Kommentar Todesurteile in Weißrussland: Gefährlicher Schauprozess
Noch kann Präsident Lukaschenko von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen. Tut er das nicht, dürfte auch sein Schicksal und das des Regimes demnächst besiegelt sein.
M an braucht gar nicht in die USA, in den Iran oder nach Syrien zu schauen, um die Todesstrafe anzuprangern. Auch mitten in Europa nimmt sich mit Weißrussland noch immer ein autoritär regiertes Land das Recht heraus, Menschen hinzurichten.
Dem voraus geht in der Regel ein Schauprozess, der allen rechtsstaatlichen Grundsätzen Hohn spricht und bei dem das Verdikt von vornherein feststeht.
Das war und ist auch im Fall der beiden jungen Männer so, die am Mittwoch wegen mehrerer Terroranschläge in zwei weißrussischen Städten schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt wurden.
BARBARA OERTEL ist Osteuropa-Expertin im Auslandsressort der taz.
Der geschockten Öffentlichkeit nur wenige Tage nach der Gräueltat im April als Täter präsentiert sowie bei den Vernehmungen und in Haft - wie andere Gefangene auch - gefoltert, wurden sie während des gesamten Verfahrens nicht eindeutig überführt. Dennoch könnten sie schon am Donnerstag per Genickschuss getötet werden.
Doch wenn Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko meint, das Schicksal der beiden Todeskandidaten sei seinen Landsleuten gleichgültig, hat er sich gründlich getäuscht. Seit der Generalstaatsanwalt Mitte November die Höchststrafe forderte, regt sich zunehmend Unmut in der Gesellschaft. Immer mehr Menschen setzen sich gegen die Vollstreckung der Todesstrafe im Fall der angeblichen Attentäter ein.
Auch in den weißrussischen Medien, von denen die meisten Sprachrohre des Regimes sind, ist die Exekution im staatlichen Auftrag jetzt plötzlich ein Thema.
Noch kann Präsident Lukaschenko von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen. Tut er das nicht, dürfte auch sein Schicksal und das des Regimes demnächst besiegelt sein. Das alles ist nur noch eine Frage der Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee