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Kommentar PiratenparteiDas neue Objekt der Begierde

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Piratenpartei mausern sich plötzlich zu einer Alternative für bisherige grüne Stammwähler - weniger wegen ihrer konkreten Politik, sondern wegen ihrer Unangepasstheit.

P lötzlich wird der Wahlkampf in Berlin wieder richtig spannend. Nicht nur für die Wähler. Sondern vor allem durch die Wähler. Denn die haben sich - schenkt man den jüngsten Umfragen Glauben - ein neues Objekt der Begierde ausgeguckt: die Piratenpartei.

Der überraschende Aufstieg der Partei gewordenen Internetaktivisten geht einher mit dem anhaltenden Absacken der Grünen in den Umfragen. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, kann den Zusammenhang fast nicht übersehen. Viele linksfühlende Stammwähler der Grünen sind durch die Möglichkeit, dass ihre bisherige Lieblingspartei mit der CDU koaliert, so irritiert, dass sie sich längst neue Optionen suchen. Da kommen die Piraten wie gerufen. Weniger wegen ihrer konkreten Positionen. Die kennt ja bisher kaum jemand. Aber die Piraten stehen für Unangepasstheit, irgendwie freakiges Spontitum - und jetzt haben sie auch noch den Makel verloren, dass eine Stimme für sie auf jeden Fall verloren wäre. All das dürfte reichen, um das noch fehlende halbe Prozent für den Einzug ins Parlament draufzusatteln.

Das hätte weitreichende Konsequenzen. Zweierkoalitionen mit absehbar knapper Mehrheit wie Rot-Rot oder Grün-Schwarz stünden im Parlament plötzlich drei Oppositionsparteien gegenüber - und hätten somit selbst rechnerisch keine Mehrheit mehr. Ein mathematischer Fakt, der linksskeptische Grüne eher noch beflügeln wird, ihr Kreuz bei den Piraten zu machen. Denn für eine rot-grüne Koalition würde es auch noch reichen, wenn ein paar Nerds das Parlament entern.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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8 Kommentare

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  • AK
    Alexander Kramer

    Entschuldigen Sie, aber es ist mittlerweile nicht mehr angebracht von "ein paar Nerds" zu reden. Ich stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden, bin selbstständig, versorge eine kleine Familie und stimme dennoch für die Piratenpartei. Die PP hat ernste und wichtige Themen - stellt sich nach und nach breiter auf - etwas mehr Objektivität bitte.

  • GA
    Gereon Asmuth

    @wenero

    Es mag ja sein, dass ich "gefaselt" habe, denn offensichtlich haben Sie mich komplett missverstanden. Ich habe den Piraten nicht vorgeworfen, dass ihre potenziellen Wähler nicht das Wahlprogramm kennen. Ich würde deswegen den Piraten und auch keiner anderen Partei "Undurchsichtigkeit" unterstellen.

     

    Auch würde ich keinem Wähler vorhalten, dass er vor seiner Entscheidung kaum in die Programme der Partei geschaut hat. Das machen je tatsächlich die wenigsten (was ebenfalls kein Vorwurf ist).

     

    Und genau deshalb gehe ich aber davon aus, dass die meisten Wähler ihre Entscheidung nicht anhand konkreter Programmpunkte fällen, sondern eher dem Gesamtimage folgen, das eine Partei und ihre KandidatInnen ausstrahlen. Deshalb haben ja, wie man im aktuellen Wahlkampf gut sehen kann, einige Parteien ganz unabhängug von ihren konkreten Inhalten sehr gute Karten und andere nicht.

     

    Mit freundlichen Grüßen aus der taz,

    Gereon Asmuth

     

    PS: Warum Sie sich durch meinen Kommentar als Protestwähler beschimpft fühlen, verstehe ich wiederum gar nicht. Ich habe nichts in der Richtung geschrieben und halte ganz nebenbei die Bezeichnung "Protestwähler" nicht für alles andere als beleidigend.

  • W
    wernero

    Die konkreten Positionen der Piraten kennt kaum jemand? Entschuldigung, Herr Asmuth, Sie faseln. Welcher Wähler hat denn die Wahlprogramme gelesen? Der Herr Asmuth? Scheint's auch nicht. Kennen Sie die konkreten Positionen, wirklich konkret, der Berliner Landesverbände von meinetwegen Grünen, FDP, CDU zu, sagen wir mal, Kitaplätzen, Verkehrspolitik und Finanzpolitik des Landes Berlin? Sehnse. Manchen Parteien wird es vorgeworfen, dass die Wähler zu faul sind das Programm zu lesen, und manchen nicht. Aber ausgerechnet der Piratenpartei Undurchsichtigkeit zu unterstellen, die ja nun jede Wortäusserung ins Netz gestellt haben, ist dreist und unfair.

    Eins noch: den Piratenwählern geht es vielleicht nicht um die speziellen Positionen, sondern um den anderen Politikstil? Schon mal drüber nachgedacht? Ich lass mich doch hier nicht als Protestwähler beschimpfen. Eine Frechheit.

  • DL
    der lentz

    zur politik gehört strategie

    und wenn grün schon vor der wahl alle karten ausser rot-grün aus der hand legt bedeuted das nach der wahl die spd ihre wunschliste vorlegt und die grünen nur noch unterschreiben können

    alles inclusive

    mit mediaspree und autobahn

    so wie es der linken bisher gegangen ist, die ja aus demselben grund das sgb2 genauso mitgetragen haben wie die von ihnen großspurig verurteilten neoliberalen restparteien.

    ich bezweifle ob es jeh wirklich eine schwarz-grün option gab.

    aber nicht mal bluffen dürfen um wenigstens minimal mitgestalten zu dürfen?

    manchmal verzweifle ich an der kurzsichtigkeit von apparatschiks undprotestwählern

  • K
    Kaboom

    Wenn Stammwähler der Grünen sich abgestossen fühlen wegen der von Renate Künast offenkundig präferierten Option, sich mit Hilfe der Berliner CDU zur Regierenden OB wählen zu lassen, dann ist das angesichts der Geschichte und der Positionen der Berliner CDU wohl mehr als verständlich.

     

    Und ein Schuss vor den Bug könnte der Grünen Spitze vielleicht etwas Sand ins Getriebe der Versuche streuen, sich als neue FDP in er mittleren Mitte, offen für alles und jeden zu positionieren.

  • SW
    Stamm wähler

    Die Geschichte der Schillpartei zeigt, wie schnell Macht versagt... .

     

    Jedem Grünen mitzuteilen das eine Piraten-Stimme eine "Anti-Schwarz-Grün"-Stimme ist, hilft hoffentlich.

    Im Prinzip sind Grüne auch nur noch Establishment. Die Basis dürfte deutlich unzufrieden sein. Diskussions-Apps würden Topdown-Politik deutlich ausdünnen und grüne Prinzipien wieder erkennbar machen.

  • M
    Marcus

    Ich finde die Vorstellung, als Partei Stimmen von Leuten zu bekommen, die nichtmal das Programm kennen und nur aus einem diffusen Bauchgefühl heraus Piraten wählen, ziemlich bedenklich. Dies kann schnell nach hinten losgehen, wenn nämlich dann diese Leute eventuell ihre Positionen doch nicht vertreten sehen und dann anfangen, in ihrem Umfeld gegen diese Spontan-Entscheidung Stimmung machen.

  • T
    Toby

    Ich habe als Grünwähler auch Positionen, in denen mir die Grünen nicht konsequent genug sind. Wahrlich! Aber wenn ich an die ganzen fruchtlosen Diskussionen denke, die ich mit Piraten an deren Infoständen geführt habe, wüßte ich wirklich nicht, wieso ich meine Stimme von "unzureichend" nach "ahnungslos" verschieben sollte.