Kolumne Press-Schlag: Die Kicker aus der Antistadt
Mit Kampffußball und Manndeckung ist der FC Augsburg drauf und dran, den Bundesliga-Klassenerhalt zu schaffen. Ja wissen die denn nicht, dass das keiner will?
D as hat der deutsche Fußball nicht verdient. Als dieser merkwürdige FC aus dieser merkwürdigen Stadt Augsburg vor einem Jahr den Einzug in die deutsche Eliteliga feierte, war das Entsetzen groß. Was wollen die da oben? Was ist das für ein Klub? Was ist Augsburg überhaupt für eine Stadt? Kaum einer wusste etwas über das Fußballprojekt aus Bayerns drittgrößter Stadt. Niemand interessierte sich wirklich dafür.
Wer bei Wikipedia nachliest, wird verwundert feststellen, dass über 250.000 Menschen in dieser Kommune leben, von der viele Deutsche bis zum Aufstieg des FCA nicht einmal wussten, dass sie überhaupt existiert. Es war ja auch seit dem 25. September 1555 nicht viel passiert in Augsburg. Da wurde der Reichs- und Religionsfrieden geschlossen, der den Lutherischen die freie Religionsausübung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erlaubt hat.
Aber sonst? Der Pflaumenkuchen, den sie in Augsburg Datschi nennen, ist in der Stadt angeblich erfunden worden. Und Helmut Haller, einer der Vizeweltmeister von 1966, kommt auch aus Augsburg. Aber an den kann sich eigentlich nur noch Otto Rehhagel erinnern.
ist Redakteur im Sportressort der taz.
Wird schon nicht so lange dauern. Dem Entsetzen über den Aufstieg folgte die Gewissheit, dass die Augsburger nach einer Saison sowieso wieder abgestiegen sein werden. Und jetzt das! Nach dem 2:1 am Samstag in Wolfsburg wird tatsächlich wahrscheinlich, dass der Klub die Klasse hält.
Eine grauenhafte Vorstellung!
Darf es das geben? Während Supertraditionsvereine wie 1860 München, der MSV Duisburg oder der VfL Bochum in der zweiten Liga festsitzen und andere Supertraditionsvereine wie der Karlsruher SC oder Alemannia Aachen vor dem Abstieg in die dritte Liga stehen, könnten die Kicker aus der Antistadt im bayerischen Schwaben tatsächlich noch ein Jahr in der Eliteliga kicken. Eine grauenhafte Vorstellung!
Wie die überhaupt spielen! Unvergessen ist der Augsburger Auftritt beim deutschen Meister 2012, Borussia Dortmund. Entsetzen herrschte unter den Millionen Fußballexperten dieses Landes, die mit ansehen mussten, wie die Augsburger praktisch die gesamte Dortmunder Mannschaft in Manndeckung genommen haben.
Manndeckung! Was bilden die sich ein? So mag man vielleicht zu Zeiten des Augsburger Religionsfriedens gespielt haben – aber das geht doch heute nicht mehr! Und warum nur hat der FCA die ihm von den Fußballfreunden dieses Landes zugedachte Rolle als Punktelieferant einfach nicht angenommen? Die kämpfen, als stünde es ihnen tatsächlich zu, in der ersten Liga zu spielen. Rackern, laufen, grätschen! Geht’s noch?
So wie eins Hans-Peter Briegel
Beim FCA wird gespielt, als hätte sich der Fußball seit Hans-Peter Briegel nicht weiterentwickelt. Ist es nicht eigentlich längst verboten, die Spielfelder so zu beackern? Geben die Statuten der DFL in dieser Hinsicht nichts her? Zwangsabstieg? Die Augsburger sollten sich ein Beispiel am 1. FC Kaiserslautern nehmen. Da zeigt man, dass es auch anders geht. Man kann nicht nur gegen den Abstieg spielen, sondern auch für den Abstieg.
Am kommenden Sonntag kommt der Supertraditionsverein Schalke 04 nach Augsburg. Es ist noch nicht zu spät. Noch ist der Abstieg möglich. Fußballdeutschland wäre den Augsburgern dankbar. Denn der nächste Antiverein aus einer weiteren Antistadt steht vor dem Sprung ins Oberhaus. Neben dem Ruhrderby, dem Nordderby oder dem Nord-Süd-Gipfel könnte es bald ein Antiderby geben: Augsburg gegen Fürth.
Moment. Fürth. Ist das nicht eigentlich auch ein Supertraditionsverein? Die Spielvereinigung war immerhin drei Mal deutscher Meister. Aber das reicht nicht zum Ehrentitel Traditionsklub. Denn daran kann sich niemand mehr erinnern. Die Fürther haben ihre Meisterschaften ungefähr zur selben Zeit gewonnen, zu der in Augsburg der Reichs- und Religionsfrieden geschlossen wurde.
Update: "Die Augsburger Zeitung" hat mit einem eigenen Artikel auf den Text von Andreas Rüttenauer reagiert.
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