Kommentar Grundeinkommen: Für einen Bürgerrettungsschirm
Diejenigen, die für den globalen Beinahkollaps verantwortlich sind, sollten nicht entscheiden, wovon wir im Alter leben werden. Diese Frage gehört in staatliche Obhut.
S eit Jahren wüten weltweit abwechselnd Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise, Eurokrise und wieder Finanzkrise. Fast täglich gibt es neue Schreckensszenarien über den drohenden Zusammenbruch des Euroraums, der Banken oder der Börsen. Sie zerstören das Vertrauen der Menschen in die Sicherheit der Finanzbranche.
Ausgerechnet dieser übertrug die Politik im vergangenen Jahrzehnt verstärkt die Aufgabe, für die existenzielle Sicherung der BürgerInnen zu sorgen: Seit Beginn der Krise des Sozialstaats werden staatlichen Sicherungssysteme radikal zurückgestutzt. Private Versicherungskonzerne widmen sich dem lukrativen Vertrieb von Riester-Produkten. Und nun wird auch noch eine private Pflegeversicherung gefordert.
Doch die Fragen, wovon wir im Alter leben werden oder was im Pflegefall passiert, sollte nicht in den Händen jener liegen, die für den globalen Beinahekollaps verantwortlich sind. Deshalb gehört die soziale Absicherung dorthin, wo sie mehr als ein ganzes Jahrhundert auch hauptsächlich verortet war: in staatliche Obhut. Niemand sonst kann als zuverlässigerer Garant Risiken wie Krankheit, Altersarmut und Arbeitslosigkeit abfedern, wenn die Finanzbranche kollabiert.
28, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Grünen im Stuttgarter Landtag. Seit 2011 ist sie taz-Genossin.
Es ist an der Zeit, die Systemfrage sozialer Sicherung zu stellen. Das führt zu einer anderen, radikalen sozialpolitischen Maßnahme: dem bedingungslosen Grundeinkommen, das der Staat allen ohne Gegenleistung gewährt. Es wäre angesichts der täglich neuen Verunsicherung der Menschen die richtige Antwort auf die Dauerkrise. Nur die bedingungslose Absicherung führt zu einem guten Leben, frei nach dem Motto: Nur wer isst, kann seine Kreativität ausleben, sich persönlich entfalten, seine Energien gemeinschaftlichen Aufgaben und Herausforderungen widmen.
Es drängt, denn Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungen, Angst vor Hartz IV und sozialem Abstieg sind durch die Krise immer weiter verbreitet. Es bleiben Entfaltungsmöglichkeiten auf der Strecke, die elementar für das Funktionieren der Gesellschaft sind. Diese soziale Realität bedeutet einen massiven Freiheitsverlust, den nur ein bedingungsloses Grundeinkommen beenden kann. Es wäre ein Impuls für eine wirklich neue Gesellschaft, eine neue, ganz andere, bessere Zukunft: einen Staat, der bedingungslos seine Bürger unterstützt, statt bedingungslos Banken zu retten.
Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Einigung über die Zukunft von VW
Die Sozialpartnerschaft ist vorerst gerettet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen