piwik no script img

Kommentar Kirchliches ArbeitsrechtUnd wieder siegt die Kirche

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Die Kirche muss das Arbeitsrecht verbindlicher gestalten und einhalten. Grundsätzlich aber haben die Richter den Dritten Weg der Kirche nicht abgeschnitten.

D as Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts ist kein Erfolg für die Beschäftigten und die Gewerkschaft Ver.di. Grundsätzlich haben die Richter nicht am Dritten Weg der Kirchen gerüttelt.

Das ist sehr schade. Die Kirchen verteidigen ihr Arbeitsrecht mit Verweis auf die konsensorientierte christliche Dienstgemeinschaft. Doch längst ist der geschützte, konfliktfreie Raum, in dem Mitarbeiter in Tendenzbetrieben ihre Liebe zum Nächsten ungestört ausleben können, Geschichte. Seit Mitte der 1990er Jahre der Sozialstaat umgebaut wurde, unterliegen auch die kirchlichen Krankenhäuser und Altenpflegeheime einem brutalen Kostendruck. Er wird nach unten weitergereicht – natürlich auch bei den weltlichen Arbeitgebern wie Arbeiterwohlfahrt oder Deutsches Rotes Kreuz.

Aber wenn die Kirchen sich so sehr auf den weltlichen Markt einlassen, dann müssen am Arbeitsplatz auch weltliche Regeln gelten. Streiks sollten also grundsätzlich auch für Mitarbeiter in Diakonie und Caritas möglich sein. Umso mehr, als im ländlichen Raum die kirchlichen Einrichtungen oft die einzigen Arbeitgeber im Sozialwesen sind – aber längst nicht alle aus religiöser Überzeugung unter dem Kreuz arbeiten.

Bild: taz
Eva Völpel

ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.

Die Richter haben am Dienstag zwischen zwei hohen Gütern abgewogen: dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und dem Recht auf Streik, um bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten.

Erfreulich ist zumindest, dass die Richter den Kirchen deutlichere Vorgaben machen, dass das Arbeitsrecht verbindlicher ausgestaltet und auch eingehalten werden muss. Das dürfte den Beschäftigten im Alltag zumindest kleine Verbesserungen bringen. Zumal die Gewerkschaften darüber künftig wachen: halten sich die Kirchen nicht daran, darf gestreikt werden. Doch es gilt leider weiterhin: die Mitarbeiter bleiben gegenüber den Kirchen in einer deutlich unterlegenen Position.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Banse

    Die alten noch existierenden Zöpfe müssen abgeschnitten werden,was den Arbeitgeber Kirche anbelangt.

  • WW
    Wolfgang Weisess

    Wer in der Kirche arbeitet, macht das doch alles nur für Gottes Lohn und das gute Gefühl jemandem geholfen zu haben. Deswegen wird ja auch auf eine christliche Einstellung geachtet. Man soll mittlerweile ja unbedingt in der Kirche sein, wenn man dort gerne arbeiten möchte.

     

    Fragt man nach mehr Geld, so wird unterschwellig immer vermittelt, dass man ja einen sozialen Beruf hat und es ja um andere Dinge gehe, als schnöden Mammon.

     

    Ob man davon aber seine Familie unterhalten kann...das fragt keiner.

  • W
    wauz

    Das eigentliche Problem

     

    Tendenzbetriebe haben Besonderheiten im Arbeitsrecht. Kirchen auch. In den Kerngebieten ist das auch völlig akzeptiert. Das eigentliche Problem sind Gewerbebetriebe, die von kirchlichen Einrichtungen betrieben werden, wie z.B. durch Diakonie und Caritas. Es fängt schon damit an, dass diese ja schon organisatorisch nicht Kirche sind, sondern nur angegliedert.

    Daher löst sich das Problem am einfachsten, wenn man die betreffenden Betrieb der Sozialindustrie einfach korrekt als Gewerbebetrieb einordnet. Spezielle Regelungen sollte man beim Führungspersonal treffen. Ein bisschen Tendenz darf schon sein.

  • L
    lowandorder

    Söchst du Wuust in Hunnenstall?

     

    Eigentlich wollte ich was zur Kette - Maultaschen - Bongs - keine Kündigungsgründe - Streik iim Bereich der Kirchen - & BAG im Wandel - vom Stapel lassen.

    Aber Frau Völpel beklagt den Dritten Weg.

     

    Ja , auch ich halte die Bundespublik 'schland entgegen dem Grundgesetz in der Verfassungswirklichkeit weiterhin für ein klerikales Land.

    ( und die Grünen urwahlen Göring-Eckardt).

     

    Aber - Recht ist in die Zeit hin offen (Peter Häberle) - und dessen müssen sich oberste Richter erst mal vergewissern: Streik in der Kirche dennoch auf's Papier zu husten!

    Gewiß Arbeitsrichter sind aus verschiedenen Gründen ein besonderer Haufen, mit engen Drähten untereinander.

    Aber : Chapeau.

    Und - noch ist nicht aller Tage abend, wie die obige Kette zeigt.

    Amen.

  • H
    h.yurén

    danke sehr fürs bedauern zum urteil. nun war leider nichts besseres zu erwarten in einem rechtsstaat, dessen gesetze und regeln zu einem zu großen anteil antiquiert sind. sie stehen in der tradition des heiligen römischen reiches deutscher nazion.

    außer der nicht-trennung von staat und kirche gibt es eine menge weiterer bereiche, in denen nach einstellungen von dunnemals recht gesprochen wird. etwa im fall des bäuerlichen privilegs, so viele stallungen zu bauen, wie es dem bauern gefällt. folge: proteste gegen die massentierquälanlagen sind rechtlich ohne basis.

    dito beim privileg der bergbauindustrie, wonach die konzerne bohren und fördern können ohne umweltverträglichkeitsprüfung und ohne bürgerbeteiligung, z.b. beim giftigen fracking.

    der rechtsstaat, auf den manche gern stolz wären, steht auf ziemlich verschlissenen schlappen.