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Kommentar NSU-AffäreWas aus der NSU-Affäre folgt

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die Aufarbeitung der NSU-Affäre droht im technischen Klein-klein zu versanden. Ohne öffentlichen Druck wird sich nichts Grundsätzliches bei den Behörden ändern.

E her pflichtschuldig und bescheiden fielen die Demonstrationen aus, mit denen am Wochenende bundesweit in mehreren Städten an die Mordserie der drei Thüringer Neonazis erinnert wurde, deren Netzwerk im vergangenen Jahr eher durch Zufall aufgeflogen war. Warum treibt dieser Skandal nicht mehr Menschen auf die Straße?, fragen deshalb manche. Nach den Anschlägen von Mölln und Solingen vor zwanzig Jahren hatten sich schließlich noch Millionen Bürger an den Lichterketten gegen die rechte Gewalt beteiligt.

Damals, nach Mölln und Solingen, richtete sich der Protest allerdings auch gegen eine Regierung, die gefühllos und gleichgültig auf die rechte Gewalt reagierte oder sie sogar noch anzufachen schien. Heute dagegen gehen gleich mehrere Untersuchungsausschüsse der Frage nach, wie es so weit kommen konnte. Und mit dem Staatsakt für die Opfer der Neonazi-Zelle im Februar hat Angela Merkel deutlich gemacht, dass sie die NSU-Morde ernst nimmt. Viele Bürger, auch viele Migranten, sehen deshalb keinen Anlass zu breitem Protest.

Doch ein Jahr nachdem der braune Terror offenbar wurde, droht die Frage, welche Konsequenzen aus dem eklatanten Versagen der Behörden in der NSU-Affäre zu ziehen wären, längst im technischen Klein-Klein unterzugehen. Dabei drängen die ständig neuen Enthüllungen über Pannen und Peinlichkeiten längst die Frage auf, welche Berechtigung ein solcher Staat im Staate hat, wie ihn die vielen Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern bilden. Wenn sie ihre schützende Hand über mehrere Neonazis hielten, die daher ungestört rechte Strukturen aufbauen konnten, wie der Spiegel jetzt berichtet, dann sind sie ein Teil des Problems, nicht seiner Lösung.

Bild: taz
Daniel Bax

ist Inlandsredakteur der taz mit dem Arbeitsschwerpunkt Migration.

Es ist deshalb überfällig, den Verfassungsschutz in Deutschland komplett zu überdenken und neu zu organisieren. Doch auch mit Blick auf die Polizei stellen sich ernste Fragen. Immerhin ermittelte sie jahrelang in die falsche Richtung. Es ist offensichtlich, dass sie voller Vorurteile an die NSU-Morde heranging.

Ein Mentalitätswandel bei diesen Behörden ist deshalb das Mindeste, was es jetzt braucht. Eine Migrantenquote bei der Polizei, für die sich der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, jetzt offen zeigte, könnte einen Beitrag dazu leisten. Doch ohne öffentlichen Druck, etwa durch Proteste auf der Straße, wird es solche Schritte nicht geben.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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4 Kommentare

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  • W
    wauz

    Es gibt auch türkische Faschisten... und aus anderen Ländern auch. So lange die Polizei sich gewissermaßen selbst rekrutieren darf, wird sich nichts ändern.

  • J
    Jörn

    Ohne den Verfassungsschutz wäre diese Mordserie nicht möglich gewesen.

    Auch in der Aufarbeitung der Geschehnisse kümmern sich Innenministerium und Verfassungsschutz nicht um das Aufspüren der Schuldigen sondern um die Vernichtung der Beweise.

    Die Polizei hat immer wieder auch in die richtige Richtung ermittelt - diese Ermittlungen dann aber auch schnell wieder eingestellt. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Polizeiermittler dies stets von sich aus getan haben.

    Sicher wäre eine ausgewogene Zusammensetzung der Polizei ein Vorteil. Bitte führt jedoch nicht noch eine weitere Quote ein - denn wichtiger als eine ausgewogene Personalstruktur bei der Polizei ist eine gut ausgebildete Polizei, die sich an Recht und Gesetz hält. Gute MigrantInnen dürfen auf ihrem Weg in die Polizei keine Steine in den Weg gelegt werden - schlechte haben dort nichts verloren.

    Sonst fordert als nächstes die Antifa eine Linkenquote in der Polizei, da die PolizistInnen mehrheitlich aus dem rechten Parteienspektrum kommen.

  • D
    daweed

    "Und mit dem Staatsakt für die Opfer der Neonazi-Zelle im Februar hat Angela Merkel deutlich gemacht, dass sie die NSU-Morde ernst nimmt. Viele Bürger, auch viele Migranten, sehen deshalb keinen Anlass zu breitem Protest."

     

    Erinnert mich irgendwie an Geldkoffer und Ehrenwort.

    Siehe Friedrich und "unser Asylproblem".

     

     

    Und was lernen wir daraus? Taten statt Worte!

  • VB
    Volker Birk

    Der Verfassungsschutz ist eine Vollpleite. Er hat seit dem kalten Krieg nie funktioniert, wirkte immer kontraproduktiv.

     

    Wie kommt der Autor nun dazu, diese irregeleiteten Behörden müssten etwa "neu organisiert" werden?

     

    Die Verfassungsschutzämter müssen geschlossen werden, nicht "neu organisiert". Und je eher desto besser.

     

    Sie sind weder beherrschbar, noch dienen sie einem vernünftigen Zweck.