Kommentar Toulouse-Attentatserie: Der nützliche Waffensammler
Gegen radikalisierte Einzeltäter kann sich eine Gesellschaft schwer wappnen. Dagegen, dass Politiker derartige Taten für ihre Agenda instrumentalisieren, auch nicht.
N ach allem, was man bisher weiß, handelte es sich bei dem mutmaßlichen Serienmörder von Toulouse um einen Einzeltäter. Das heißt, er ging auf eigene Faust vor und hatte keine Mitwisser.
Das verbindet ihn mit islamistischen Attentätern wie Mohammed Bouyeri, der 2004 in den Niederlanden den Filmemacher Theo van Gogh ermordete, aber auch mit dem Rechtsradikalen Anders Behring Breivik, der im vergangenen Sommer in Oslo ein Massaker verübte – und es unterscheidet ihn von den Rechtsterroristen der NSU, die über Jahre im Untergrund ihr Unwesen treiben konnten, oder jenen vier Selbstmordattentätern, die 2005 ihre Bomben in Londoner Bussen und Bahnen zündeten.
Gegen Einzeltäter, die sich über Hassseiten radikalisieren, bevor sie zur Tat schreiten, kann sich eine Gesellschaft schwer wappnen. Immerhin kamen die französischen Sicherheitsbehörden dem Täter von Toulouse nach dem letzten Mord schnell auf die Spur. Wenn es aber stimmt, dass Merah in afghanischen Terrorcamps unterwegs war und sogar auf einer Verdächtigenliste der USA stand, stellt sich die Frage, wie er sich unbehelligt ein Waffenlager anlegen konnte. Die Antwort ist wichtig, um vergleichbare Taten zu verhindern.
Dass hier der Kern des Problems liegt, hält allerdings keinen Politiker davon ab, die Tragödie für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. In Israel nutzt Netanjahu die Gelegenheit, sein Land als den sichersten Ort für Juden aus aller Welt anzupreisen – der er nicht ist. Die Rechtsextreme Marine Le Pen schürt die Angst vor Muslimen, wofür ihr sowieso jedes Mittel recht ist.
Und Präsident Nicolas Sarkozy verspricht, stärker gegen extremistische Ideologien im Netz vorzugehen, was immer eine gute Idee ist. Besser wäre es, mehr im Blick zu haben, wer wo welche Waffen hortet – und wozu.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden