Kommentar Palästina: Zurück auf Los
Die Palästinenser wollen ihren Staat bei der Uno anerkannt wissen. Dafür riskieren sie auch ein Ende der Finanzhilfen aus den USA. Das ist mutig - aber keinesfalls vermessen.
D ie Palästinenser gehen aufs Ganze. Keine halben Sachen, keine faulen Kompromisse mehr. Sie wollen endlich einen anerkannten Staat in den Grenzen von 1967. Das ist legitim. Einen Staat Palästina zu verlangen, der nur noch knapp die Hälfte des Gebietes ausmacht, der in der Uno-Teilungsresolution von 1948 versprochen worden war, kann man nicht als Vermessenheit bezeichnen. Es ist nicht mehr als das, was die internationale Gemeinschaft seit Jahren als Nahost-Friedenslösung anstrebt.
18 Jahre nach der Unterzeichnung der Oslo-Verträge kann es auch nicht verwundern, dass die Palästinenser es schlicht leid sind, endlos weiter bilaterale "Friedensgespräche" mit Israel zu führen, die nur mehr Siedlungen und weiteren Landraub gebracht haben. Überraschend ist jedoch, dass die Autonomiebehörde es wagt, sich derart offen gegen die US-Regierung zu stellen. Die hat schließlich nicht nur ihr Veto im Sicherheitsrat angedroht, sondern auch die Einstellung jeder finanziellen Hilfe.
Die Forderung der Palästinenser ist schlicht Ausdruck der Verzweiflung. Gegen die Politik der Regierung Netanjahu sehen sie keine andere Möglichkeit mehr, als den Nahostkonflikt wieder auf die internationale Bühne zu tragen. Die Uno hat das Problem geschaffen, die Uno soll es also auch lösen. Oder doch wenigstens ein Zeichen setzen, dass die überwiegende Mehrheit ihrer Mitglieder für eine Zweistaatenlösung eintritt. Lippenbekenntnisse vonseiten der Staatengemeinschaft reichen den Palästinensern nicht mehr.
ist Redakteur im taz-Auslandsressort.
Absehbar ist, dass sich der Konflikt vor Ort erst einmal verschärfen wird. Die israelische Regierung hat bereits mit "harschen und gravierenden Konsequenzen" gedroht. Sie will alle bisherigen Verträge annullieren, und sie kann den Palästinensern im Westjordanland das Leben in der Tat zur Hölle machen. Gerechtfertigt ist das jedoch nicht. Der Uno-Antrag ist - allen verbalen israelischen Querschüssen zum Trotz - keine Delegitimierung Israels. Er delegitimiert allenfalls die Besatzungs- und Expansionspolitik der Regierung Netanjahu.
Eine Anerkennung Palästinas durch die Uno könnte ein Umdenken in der israelischen Politik auslösen und all jene Kräfte stärken, die nicht nach einem Großisrael streben. Am Ende werden ohnehin alle Parteien wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen - unter neuen Vorzeichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau