Kommentar Plagiatsvorwürfe: Keine neue Guttenberg
Die angebliche Plagiatsaffäre Schavan ist keine. Nicht jede Recherche des Internetschwarms verdient es, zum Skandal hochgejubelt zu werden.
E s hat etwas rührend Altmodisches, wie sich Annette Schavan gegen Plagiatsvorwürfe aus dem Internet verteidigt: Wer ihr Schummelei bei ihrer Doktorarbeit vorwerfe, findet die Bildungsministerin, solle sich gefälligst zu erkennen geben. „Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen.“
Dahinter stecken zwei hoffnungslos veraltete Ansichten. Die, dass Kritik nur satisfaktionsfähig sei, wenn eine bekannte Autorität sie äußere. Und die, dass Kritiker mutig genug sein müssten, mit ihrem Namen für Vorwürfe einzustehen.
Beides sind Kategorien, die im Internet nichts gelten. Hier ermittelt der anonyme Schwarm, und er lässt sich keine Regeln diktieren. Wie effektiv er Täuschungsversuche zu zerpflücken vermag, hat er bei der Plagiatsaffäre Karl-Theodor zu Guttenbergs hinreichend bewiesen.
ist Parlamentsredakteur der taz.
Ein Politiker, der ins Visier der Netzaufklärer gerät, tut deshalb gut daran, schnell selbst aufzuklären. Daher ist richtig, dass Schavan die Universität Düsseldorf gebeten hat, ihre Doktorarbeit zu prüfen.
Aber wahr ist auch: So wie es falsch wäre, die Erkenntnisse der Hobbyrechercheure im Netz zu ignorieren, wäre es ebenso falsch, sie zu verherrlichen. Denn entscheidend ist nicht die Fleißarbeit, Fehler aufzudecken. Wichtiger sind Maßstäbe, nach denen Fehler als solche identifiziert werden. Und wie sie in der Summe zu bewerten sind.
Und hier deutet sich bereits an: Die angebliche Plagiatsaffäre Schavan taugt nicht für die üblichen Erregungsmuster. Viele der von der Website kritisierten Textstellen sind kleinere Vergehen gegen akademische Regeln – und kein Betrug à la Guttenberg. Deshalb können hier auch die klassischen Medien etwas lernen: Nicht jede Recherche des Schwarms verdient es, zum Skandal hochgejubelt zu werden.
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