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Kommentar Neuwahlen in IsraelNetanjahus Politpoker

Kommentar von Susanne Knaul

Offizielle Begründung für die vorzeitige Wahl in Israel ist die fehlende Einigung über den neuen Staatshaushalt. Doch Netanjahu hat auch andere Gründe.

B enjamin Netanjahu gelang, woran viele israelische Regierungschefs vor ihm scheiterten. Er überstand fast die gesamte Regierungsperiode. Und er wird bei Neuwahlen sicher in seinem Amt bestätigt werden. Das Volk steht mehrheitlich hinter ihm, obwohl er sein Versprechen, das Problem Atomstaat Iran zu lösen, nicht hielt und obwohl er auch ohne den anvisierten Präventivschlag auf die nuklearen Anlagen das israelische Image international auf ein Rekordtief brachte. Sein Erfolg ist, dass nichts passierte. Es gab weder Terror noch Krieg.

Ursprünglich sollten die Wahlen nach viereinhalb Jahren stattfinden, wie es der jüdische Kalender im Gesetzbuch vorschreibt. Doch Netanjahu will den Urnengang hinter sich haben, wenn sich das Problem Iran zuspitzt, was im April oder später passieren soll. Sämtliche Prognosen, dass ein Angriff im Herbst, also jetzt, stattfinden müsse, um die meterdicken Betondecken der Atomanlagen mit den verfügbaren Waffen noch durchbrechen zu können, sind nicht mehr relevant. Wenn es Netanjahus Politikpoker erfordert, lässt sich damit auch noch bis zum nächsten Frühjahr warten.

Offizielle Begründung für den vorzeitigen Urnengang ist die fehlende Einigung über den neuen Staatshaushalt. Den Ministerien stehen Kürzungen ins Haus. Umgerechnet knapp drei Milliarden Euro fehlen, um erhöhte Ausgaben des Militärs und die Reform im Erziehungsbereich zu tragen.

Bild: privat
Susanne Knaul

ist Israel-Korrespondentin der taz.

Von den Sozialprotesten im vergangenen Jahr blieb nur die kostenfreie Kindergartenversorgung für den Nachwuchs ab drei. Von einer Umverteilung der Steuerlast zu Gunsten der Geringverdiener oder gar einem Aufbrechen der Kartelle keine Spur. Netanjahus Wiederwahl dürfte auch das nicht im Wege stehen.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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5 Kommentare

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  • I
    I.Q

    @ somariot

     

    In der Analyse der Beweggründe, etwa beim Wahlverhalten der israelischen Einwanderungsgesellschaft, kann man nicht mit Postulaten arbeiten, schon gar nicht wenn sie ohnehin falsch sind. Was also haben Sie eigentlich zu den Gründen zu sagen, warum ein Netanjahu wiedergewählt werden wird?

     

    Gehen Sie aber in sich und überprüfen Sie den Gedanken, die Masse der Israelis könnte von jenen abstammen, die in Vernichtungslagern, bei Massenerschießungen oder sonst wie durch deutsche oder mit ihr verbündete Hand ums Leben gekommen sind ?

    Haben Sie darüber Zahlen und was sagt Ihnen wie Sie es nennen, die eigene „Waffel“?

     

    Wahr ist, dass man sich nach dem Krieg bemühte, die wenigen, die Todeslager Überlebenden wie auch jene, die sich diesen im Machtbereich Deutschlands entkommen konnten, zu einer Auswanderung nach Palästina zu bewegen auch mit der Absicht, sie nicht in andere, begehrtere Ausreiseländer ziehen zu lassen.

     

    Die Masse der Einwanderer aber, und da sollte man mal eine genauere Zahlenzusammenstellung machen, stammte aus den unbesetzten Teilen der Sowjetunion, aus nicht besetzen Ländern wie Bulgarien, aus vielen Ländern Nordafrikas und des Nahen-Ostens oder eben aus jenen Teilen Europas und Nord und Südamerikas, in die auch viele vor dem Beginn der Massenvernichtung entkommen bzw. immigrieren konnten.

    Einige und auch nicht wenige von denen könnte man als Menschen, die dem Holocaust entgangen waren, bezeichnen, aber gewiss nicht als solche, die ihn überlebt haben. Das gilt auch für die, die in den 30ern Zuflucht in Palästina fanden.

     

    Ansonsten gibt es sowieso keinen Grund für die Annahme, Opfer von Gewalt würden durch diese eine Läuterung erfahren haben, mit der sie vor den Anfechtungen und Versuchungen selbst Gewalt und Unrecht auszuüben, gefeit wären.

     

    Propagandaphrasen, wie sie etwa auch vom ehem. Botschafter Simon Stein verbreitet wurden, wer denn den Staat "Israel" geschaffen habe, helfen da nicht weiter.

  • S
    SomaRiot

    @ Ignaz Quadratwurzel

     

    Wer ausgerechnet den Israelis, die zu einem großen Teil von Opfern des Holocaust abstammen, eine verdrängte Kollektivschuld anhängen will, muss beträchtlich einen an der Waffel haben.

  • U
    Ute

    Herr Harald:

    "Israel ist dennoch das einzige Land der Welt, daß seinen robust-kreativen, ausländischen Kritikern kein Mitspracherecht über seine Politik einräumen mag"

     

    ja aber, haben Sie Nordkorea vergessen?

     

    Bestimmt, passt ja auch zu den weiteren Ausführungen, die Sie zu dieser Wahl machen, die offenbar deshalb stattfindet, weil man z.Z. mit der Zeit dort nichts Besseres anzufangen weiß.

  • H
    Harald

    "Es gab weder Terror noch Krieg."

     

    Stimmt.

     

    Wenn Thailand, Zypern und Burgas weggelassen wird, einige Überfälle an der ägyptischen Grenze, die mehr als 450 Raketenangriffe aus Gaza allein in diesem Jahr und die diversen Angriffe auf Einzelpersonen aus dem Westjordanland ebenso, dann stimmt es.

     

    Nimmt man dazu die wöchentlichen Vernichtungsversprechen der Teheraner Führung als Mullah-Folklore, desgleichen deren Anspruch auf die Hauptstadt Jerusalem, hat Israel nun wirklich keinen Anlass besorgt zu sein.

     

    Israel ist dennoch das einzige Land der Welt, daß seinen robust-kreativen, ausländischen Kritikern kein Mitspracherecht über seine Politik einräumen mag. Jetzt werden sogar Wahlen veranstaltet, bei denen nur die in Israel lebenden Araber teilnehmen dürfen. Obwohl Wahlen bei den Nachbarregierungen so außerordentlich beliebt sind.

     

    Und die Welt sieht zu und schweigt. Außer einigen Sozialverbänden, denen die Religion besonders am Herzen liegt.

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    Ist die Beliebtheit von Netanjahu nicht darauf zurückzuführen, dass es ihm seit einem Jahr gelungen ist, jeglichen Fortschritt in dem was manche den „Friedensprozess“ nennen zu hintertreiben?

     

    Die Masse der israelischen Einwanderungsgesellschaft ist offenbar nicht gewillt den Kolonisierungsprozeß in den 1967 zusätzlich besetzten palästinensischen Gebieten zu stoppen, gar dem im eigenen Lande in Frage zu stellen.

    Sie eint in der großen Mehrheit ohnehin das verdrängte Bewusstsein, sich auf fremden, mit Gewalt angeeigneten Territorium zu leben und was sollte ihnen besser gefallen, als jemand, der ihnen ständig dabei behilflich ist, diese Verdrängung aufrecht zu halten.

    Ein Ministerpräsident, dem es gelingt dafür die Unterstützung des finanz- und militärisch starken Westens zu bekommen,

    die ja selbst gerne diese Verdrängung pflegen wollen,

    muss in den Augen einer solchen, durch kollektive Schuld korrumpierten Gesellschaft eine Empfehlung sein.