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Kommentar Folgen des LibyenkonfliktsEs droht ein libyscher Flächenbrand

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Maghreb-Staaten, Europa und die USA müssen jetzt schnell und effizient zusammenarbeiten. Schaffen sie es nicht, droht in Nordafrika ein gefährlicher Flächenbrand.

D er Libyenkrieg war nie eine rein libysche Angelegenheit, ganz unabhängig von den Nato-Luftangriffen. Ihre Inspiration holten die libyschen Aufständischen bei den erfolgreichen Revolutionären der Nachbarländer Tunesien und Ägypten.

Jetzt setzen sich hohe Vertreter der gestürzten Gaddafi-Elite in das Nachbarland Algerien ab, und auch weitere Länder wie Mali und Niger fürchten die Schockwellen des Libyenkonflikts. Es ist durchaus denkbar, dass sich Gaddafi-Anhänger jenseits der libyschen Grenzen neu sammeln, entweder militärisch oder als dubiose Geschäftemacher.

Das ist eine beängstigende Entwicklung. Die Sahelregion ist ohnehin schon ein Hort von Instabilität, Rückzugsgebiet von radikalen Anhängern al-Qaidas und ein kaum kontrollierbarer rechtsfreier Raum. Die Staaten sind schwach, Warlords und Geschäftemacher können ungebremst agieren.

Bild: taz
DOMINIC JOHNSON

ist Co-Leiter des Auslands-Ressorts der taz.

Je länger sich die endgültige Klärung der Machtfrage in Libyen hinzieht, desto tiefer rutscht dieses Land in den Sog dieser Zustände hinein. Das, und nicht angebliche Stammeskonflikte in Libyen selbst, ist die größte Gefahr für den Erfolg der libyschen Revolution.

Es gibt genügend abschreckende Beispiele aus Afrika für die Kreisläufe der Gewalt, die sich ergeben können, wenn gestürzte Regierungen aus Nachbarländern weiter gegen ihre Nachfolger kämpfen und jeder Staat ein Faustpfand gegen seine Nachbarn in Form von Rebellen hält. Wenn Flüchtlingsbewegungen, Waffenströme und grenzüberschreitende Solidarisierungen sich schneller und intensiver entwickeln als die Kooperation der Demokraten, wächst das Risiko eines Flächenbrandes.

So erscheint eine stärkere und entschlossenere Hilfestellung von außen für die demokratischen Kräfte in Nordafrika und im Sahel dringender denn je. Man muss dafür keine neuen komplizierten Dinge erfinden. Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen den Maghreb-Staaten, Europa und den USA bestehen längst.

Sie wurden allerdings zur Terrorbekämpfung und Flüchtlingsabwehr entwickelt und dienten bisher vor allem dazu, Diktatoren bei der Repression und bei der Abschottung zu helfen. Jetzt müssen sie neu konzipiert werden, als Strukturen der Förderung neuer politischer Ordnungen unter Beteiligung der Bevölkerungen. Der Nationalrat in Libyen und die Übergangsregierungen in Tunesien und Ägypten sollten dabei zu privilegierten Partnern Europas werden.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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9 Kommentare

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  • OK
    Oma Kruse

    Sehnsucht nach dem Bruder Führer?

    Wenn man die Kommentare hier so liest, könnte man das fast glauben.

  • O
    Ostprodukt

    Und es ist das immergleiche alte Lied: Erst stützt der Westen jahrzehntelang Diktatoren, rüstet sie auf, macht mit ihnen dicke Geschäfte - immer unter dem Vorwand, damit die "Stabilität in der Region" sichern zu wollen (dass die Herren dabei über Leichen geh'n, interessiert nicht).

     

    Und wenn das Volk in diesen Ländern seine Despoten dann mal endgültig satt hat und davonjagt, hebt - wieder im Westen - ein großes Geschrei an: Wir als christliches Abendland müssen diesen "primitiven Wilden" (so sagte man vor hundert Jahren, heute kaschiert man das mit Fremdwörtern) doch "Freiheit" und "Demokratie" (bei)bringen - die wissen doch selbst gar nicht, was das ist und wie das geht!

     

    Ob Libyscher Übergangsrat, Ägypter auf dem Tahir-Platz oder andere: Die Leute werden (und müssen) mit den Problemen in ihren Ländern selbst fertig werden; und wenn sie tatsächlich Hilfe brauchen, werden sie sich schon melden. Dann sollten aber NGO's in der ersten Reihe stehen - und nicht schon wieder Militärberater und Wirtschaftsbosse. Oder war das NATO-Engagement dann doch nicht so uneigennützig? Ein Schelm, wer...

  • M
    maiki

    Da kann die taz noch viel Pro-Krieg-Propaganda betreiben.

  • E
    EuroTanic

    Nato und Rebellen haben keine Ahnung wo Gaddafi steckt und bomoardieren quasi stellvertretend ganz Orte und Städte.

    Inzwischen ist Al Qaida mit tausend Mann in Tripolis eingezogen und verweigert der US Marionettenregierung der Rebellen den Einzug. Es wurde die Sharia ausgerufen.

    Offiziell seien 50.000 Libyer durch die NATO und Rebellen zu Tode gekommen. Dann sind es wohl eher 500.000?

    Wenn das eine Friedensmission der UN und Nato ist möchte ich nicht wissen wie ein offizieller Krieg aussieht.

  • V
    vic

    Große Schlagkraft-kleines Gehirn= NATO.

    An ein Danach denkt man da nicht. Bis auf`s Öl, versteht sich.

  • KT
    Kommen tar

    Wer keine wahre Demokratie kennt, kann sie nicht leben.

    Wer keine wahre Demokratie will, braucht sie nicht leben. Wozu auch.

    Das Individuum will seine Taschen füllen und nicht zufrieden zusammenleben.

    Um mehr geht es Machthabern nicht.

     

    Ukraine und Haiti oder Griechenland waren keine präferierten Partner ? Und was sind sie heute ? Na also.

    "Suspekte Geschäftemacher" lauern überall. Springfield brennt und der Mob marodiert und Burns meint "Smithers, leiern Sie Schieber-Geschäfte an".

    Merkel schafft ja schon nicht das es ihrem Volk besser geht. Und Trittin+Schröder (rot-grün wer sich erinnert) haben es auch nicht geschafft.

    Die bösen Koalitionszwänge oder EU-Vorgaben oder Amerika oder Griechenland oder Klimawandel oder Ölpreise oder Isländischen Vulkane oder Krebsmenschen. Immer sind die bösen anderen Schuld wenn Merkel oder Trittin noch mehr Schulden machen muss.

     

    Demokratie geht anders.

    Deutschland hilft Tunesien, Ägypten und Liyben genau so "erfolgreich viel wie schon" Afghanistan, Irak, Ukraine, Griechenland und Haiti. Man sollte die alten Reden hervorholen. Schade das YouTube keine Transkripte hat in denen sich deutsche Politiker Afghanistan oder Timoschenko zur gelungenen Demokratie beglückwünschen und selbst beweihräuchern :-(

  • P
    Peter

    Na sowas. Da fürchtet sich Herr Johnson, daß die Sahel-Zone als Spätfolge des Umsturzes in Libyen zu einem Rückzugsgebiet für Al-Qaida werden könnte.

    Hm, liest er denn keine Nachrichten? Es IST doch schon soweit, nur nicht halt irgendwo in der Wüste, sondern in Tripolis selbst, wo ein Al-Qaida-Terrorist und Salafist namens Abdul Hakim Belhadj als von der NATO gehätschelter "Rebell" das Kommando übernommen hat. Da muß man sich in der Tat Sorgen machen.

  • K
    Kati

    Die USA haben ihren Plan "Greater Middle East". darunter verstehen sie das Gebiet von Marokko bis Afghanistan, dass sie beeinflussen können möchten. Erstaunlicherweise (?) wird dies in den "freien deutschen Medien beharrlich nicht erwähnt.Stattdessen nichts als Kriegspropaganda. Ein Schelm, der die Vorgänge in Nordafrika hier einordnet? Next Time in Theheran? Zuvor UN oder NATO "Schutztruppen" nach Nordafrika?

  • E
    EuroTanic

    Genau das war das Ziel der neuen Kolonialisten aus Amerika und Europa. Land für Land wird propagandistisch sturmreif geschossen, dann mittels militärischer Übermacht in Grund und Boden gerichtet, dann werden die Kultur, Besitztümer und die Bodenschätze geraubt. Wer nicht sehen will, dass genau das im Irak, Afghanistan und nun in Libyen passiert der schaue sich demnächst Syrien an. Es fängt schon an. Wer diese miese Strategie nicht sieht muss vollkommen bewusstlos sein.