Kommentar Röttgen: Der mit der Rückfahrkarte
CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen ist der erste Verlierer der NRW-Wahl. Nicht einmal er selbst glaubt, die populäre Amtsinhaberin ablösen zu können.
D er Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen hat kaum begonnen, da steht der erste große Verlierer schon fest. Norbert Röttgen ist in die Falle getappt, die er sich selbst aufgestellt hat. Formal noch nicht einmal als CDU-Spitzenkandidat nominiert, hat er sich bereits selbst demontiert.
Am Tag der Auflösung des Düsseldorfer Parlaments hatte sich Röttgen noch kampfeslustig als Herausforderer von Regierungschefin Hannelore Kraft präsentiert. Doch die von ihm gewünschte Dynamik ist schon verflogen.
Indem er beharrlich die Antwort verweigert, ob er nach dem 13. Mai auch als Oppositionsführer in die Landespolitik wechseln würde, verspielt er seine kleine Chance auf die Sensation. Durch sein Lavieren demonstriert Röttgen, dass nicht einmal er selbst glaubt, die populäre Amtsinhaberin ablösen zu können.
ist NRW-Korrespondent der taz.
Röttgen scheut das volle Risiko – und beraubt sich dadurch aller Aussichten auf einen Meinungsumschwung an Rhein und Ruhr. Auch potenzielle CDU-Wähler mögen keine Vollkasko-Politiker. „Muttis Klügster“ scheint nichts aus dem Schicksal Norbert Blüms gelernt zu haben: Der damalige Bundesarbeitsminister hatte 1990 auch nur im Falle eines Wahlsiegs nach Düsseldorf gehen wollen – und musste sich dafür von SPD-Ministerpräsident Rau als Kandidat auf der Durchreise verspotten lassen. Blüm bescherte der CDU das zweitschlechteste Ergebnis in der NRW-Geschichte.
Doch Röttgen bleibt sich treu: Wagemutig ist er nur mit Netz und doppeltem Boden. So war es schon 2006, als er nur unter der Bedingung, sein Bundestagsmandat behalten zu können, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie werden wollte. Damals bekam seine Karriere nur eine kleine Delle. Diesmal dürfte sie größer ausfallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien