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Kommentar Schlecker-ZerschlagungDie Lage im Einzelhandel wird prekärer

Kommentar von Richard Rother

Die Politik kann nicht der Ausputzer nach dem Schlecker-Aus sein. Aber sie muss Rahmenbedingungen schaffen, die die Ausbeutung im Einzelhandel erschwert.

S chlecker ist tot, mausetot. Die Drogeriehandelskette, die jahrelang wegen der rüden Behandlung ihrer Mitarbeiterinnen kritisiert wurde, wird zerschlagen; das Imperium des alten Patriarchen Anton Schlecker geht unter, weil er die Zeichen der Zeit nicht erkannte. Na und, mag sich mancher denken: Endlich ist der rumpelige Ausbeuterladen weg, und die 13.000 Entlassenen werden schon etwas anderes, Besseres finden! Schön wäre es, aber es ist leider nicht so. Im Gegenteil.

Die Schlecker-Beschäftigten, überwiegend Frauen, stehen vor dem Nichts. Sie und ihre Familien verlieren Einkommen, in manch ländlicher Region fällt damit die Familienernährerin aus. Unklar ist, ob und zu welchen Bedingungen sie eine neue Anstellung finden, was vor allem für ältere Schlecker-Frauen schwierig werden wird. Die Drogeriemarkt-Konkurrenz, die sich gern menschenfreundlich gibt, wird sie wohl nicht auffangen können.

Was bleibt, sind die großen Discounter – aber dort sind die Arbeitsbedingungen nicht besser als bei Schlecker. Wenn dann noch lange Anfahrtswege – auf dem Land ist der nächste Discounter auch gern mal 20 Kilometer entfernt – und kürzere Arbeitszeiten hinzukommen, wird deutlich: Wenn es überhaupt einen gibt, wird der neue Job oft schlechter als der alte sein. Die Prekarisierung im Einzelhandel, in dem es immer noch keinen Mindestlohn gibt, setzt sich weiter fort.

Richard Rother

ist Redakteur im Ökologie- und Wirtschaftsressort der taz.

Problematisch ist die Schlecker-Pleite auch für viele Verbraucher – nicht in den Großstädten, wo es Alternativen gibt, sondern auf dem Land. Hier sind die kleinen Schlecker-Läden häufig die einzigen Drogerien weit und breit. Wo soll die schrumpfende Landbevölkerung künftig Windeln und Babynahrung, Kosmetika und Sonnencreme kaufen, wenn die Supermärkte nur ein eingeschränktes Sortiment führen? Im Internet, herangekarrt von Kuriersklaven?

Klar ist: Die Politik kann nicht der Ausputzer für den gescheiterten Schlecker-Patriarchen sein. Aber sie hätte eine Auffanggesellschaft unterstützen können, die den Betroffenen den Übergang in einen anderen Job erleichtert hätte – und einem Investor ein besseres Angebot ermöglicht hätte. Vor allem aber sollte sie die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Ausbeutung im Einzelhandel erschwert wird. Die Maßnahmen dazu: ein gesetzlicher Mindestlohn und die Abschaffung der Minijobs.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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15 Kommentare

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  • C
    Chris

    Lexi - Also dass ist die große ökologische Vision der Zukunft? Die Menschen geballt in Beton-Molochen lebend, auf dem Land zentrierte Viehhaltungsindustrien (ohne Bauerndörfer keine Bauern) und dazwischen natürlich noch die guten Nutzplanzen-Gewächshäuser. Wie passt der Wunsch nach "Öko"-Landwirtschaft und die Arroganz gegenüber ihren Erzeugern eigentlich für Sie zusammen?

    Liegt das Problem nicht viel mehr im Neid gegenüber den Mietpreisen (klar, natürlich die einzige Messlatte für Lebensqualität), die von Spekulanten und nicht von der Landbevölkerung in die Höhe getrieben werden?

    Oder liegt das Verkehrs-Problem vielleicht einfach darin, dass auf dem Land der Nahverkehr vollkommen ruiniert wird durch ein Unternehmen, dass ausser einem (immer noch) geplanten Börsengang keinerlei Prioritäten mehr hat?

    Vielleicht sollte man sich einfach nur mal mit dem Thema beschäftigen...

  • J
    jenny

    Es ist doch gut, dass der öffentliche Verbraucher-

     

    druck dieses "Ausbeuter u. Menschenschinderimperium"

     

    eines dahergelaufenen Provinzmetzgers zu Fall gebracht hat.

     

    Schlecker war äusserst brutal u. auch kundenfeindlich!

     

    - er beutete seine Mitarbeiterinnen durch lange

    Öffnungszeiten u. unbezahlte Überstunden aus;

     

    - er ließ die Mitarbeiter von Detektiven bespitzeln

    u. stellte unliebsamen Mitarbeitern "Fallen" die

    zur fristlosen kündigung führten;

     

    - generell drangsalierte er die Mitarbeiter durch

    Kontrollwahn;

     

    - den Kunden gaukelte er durch die "billige Aus-

    stattung seiner "Abstellkammerfilialen" günstige

    Preise vor = "preisberüht" - in Realität war

    Schlecker bis auf Werbeartikel 20 - 50 % teurer

    als die Wettbewerber !

     

    Traurig ist es n ur, dass die Mitarbeiterinnen jetzt

    arbeitslos werden u. nur auf Miniabfindungen hoffen

    könnnen ; Schlecker soll immer noch ca. 40 Mio. Eu.

    schwer sein, gut verteilt in der Familie ( Spon.)

     

    Wo bleiben die Demonstrationszüge in Ehingen von

     

    Seiten Verdi,s u. der rotgrünen Landesregierung :

     

    Schlecker sollte mindestens noch 1000 Eu. pro Schleckerfrau zahlen !!

  • AH
    Aus Haching

    "Eine Transfergesellschaft hätte den Übergang in eine neue Stelle erleichtert". Falsch.

     

    Wie soll das gehen? Die Transfergesellschaft betreibt keine Drogerien im ländlichen Raum und führt auch nicht dazu, dass andere Unternehmen die bisherigen Filialen übernehmen.

     

    Schön wäre es auch, wenn der Sexismus, der hinter der Formulierung "Schlecker-Frauen" steckt, aufhören würde. Arbeiten bei Schlecker etwa keine Männer?

  • J
    Jojas

    Liebes Landei, sie nehmen mir die Worte aus dem Mund. So oft kommt es vor, daß Meinungsstärke verbunden ist mit Ignoranz, daß ich mich frage, ob das eine mit dem anderen nicht untrennbar verbunden ist, bzw. beide in einer sich gegenseitig hochschaukelnden Wechselwirkung stehen.

  • L
    Landei

    Liebe(s) Lexi... schaltest du auch mal dein offensichtliches Städterhirn ein, bevor du hier heiße Luft fabrizierst? Es gibt genügend Menschen, die auf dem Land wohnen, weil sie dort seit Jahrhunderten ihre Wurzeln haben. Was denkst du denn, wer dein täglich Schnitzel züchtet oder dein täglich Joghurt aus der Kuh zapft? Stadtkinder? Mitnichten und Neffen, wenn mir dieser Wortwitz erlaubt sei. Des weiteren gibt es auch durchaus Punkte, die dafür sprechen, nicht in die nächste "Stadt" zu ziehen.

  • T
    Tim

    Natürlich ist es schade um die Schleckeraner. Aber das Volk wollte es so. Ich habe auch schon Jahre nicht mehr dort gekauft, dm oder Rossmann haben einfach schönere Läden, außerdem ist es dort auch günstiger.

  • H
    Hänschenklein

    Gloria Viktoria, ist großartig, was hier alles geschrieben wird und so wahr.

    Schlecker stand nie für was Dolles. Und jetzt gucken wir uns mal die Angela an, was sie denn für die Frauen tun will. Ich bin gespannt.

    Nächster Akt der Schmierenkomödie.

    Es lebe die Anarchie!

    Gloria Viktoria.

  • J
    jau

    Wisst ihr was mich wirklich ankotzt. Das jetzt jeder meint er müsse sich profilieren und in den Medien rumquatscht und von wegen man müsse den Schlecker Angestellten helfen. Ist ja schön und gut aber wäre der Aufschrei von allen Seiten auch so groß wenn es sich um eine Mittelständische Firma handeln würde? Ich denke nicht....

  • KK
    Karl K

    Sorry, who the fuck is Billy Bragg?

     

    "Rösler: Anschlußverwendung bei Schlecker"

     

    DAS wäre eure Schlagzeile gewesen.

    Ihr seid doch sonst so heavy on wire, was das angeht.

    Aber dem Unwort des Jahres hättet ihr nochmals Glanz verleihen dürfen.

    Zumal Herr Rösler jetzt fdp-light " von vielen Chancen auf Weiterbeschäftigung" faselt.

  • W
    www

    ein Teil der Schleckerleute wird von Märkten wie Rossmann übernommen, das wurde bereits so angekündigt.

     

    Generell sollte man nicht davon ausgehen, dass es in 15 Jahren noch viele Kassiererinnen geben wird. DE hängt dem Trend zwar hinterher, aber in manchen Nachbarländern steht auch in Supermärkten kaum noch ein Kassierer, sondern vollautomatische SB-Kassen. Die Kosten im Kassenbereich sind bei bis zu 65% der Gesamtkosten und sollen reduziert werden.

     

    Das wird alles im zukünftigen Supermarkt oftmals durch Technik ersetzt. Auch RFID-Technik wird den Handel verändern und teilweise automatisieren.

     

    man wird sich nicht ewig darauf verlassen können, dass das ein aufnahmefähiger Arbeitsmarkt für Frauen ist. Der Trend zu 400EuroJobs hat die Richtung schon vorgegeben und irgendwann gibt es viel weniger davon.

  • M
    martin

    Mir tuts leid für die Schleckerarbeiterinnen. Erst jahrelang menschenunwürdig ausgebeutet worden und jetz ist der Job weg, obwohl man sich jahrelang gebeugt hat. Alle Regierungen haben bisher dem Einzelhandel zuviele Freiheiten eingeräumt.

    Wer im Einzelhandel arbeitet, weiß, dass all diese Ketten (egal ob Bio oder nicht) absolut am Gesetzeslimit agieren und dank absurder Preiskämpfe auch agieren müssen.

    Deswegen: Monopole im Handel verhindern, die großen Einzelhandelsketten zerschlagen, Zeitarbeit verbieten, Öffnungszeiten maximal bis um zehn (und das is wirklich genug)!

    Als Verbraucher hat man zwar theoretisch immer die Wahl wo man einkauft, aber bei den "schicken" Ketten läufts nicht anders als bei den durch die Medien bekannten.

  • S
    Stefan

    Ich denke ganz und gar nicht, dass die Politiker irgendetwas müssen, wozu Wahlergebnisse sie nicht zwingend.

     

    Deutschland wird SchwarzGelb rgiert und die linke fliegt aus einem Parlament nach dem anderen; der einzige Grund für beides ist, dass die Wähler das haargenau so und nicht anders haben wollten.

     

    Da würde ich als Politker auch keinen Finger für prekär Beschäftigte krumm machen. Ab Ende werd ich noch abgewählt.

  • G
    Gedeon

    "Wo soll die schrumpfende Landbevölkerung künftig Windeln und Babynahrung, Kosmetika und Sonnencreme kaufen, wenn die Supermärkte nur ein eingeschränktes Sortiment führen?"

     

    Eingeschränktes Sortiment? In jedem Supermarkt in dem ich einkaufen gehe gibt es doch ein gutes Sortminet. Vielleicht keine 30 verschiedene Sonnencremes oder Zahnpastas. Aber das braucht auch keiner!

     

    Und 20 km zur Arbeit? Mache ich auch, mit dem Fahrrad. Dann könne andere das doch auch machen. Ist gesund und spart das Fitnessstudio.

  • LL
    Lehrer Lämpel

    Tja, nun merkt auch die taz, dass etwas in unserem Lande nicht stimmt. Denn schließlich war es ja die Leserschaft dieser Zeitung, die ein Regierungsbündnis wählte, das die Minijobs und die Armutslöhne überhaupt erst salonfähig machten.

     

    Es ist erschreckend, wenn eine Generation, die einmal in gesundem Misstrauen zu diesem Regime groß wurde, mit einem Mal alle guten Vorsätze über Bord wirft und sich dem Neoliberalismus hingibt. Nun gut, was wollte man auch von den "Salonrevoluzzern" anderes erwarten? Irgendwann kehren sie in die elterliche Bürgerwelt wieder zurück und bereuen. Leider bereuen sie das Falsche.

     

    Die 400 Euro-Jobs sind eine staatliche Subvention für die Handelsunternehmen - nichts anderes. Es ist günstiger 3 Arbeitskräfte zu 400 Euro einzustellen als einen Vollzeitarbeitsplatz zu erhalten. Das ist aber Betrug an den Sozialversicherern. Mit entsprechender Verzögerung setzt dann die Armut bei den 400 Euro Rentnern ein. Auf diese Art und Weise sind Milliardengeschenke an die Unternehmen verteilt worden und ebensolche Löcher in die Sozialkassen gerissen worden. Das industrielle Pendant dazu heißt: Leiharbeit.

     

    Schlecker & Co wurden und werden durch den Staat gefördert. Nur, weil weder die SPD noch die Grünen sich gegen die Interessen des Kapitals durchzusetzen vermochten, wenn sie es denn überhaupt wollten. Denn bei dieser Wählerschaft handelt es sich ja um Leute, die eine Wahnsinnsangst vor dem sozialen Abstieg treibt, die bereit sind dafür alles zu tun um für sich selbst Nachteile zu vermeiden. Deutsches Bürgertum eben.

     

    Leider haben zuwenige Menschen verstanden, dass der Klassenkampf nie aufgehört hat. Die Klassenwidersprüche wurden nur durch einige Jahre sozialliberaler Koalition verkleistert, aber dann waren sie wieder da und SPD und Grüne passten sich an. Das wurde in der gleichgeschalteten Presse als "Regierungsfähigkeit" gefeiert.

     

    Nun ist einer dieser Schmarotzer des Systems gescheitert. Seine Arbeitssklaven werden nicht die letzten sein, die in Zukunft regelmäßig die ARGEn aufsuchen werden.

  • L
    Lexi

    Die arme Landbevölkerung tut mir ja so Leid. Die haben das ja alle nicht gewusst, dass das Landleben schwieriger ist als in der Stadt, als sie auf's Land gezogen sind, wegen der billigen Grundstücke.

    Das ist mal wieder einer der debilen taz-Artikel, die mich einfach nur auf die Palme bringen. Ja, es ist richtig, die Prekarisierung im Einzelhandel (und nicht nur dort) zu kritisieren und etwas dagegen zu tun. Nur kann das nicht dazu führen, den Leuten die Verantwortung für ihr Leben abzunehmen, wie das die große Koalition aus alt-linken Sozialisten und reaktionären Neoliberalen tun will.

    Klar ist: Es war richtig, keine Auffanggesellschaft für Schlecker zu bilden. Wem es auf dem Land nicht gefällt, der muss nicht bleiben. Es gibt genügend mittelgroße Städte, die mit ein paar mehr Einwohnern sehr attraktiv werden könnten. Dort kann man den nächsten Supermarkt und die nächst Drogerie zu Fuß erreichen. So einfach ist das. Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass blühende Landschaften dadurch entstehen, dass man Wiese sät. Deswegen gehören kleine Gemeinden, die nicht selbst lebensfähig sind, geschlossen, abgerissen und renaturiert. Allein schon deshalb, um die Umwelzerstörung durch die völlig perversen Autofahrten, die in ländlichen Regionen für jeden Handgriff nötig sind, zu unterbinden.

    Da ist falsches Mitleid für die Landeier völlig fehl am Platz.