piwik no script img

Kommentar Helmpflicht für RadfahrerVernünftige Kopfentscheidung

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Das BGH-Urteil ist eine vernünftige Entscheidung. Auch wenn die Vorteile des Helmes überwiegen, sollte auf Einsicht statt Zwang gesetzt werden.

Wichtiger als Helme sind breite Radwege Bild: dpa

F ahrradhelme können die Verletzungsfolgen von Radfahrern in vielen Fällen abmildern. Dennoch ist es eine vernünftige Entscheidung, dass der Bundesgerichtshof auf die Einführung einer Helmpflicht durch die Hintertür verzichtet hat. Denn nichts anderes wäre es gewesen, wenn Fahrradfahrern ohne Helm grundsätzlich eine Mitschuld an Unfällen zugesprochen worden wäre.

Zum einen ist die Wirkung der Helme nicht so eindeutig, wie sie scheint: Einerseits sind die Folgen eines Unfalls mit Helm oft weniger schwer als ohne; andererseits kann die Wahrscheinlichkeit von Unfällen durch Helme aber steigen, weil der vermeintliche Schutz zu riskanterem Verhalten führen kann – sowohl bei Autofahrern als auch bei den Radfahrern selbst.

Noch gravierender wäre aber der Effekt, dass vermutlich viele Menschen aufs Radfahren verzichten würden, wenn Helme – direkt oder indirekt – vorgeschrieben wären. Das würde sich nicht nur negativ auf ihre eigene Gesundheit auswirken, weil Radfahren vielen Krankheiten vorbeugt. Auch für die verbleibenden Fahrradfahrer würde das Leben dadurch riskanter. Denn je weniger Räder auf der Straße sind, desto größer ist die Gefahr, dass sie von Autos oder Lastern übersehen werden. Die Politik hat darum aus gutem Grund auf eine Helmpflicht verzichtet; der BGH hat nun verhindert, dass einzelne Gerichte sie trotzdem faktisch einführen.

Auch wenn man – wie der Autor dieses Textes – überzeugt ist, dass die Vorteile des Helms insgesamt überwiegen, sollte nicht auf Zwang gesetzt werden, sondern auf Einsicht. Dabei würden bessere Statistiken über die tatsächliche Wirkung von Helmen helfen. Oder auch finanzielle Anreize: Warum werden eigentlich die Kosten eines Helms nicht als Präventionsmaßnahme von der eigenen Krankenversicherung übernommen? Angesichts der medizinischen Kosten einer Schädelfraktur müsste sich das doch auch für die Kassen rechnen.

Zudem lenkt der Streit über den Helm von anderen, deutlich größeren Gefahren für Radfahrer ab. Um das Unfallrisiko für Fahrräder zu verringern, brauchen diese mehr Platz im Straßenraum. Ein ausreichend breiter Radfahrstreifen, der nicht direkt neben parkenden Autos entlang führt, hätte nämlich auch jenen Unfall verhindert, um den es im Fahrradhelm-Prozess ursprünglich ging.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Es ist schon absurd, welche Argumente für und gegen den Helm herhalten müssen.

    Fragt doch einfach die Radfahrer selbst, warum sie einen Helm tragen bzw. warum sie keinen tragen.

     

    In den meisten Mountain Bike Parks herrscht Helmpflicht, trotzdem wird der Zulauf immer größer.

     

    Rennradler ohne Helm nimmt niemand gerne mit in seiner Gruppe, die meisten tragen ihn einfach, seit er bei offiziellen Rennen Pflicht ist.

     

    Zum Brötchen holen auch mit Helm?

    Zur Radtour durch die Heide??

     

    Jeder darf frei entscheiden, ob er raucht, trinkt, Freeclimbing ohne Seil betreibt oder eben einen Helm aufsetzt.

  • Nein, es ist nicht so, dass eine Fahrradhelmpflicht schlecht, Fahrradhelme aber gut sind sind, vielmehr haben Fahrradhelme auch dort, wo sie freiwillig getragen werden, in der Summe eine verschwindend geringe Schutzwirkung. Wenn Fahrradhelme helfen würden müsste man in der Verkehrsunfallstatistik vor allem bei Kindern, aber auch bei über 10% Helmtragequote bei Erwachsenen einen Rückgang des Anteils der Kopfverletzungen an den gesamten Verletzungen feststellen können (denn der Helm schützt ja nur den Kopf) und außerdem einen mit der Helmtragequote korrelierten Rückgang von Verletzungen und Todesfällen. Das ist nicht feststellbar. Warum trotzdem so viele "Experten" für Fahrradhelme plädieren wäre ein schönes Thema für eine wissenschaftssoziologische Studie.

    • @Dr. Rainer Rauschenberg:

      Das ist ein ähnlicher Erguss, wie man ihn damals haufenweise vor Einführung der Gurtpflicht im Auto lesen durfte.

      • @Wuff:

        Nö ist es nicht, dass Gurte helfen ist nämlich signifikant an den Daten ablesbar

  • Setzt einen Helm auf und gut ist!

    • @RPH:

      Differenzierte Betrachtung ist halt nicht jedermanns Sache.

  • „Das mittlere Schädel-Hirn-Trauma kann als typisches Trauma des verunfallten Fahrradfahrers angesehen werden. Die handelsüblichen Fahrradhelme schützen nicht hinreichend gegen höherenergetische Unfallmechanismen, denen mittlere und schwere Schädel-Hirn-Traumata folgen.“ „Ohne die Einführung des Begriffs »Energie« ist eine Beschreibung von Unfallabläufen nicht möglich. Die Wahrscheinlichkeit, tödlich verletzt zu werden, liegt bei 30 km/h Anprallgeschwindigkeit um 5%, bei 50 km/h um 40% und bei 70 km/h um 90%. Allerdings besteht bei älteren Menschen auch bei geringfügigen Verletzungen allein durch den Krankenhausaufenthalt die Gefahr, dass Komplikationen schließlich doch noch zum Tod führen. … Eine Aufprallgeschwindigkeit von 30 km/h entspricht einer Fallhöhe von 3,5 m, eine Aufprallgeschwindigkeit von 50 km/h entspricht bereits einer Fallhöhe von fast 10 m und eine Aufprallgeschwindigkeit von 70 km/h einer Höhe von 19,3 m.“ Es ist nicht der nicht getragene Fahrradhelm. Fahruntüchtigkeit der Kraftfahrer, nicht angepasste Geschwindigkeit, Missachtung von Regeln und suboptimale Ausstattung von Gefahrenpunkten im Verkehrsraum sind - aller Wahrscheinlichkeit nach - Hauptgefahren im Straßenverkehr, die zu Unfällen führen.

    Das BGH hat einen Schlussstrich gezogen unter den Versuch, aus Opfer Täter zu machen.

    • @higonefive:

      Ich hab nur Hilfsschule, dat kapier ich nicht. Ich hatte einen Fahrradunfall und bin auf die Birne genallt. Aufprallgeschwindigkeit war 45 km/h bei Fallhöhe 3 Meter minus Ostwind, leicht drehend. Ich hatte eine Schädelprellung (wurde geröntgt) Der Arzt meinte, mit Helm wär besser.

      • @RPH:

        Gegen Autos hilft kein Fahrradhelm, nur aufpassen und für die Idioten mitfahren. Wenn Du mit dem Fahrrad hinfallen tust, tust Du Dir in der Regel nichts. Und ss gibt Menschen, die über das meinen und sagen hinaus nix dazu beitragen können. Der Doktorand in der Studie sagte, Fahrradhelm hilft nicht. Und auch mit Hilfsschule kann man aus Fakten Schlüsse ziehen.