei stehen will.
Dabei weiß man in Ankara, dass der israelische Ministerpräsident Netanjahu wohl bereit gewesen wäre, sich zu entschuldigen und eine Entschädigung zu zahlen, wenn er damit nicht die Koalition mit seinem rechtsradikalen Außenminister Lieberman gesprengt hätte. Es war klar, dass die Ablehnung aus Israel nicht so kategorisch war, wie sie nach außen erscheinen mag, und es durchaus Raum für politische Manöver gab.
Doch der türkische Ministerpräsident Erdogan und sein Außenminister Davutoglu sind an einer Reparatur der Beziehungen nicht mehr interessiert. Der aktuelle UN-Bericht war für ihre Regierung nur noch der Anlass, den Bruch mit Israel auch öffentlich zu vollziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat