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Kommentar LinksparteiZurück nach Osten

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Einem spannenden Experiment droht die Beerdigung – und zwar genau dort, wo es angefangen hat: Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen kämpft ums Überleben.

E s sieht trostlos aus. Während die Welt am Sonntag mal wieder mit einer neuen Stasi-Geschichte über Gregor Gysi aufmacht, versuchte sich die nordrhein-westfälische Linkspartei am Wochenende in Hagen Mut zu machen für die Landtagswahl am 13. Mai.

Doch so recht gelingen wollte es nicht. Zu groß sind bei vielen die Zweifel, es noch mal packen zu können. Es ist ein Himmelfahrtskommando, auf das sich die beiden SpitzenkandidatInnen Katharina Schwabedissen und Wolfgang Zimmermann eingelassen haben.

Einem spannenden Experiment droht die Beerdigung – und zwar genau dort, wo es angefangen hat. Es waren jene 2,2 Prozent, die die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005 einfahren konnte, die die WASG erst zum Objekt der Begierde für die im Westen jenseits der Wahrnehmungsgrenze vor sich hindümpelnden PDS machte.

Bild: taz
Pascal Beucker

ist NRW-Korrespondent der taz.

Und ohne den seinerzeitigen Achtungserfolg hätte sich wohl auch Oskar Lafontaine nie auf das Wagnis Linkspartei eingelassen. Als sie beim Urnengang 2010 mit 5,6 Prozent den Sprung in den Landtag schaffte, galt das als der endgültige Durchbruch im Westen.

Der nordrhein-westfälische Landesverband steht denn auch wie kein anderer für das Projekt „Die Linke“. Nirgendwo sonst ist noch so deutlich zu erkennen, aus was es entstanden ist: aus dem Zusammenschluss der von westdeutschen Gewerkschaftern und heimatlosen Linken gegründeten WASG mit der DDR-geprägten PDS.

In Ostdeutschland nennt sich die PDS heute nur anders, die Wahlerfolge im Saarland wären ohne die alte Strahlkraft Oskar Lafontaines nicht denkbar. An Rhein und Ruhr entstand hingegen tatsächlich etwas Neues, linker und rebellischer. Doch die Euphorie der Anfangsjahre ist längst weitergezogen – hin zu den Piraten, die jetzt von jener Aufbruchstimmung beflügelt werden, die der von den Mühen der Ebene zermürbten Linkspartei heute fehlt.

Die Piraten wären zwar sicherlich eine Bereicherung im Düsseldorfer Parlament, ersetzen könnten sie die Linkspartei jedoch nicht. Es wäre ein Verlust, würde sie künftig als linkes und soziales Korrektiv ausfallen – gerade bei der zu erwartenden stabilen rot-grünen Mehrheit.

Aber es geht noch um mehr: es geht um das Scheitern des Versuches, eine bundesweit ausstrahlungskräftige Partei links der SPD zu etablieren. Wo alles begann, droht jetzt der Anfang vom Ende. Nach dem 13. Mai könnte die Linkspartei wieder dort ankommen, wo die PDS vor 2005 bereits stand: relevant nur im Osten. Nicht nur für die FDP geht es also um einen Überlebenswahlkampf.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.

13 Kommentare

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  • V
    vic

    Was ein Jammer. Ich hoffe, dass

    es trifft nicht zu, dass die einzig verbliebene Partei für mich den Weg der FDP geht.

    MEIN Herz sclägt links!

  • TB
    Thorsten Büchner

    Von den antisemitischen Widerwärtikeiten innerhalb der Linkspartei hat der NRW-Landesverband die übelsten Exzesse zu verantworten. Insofern gilt auch hier: Nazis raus aus den Parlamenten!

  • JB
    jane Bond

    Die Linke ist zu abgehoben.

     

    Sie hat zwar auf Bundesebene das inhaltlich richtige Programm. Wenn aber parteiunabhängige Initiativen Unterstützung bei den gut bezahlten Bundestagsabgeordneten oder Berliner Landtagsabgeordneten suchen, dann ist die Linke viel zu lahmarschig und zu desinteressiert. (Die Grünen übrigens genauso!) Diese Parteien erscheinen von außen als verkrustet und autoritär.

     

    Heute wollen sich die Leute aber nicht mehr von Parteien vereinnahmen und benutzen lassen, sondern sie wollen selbstbewusst Inhaltliche Ziele durchsetzen. Dazu fällt der Linkspartei nicht viel ein. Mit realer BürgerInnenbeteiligung ist da nicht viel.

     

    Die Piraten sind da interessanter, weil man den Eindruck hat, man könne gleich mitmachen. Ob dieser Eindruck stimmt, wird sich zeigen.

     

    Nachteil der Piraten: Sie sind eine Männerpartei und schrecken dadurch Frauen ab.

     

    Sie haben sozialpolitisch zu wenig zu bieten. Das bedingungslose Grundeinkommen muss höher sein, als bis jetzt propagiert.

     

    Grüne und SPD sind weiterhin eindeutig neoliberal, also auch 2013 unwählbar.

  • W
    Waage

    Wenn die Linkspartei weg vom Fenster ist, wäre das höchstens um einige einzelne Abgeordnete schade. Ansonsten soll sie dahin gehen wo die FDP hoffentlich auch hingeht.

     

    Na ja, dass der vic dann traurig ist, das tut mir auch leid(ein klitzekleines bißchen).

     

    Apropos, lange nichts mehr von ihm gehört, es wird ihm ja wohl hoffentlich gut gehen!

  • U
    Unmut

    Ich weiß leider nicht, ob die "Die Welt" damals an den Nazis Anstoß nahm, die nach dem Krieg in die Parteien aufgenommen wurden. Ich denke wohl nicht, denn ein Naziregime braucht Förderer-, und das sind wiederum die Kapitalisten. Egal! Was? Wer hat Angst vor den Linken-, doch nur die Maßlosen.

  • C
    Chesterfield

    Deutschland braucht eine starke Linke,weil die SPD zu rechtslastig geworden ist und sich kaum noch von der CDU unterscheidet.Die SPD war mal eine Arbeiterpartei,die sich für die Belange des kleinen Mannes eingesetzt hatte.Das ist nun längsr vorbei und deshalb muß es wieder eine starke linke Partei geben.Die FDP mag untergehen,sie wir keiner vermissen,die PIRATEN müssen erst eine eigene Linie finden und die GRÜNEN sind von einer anfänglich im Parka und mit Fahrrad fahrenden Mitgliedern zur Armanietragenden und Benz u.Audi fahrenden Bonzenpartei geworden.Wir brauchen eine Partei für den kleinen Mann,der sich gegen die Machenschaften der Etablierten nicht allein wehren kann.Deshalb

    DIE LINKE!

  • W
    Weinberg

    Ich erlaube mir untertänigst, an die Zitterpartie der GRÜNEN bei der Landtagswahl am 25. März im Saarland zu erinnern.

     

    Das durch die WählerInnen um seine Posten gebrachte grüne Establishment wird sich in den kommenden Wochen garantiert gegenseitig zerlegen.

     

    Warten wir also ab, wie sich die WählerInnen in NRW entscheiden. Es mag sein, dass die Linkspartei Federn lassen muss. Aber auch die GRÜNEN sind vor Verlusten nicht gefeit, denn die Piraten sind auf Enterkurs!

  • DQ
    Der Querulant

    Linkspartei? Kenne ich nicht!

     

    Sollte allerdings Die Linke gemeint sein, so ist ihr Ende wohl absehbar. Und das zu Recht.

     

    Die Linke hat die in sie gesetzten Erwartungen mehr als enttäuscht. Die Partei hat es nicht vermocht, den vorgeblichen Sozialstaat als das zu entlarven, was er in Wirklichkeit ist - eine Subventionsmaschine für die Wirtschaft, insbesondere die Finanzwirtschaft. Wer Hartz-IV abzulehnen behauptet, sich aber lediglich dem Streit über die Höhe der Regelsätze anschließt, der verliert jede Glaubwürdigkeit.

     

    Die Linke hat damit endgültig bewiesen, daß das Parteiensystem ungeeignet ist, Staatsziele wie das Allgemeinwohl gegen andere Interessen durchzusetzen. Die parlamentarische Demokratie muß insofern als gescheitert angesehen werden.

     

    Vielen Bürgern ist das vielleicht noch nicht direkt bewußt, aber sie fühlen es. Sie sind frustriert und resigniert ob des politischen Handelns und der politischen Gleichschaltung der Parteien in Richtung eines unmenschlichen Neoliberalismus. Sie gehen nicht mehr zu den Wahlen, da Wahlen keinen Einfluß mehr auf die politische und damit gesellschaftliche Realität haben. Wozu also noch wählen?

     

    Insbesondere der mangelnde Einfluß der Wähler auf die Bildung von Koalitionen macht das Wählen mehr und mehr sinnlos, steht am Ende und im Zweifel doch nur eine große Koalition zweier ehemaliger Volksparteien, die sich einzig in den Lügen gegenüber dem Wahlvolk unterscheiden, nicht aber in ihrer Realpolitik. Mehr und mehr Wähler fordern daher mehr direkte Demokratie, um diesem Possenspiel der etablierten Parteien ein Ende bereiten zu können. Und da kommt die Piratenpartei in's Spiel.

     

    Neben viel Absurdem steht die Piratenpartei für Transparenz und Offenheit politischer Abläufe, für mehr direkte Demokratie. Ob das so bleibt und zum Erfolg führt, das bleibt abzuwarten. Aber noch lohnt es sich, die Piraten zu unterstützen und somit die Chance zu wahren, Veränderungen des politischen Systems herbeizuführen. Schau'n wir mal, was aus den jungen Wilden wird, ob sich das Chaos bewährt.

     

    Für FDP und Linke ist der Zug aber wohl abgefahren. Wer braucht schon Parteien, die keine echte Alternative zu CDU/CSU und SPD darstellen. Ich nicht.

  • S
    Schade ! ?

    Man wird die Linke noch vermissen! Denn von den "Etablierten" werden die Mini-Jobber, die Zeitarbeiter, die Bedürfigen, die Rentner etc. wohl kaum etwas zum Besseren erwarten dürfen.

  • H
    Heuchler

    "Die Welt" sollte sich auch mal um die Vergangenheit A.Merkels kümmern. Aber dazu ist sie offensichtlich zu feige.Warum gibt Merkel denn ihre Stasi-Akten nicht frei? Die Linke ist dem Kapitalismus im Wege-, das ist der Grund, warum man ständig hinter Gysi her ist. Die Linke macht zwar nicht alles richtig, aber dafür machen die "Etablierten jede Menge falsch.

  • N
    Nordwind

    Zeit de Wahlen: die einen schreibt man hoch, die anderen schreibt man runter.

  • Z
    zebrad

    hallo pascal, wenn man "das" durch "welches" ersetzen kann, schreibt man es mit einem "s".

  • J
    Jan

    Hoffentlich folgt die Linkspartei der FDP. Beide Parteien sind absolut überflüssig!